Steffen Bockhahn kämpfte mit den Tränen. Er sei der "glücklichste Vater der Welt", sagte der Linken-Abgeordnete mit erregter Stimme. Dieses Glück, "dass ich jetzt mit meiner Frau teilen kann", sollten auch andere haben können - auch wenn sie wegen Erbkrankheiten daran zweifelten, ob sie ein Kind bekommen sollen.
Mit seinem emotionalen Plädoyer war Bockhahn nicht alleine. Auch andere Redner führten - über Parteigrenzen hinweg - in der Debatte um die Präimplantationsdiagnostik (PID) ihre persönliche Lebenssituation ins Feld. Der Bundestag zeigte sich tief gespalten in der Frage, ob die Technik erlaubt wird - oder strikt verboten.
"Brutale Konsequenzen"
Bei der PID werden im Reagenzglas erzeugte Embryonen vor der Einpflanzung in den Mutterleib auf Gendefekte untersucht und gegebenenfalls aussortiert. "Es geht um die Ethik des Lebens", mahnte der Vorsitzende der Unionsfraktion, Volker Kauder. Mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle werde der "Lebensprozess in Gang" gesetzt. Er warne vor "brutalen Konsequenzen", wenn der Mensch in diesen Prozess eingreife.
Die CDU-Abgeordnete Katherina Reiche sagte hingegen, eine Totgeburt sei "eine Lebenskatastrophe, die niemals heilt". Sie setze sich deshalb für eine Zulassung der PID ein. Der verständliche Wunsch nach einem gesunden Kind von Eltern, die sich ohnehin schon in einer schwierigen Situation befänden, sei "keine moderne Eugenik".
Kurz vor der Abstimmung zeichnete sich keine eindeutige Mehrheit für einen der drei fraktionsübergreifenden Anträge ab, die von einem Verbot bis zu einer begrenzten Zulassung unter strengen Voraussetzungen reichen. Anders als bei anderen Abstimmungen unterliegen die Parlamentarier bei dieser Ethik-Frage nicht der Fraktionsdisziplin - sie sollen sich nur ihrem Gewissen verpflichtet fühlen. Die jeweiligen Fraktionsführungen verzichten - zumindest formell - auf eine Einflussnahme.
Angst vor der Totgeburt
Die meisten Unterstützer fand im Vorfeld ein Antrag, der die PID in solchen Fällen zulassen will, in denen Paare eine Veranlagung für eine schwerwiegende Erbkrankheit in sich tragen oder wenn mit einer Tot- oder Fehlgeburt zu rechnen ist. Dabei soll eine verpflichtende Beratung vorgeschrieben werden. Außerdem muss eine Ethik-Kommission zustimmen und die PID darf nur von wenigen Institutionen vorgenommen werden.
Als einer der Initiatoren des Antrags betonte der CDU-Politiker Peter Hintze, Eltern in einer schweren Notlage dürften nicht per Strafrecht einer "rigiden Moral" unterworfen werfen. Sie hätten Angst, etwa den qualvollen Tod eines Kindes, oder eine Totgeburt erneut miterleben zu müssen.
Die FDP-Gesundheitsexpertin Ulrike Flach verwies darauf, dass Erbkrankheiten, die durch die PID nicht entdeckt würden, zu einer straffreien Abtreibung führen könnten. Dies sei für die Frau ein weitaus gefährlicherer Eingriff. Würden sie in diesen hineingetrieben, werde ein PID-Verbot vor dem Verfassungsgericht scheitern. Die begrenzte Zulassung sei auch kein Dammbruch, denn es gehe um wenige hundert Fälle pro Jahr.
Der Druck, ein "Musterbaby" zu bekommen
Der Patientenbeauftragte Wolfgang Zöller (CSU) warnte dagegen, die PID bedeute eine Selektion menschlichen Lebens und werde das Wertegefüge der Gesellschaft nachhaltig beeinflussen. Es handele sich quasi um eine "Zeugung auf Probe". Es werde unterschieden zwischen lebenswert und nicht lebenswert. Auf Paare steige der Druck, ein "Musterbaby" zu bekommen.
Auch Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) warnte, die PID verhindere in einzelnen Fällen zwar Leid, "aber sie verhindert in jedem Fall das Lebensrecht von gezeugtem menschlichen Leben".
Eine kleine Gruppe von Abgeordneten um Bundestagspräsident Norbert Lammert will die PID zwar verbieten, in Ausnahmefällen aber für "nicht rechtswidrig" erklären. Dies soll dann der Fall sein, wenn die erbliche Vorbelastung der Eltern "mit hoher Wahrscheinlichkeit" eine Schädigung des Embryos erwarten lässt, die wiederum "mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Tot- oder Fehlgeburt führt". Initiator René Röspel von der SPD sagte, die Untersuchungsmethode solle bei dieser Variante nur zugelassen werden, wenn das Leben eines Embryos nicht mehr geschützt werden könne.