Präsidentenwahl in der Türkei:Gül fällt im ersten Wahlgang durch

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Außenminister Gül hat in der ersten Runde der Präsidentenwahl in der Türkei die erforderliche Zweidrittelmehrheit verfehlt - trotzdem hat er weiterhin beste Chancen, Präsident zu werden.

Kai Strittmatter

Das türkische Parlament hat an diesem Montag die erste Runde der Präsidentschaftswahlen ohne Ergebnis beendet. Wie erwartet, schaffte Abdullah Gül es beim ersten Anlauf nicht, die Zweidrittel-Mehrheit auf sich zu vereinen.

Er erhielt 341 von 550 Stimmen. Außenminister Gül ist der Kandidat der regierenden konservativen AKP. Seine Wahl zum elften Präsidenten der türkischen Republik gilt als sicher, spätestens im dritten Wahlgang am 28. August, wenn die einfache Mehrheit genügt.

Zwei der Oppositionsparteien, die rechtsnationale MHP und die DSP, stellten ihre eigenen Kandidaten auf, die jedoch chancenlos sind. Die kurdischen Abgeordneten von der DTP enthielten sich der Stimme. Die größte Oppositionspartei, die Republikanische Volkspartei CHP, boykottierte die Wahl erneut. Anders als vor vier Monaten bleibt ihr Boykott diesmal ohne Folgen.

Abdullah Gül hatte im Mai schon einmal versucht Präsident zu werden. Auch damals blieb die CHP der Abstimmung fern und löste damit eine tiefe politische Krise aus. Das Verfassungsgericht hatte nämlich zuvor bestimmt, eine Präsidentenwahl sei ungültig, wenn nicht zwei Drittel aller Abgeordneten daran teilnehmen. So kippte der Boykott der CHP damals Güls ersten Versuch, Präsident zu werden. Neuwahlen des Parlamentes waren die Folge. Dabei errang die AKP einen überwältigenden Sieg, die Anzahl der CHP-Sitze hingegen wurde fast halbiert: von 170 auf 99 - nicht genug, um Güls Wahl erneut scheitern zu lassen.

Viele Beobachter bewerteten den AKP-Erfolg als Mandat für eine neuerliche Kandidatur des 56-jährigen Gül. Das kemalistisch-säkulare Lager um die CHP, Teile der Staatsbürokratie und die Armee jedoch attackieren Güls Präsidentschafts-Ambitionen scharf: Sie misstrauen Gül wegen seiner Wurzeln im politischen Islam. Dorn im Auge ist ihnen vor allem Güls Ehefrau Hayrünnisa. Sie trägt ein Kopftuch. Eine kopftuchtragende Präsidentengattin aber ist in den Augen vieler Mitglieder der alten Staatselite ein Sakrileg.

Hohes Ansehen bei europäischen Kollegen

Abdullah Gül hatte vergangenen Woche erneut versprochen, die säkulare Verfassung der Republik zu schützen. Als Außenminister hat der studierte Wirtschaftswissenschaftler Gül die Türkei zu einem EU-Beitrittskandidaten gemacht, unter seinen europäischen Kollegen genießt er einen guten Ruf als Reformer. Gül spricht fließend Englisch und Arabisch. Innerhalb der AKP gilt er als zweiter starker Mann neben Premier Tayyip Erdogan, einer der wenigen, die Erdogan auch die Stirn bieten können, was manche Kolumnisten in Hinsicht auf Güls neue Aufgabe begrüßen.

Spekuliert wird über eine mögliche Reaktion der Armee auf die Wahl Güls. Der Generalstab hatte am 27. April in einem Drohbrief vor Güls Kandidatur gewarnt.

Die türkische Armee versteht sich als Hüter des Erbes von Republikgründer Atatürk und dessen säkularer Ordnung. Als Präsident wäre Gül zugleich Oberbefehlshaber der türkischen Streitkräfte und hätte, zumindest formell, Einfluss auf alle wichtigen Personalentscheidungen im Militär.

© SZ vom 21.08.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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