Präsidentschaftswahl in Iran:Kampf der zweiten Riege

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Der Wahlkampf in Iran ist voll im Gang: Reformkandidat Moussawi wirbt verzweifelt um Stimmen - doch der Amtsinhaber Ahmadinedschad hat mächtige Verbündete.

Tomas Avenarius

Der Herr im weiten Umhang wirft das Netz des professionellen Menschenfischers am Morgen aus: Die Sonne ist kaum aufgegangen, da läuft Mehdi Karroubi schon über den Heldenfriedhof, bettet Gladiolen auf die Grabsteinplatten, dreht den Kopf zu den Kameras.

Eine Anhängerin des ehemaligen iranischen Premierministers Mir-Hossein Moussawi hält während einer Wahlveranstaltung sein Foto. Dem Präsidentschaftskandidaten werden jedoch wenig Chancen eingeräumt. (Foto: Foto: Reuters)

Ein Besuch auf dem Ehrenfriedhof, welcher persischen Stadt auch immer, ist Wahlkämpfer-Pflicht: Das Gedenken an das Acht-Jahre-Gemetzel mit dem Nachbarland Irak gehört, wie der ständige Lobpreis der Islamischen Revolution, zum Pflichtrepertoire jedes Politikers in Iran.

Der Geistliche Karroubi sichert den Sitz seines Turbans, rafft den Mullah-Mantel, rollt im Wahlkampfbus zur nächsten Station: Eine Märtyrerfamilie. Karroubi reicht einem alten Mann die Hände: Der Alte hat neun Söhne im Krieg verloren. Jetzt stehen Kulturzentrum und Universität auf dem Programm des Herausforderers - neben fotogerechter Gesten bedarf der Wahlkampf der Argumente. Also sagt der Kandidat: "Die Zeit von Präsident Ahmadinedschad ist vorbei!"

Der Wahlkampf in Iran ist voll im Gang. Am 12. Juni bestimmen die Wähler, welcher Präsident ihr Land die nächsten vier Jahren führt. Da ist der Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad, bekannt als unnachgiebiger Islamist und persischer Nationalist. Ein Mann, der kein Reizthema auslässt, um die internationale Gemeinschaft vor den Kopf zu stoßen - sei es die lustvoll zur Schau gestellte Härte in der Atompolitik oder die Leugnung des Holocaust.

Und da sind die Herausforderer: Ein Konservativer und zwei Reformer, die die internationale Isolation des Landes beenden wollen, die im Atomstreit auf Kompromisse setzen. Das Problem der Reformer - neben Karroubi tritt Ex-Premierminister Mir-Hossein Moussawi an - ist aber offensichtlich: Sie sind zweite Wahl.

Nur der Ersatzmann

Denn abgestimmt wird über einen Mann, der nicht antritt: Über den Reformer und Ex-Präsidenten Mohammed Chatami. Der schiitische Geistliche war bekannt geworden als das sympathische Gesicht des iranischen Revolutionsregimes. Bereit zum "Dialog der Kulturen" zog er zwischen 1997 und 2005 um die Welt. Trotz zweier Amtszeiten scheiterte er an den Betonköpfen im Revolutions-Establishment: Der allmächtige "Revolutionsführer" Ayatollah Ali Chamenei war einer davon. Chamenei soll jetzt klargestellt haben, dass er eine erneute Kandidatur des Reform-Propheten nicht wünschte, weshalb Moussawi sich als Ersatzmann zur Verfügung stellte.

Wenn Chatami spricht, sind die Hallen voll. Er kann sagen: "Ich weiß, dass die Beschränkung der Freiheit zunimmt." Der Ingenieur Moussawi hingegen vermittelt vor dem Lehrerverband in Teheran den Eindruck, als wolle er rasch wieder auf die heimische Couch: Die Minus-Zahlen der Wirtschaftsentwicklung trägt er vor wie der Buchhalter eines mittelständischen Betriebs die Bilanz. Populismus ist Moussawi wesensfremd. Kämpferische Gesten hat er nicht im Repertoire. Weshalb Chatami jede erdenkliche Wahlkampfhilfe leistet. "Indem ihr Moussawi auf den Wahlzettel schreibt, erfüllt ihr eure Pflicht gegenüber der Revolution und dem Islam", sagt er.

Moussawi ist ein angestaubter Polit-Oldtimer. Während der achtziger Jahre war er Premier, verzog sich dann für fast 20 Jahre in sein Büro als Hochschullehrer für Architektur. Auferstanden wie Phönix aus der Asche tritt der Politrentner nun an als Spitzenkandidat der Reformer. Die Chancen, dass Ahmadinedschad bestätigt wird, sind daher beträchtlich. Zudem hat der Staatschef - anders als seine Herausforderer - die Regierungsmaschinerie hinter sich: das Staatsfernsehen als Propaganda-Apparat; die treuen Kohorten der mächtigen, ihm nahestehenden Revolutionswächter-Miliz; und, das Wichtigste: Ahmadinedschad hat den Segen des Geistlichen Führers.

Miserabler Wirtschaftspolitiker

Revolutionsführer Chamenei hat im Gottesstaat das letzte Wort. Er gibt zu erkennen, dass er Ahmadinedschad für den Richtigen hält. Womit in der sehr eigenen Gesetzmäßigkeiten folgenden Islamisten-Demokratie die Weichen gestellt zu sein scheinen für Ahmadinedschads Wiederwahl. Doch der Unmut von Teilen der Bevölkerung über den internationalen Konfrontationskurs wächst. Die kritischen Stimmen gegen Ahmadinedschad werden lauter. Die einige Jahre zurück liegende Zeit der Reformpolitik erscheint wieder in einem positiven Licht.

Und: Der Präsident ist ein miserabler Wirtschaftspolitiker. Die Inflation steigt, es gibt keine Jobs, das Land leidet unter Sanktionen. Auf diesen Unmut setzen Karroubi, Moussawi und der konservative Gegenkandidat Mohsen Rezai. Mit einer hohen Wahlbeteiligung wollen sie Ahmadinedschad in die Stichwahl zwingen, um dann die Oppositionsstimmen gegen den Amtsinhaber zu bündeln.

Der Reformer Karroubi verbreitet daher an diesem Morgen vor Studenten die Botschaft, die er und die anderen zwei Gegenkandidaten gemeinsam haben: "Ahmadinedschad muss weg, weil er dem Ansehen Irans schadet." Karroubi ist im Gegensatz zu Moussawi ein klassischer "Reformer": Einer von denen, die der Islamischen Republik seit Mitte der neunziger Jahre ein weniger fundamentalistisches Angesicht geben wollen.

Von der Revolution gegen den Schah geprägt und ihr im Kern bis heute treu, setzen sie auf Aussöhnung mit der Welt. Der Ex-Parlamentssprecher ist 2005 gegen Ahmadinedschad gescheitert - der Verdacht massiver Wahlfälschung stand im Raum. Die Opposition fürchtet auch diesmal Manipulationen. Mit Grund: Ahmadinedschad hat gerade die Internetseite "Facebook" lahmgelegt: Mit Hilfe der populären Plattform wollte Moussawi seine Wahlkampf-Botschaft besser unters Volk bringen.

© SZ vom 26.05.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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