Nayirah erzählte am 10. Oktober 1990 im amerikanischen Kongress eine traurige Geschichte. Die 15-jährige Hilfskrankenschwester aus Kuwait wollte beobachtet haben, wie irakische Soldaten ihr Krankenhaus überfielen. "Sie nahmen die Babys aus den Brutkästen und legten sie zum Sterben auf den Boden", erzählte Nayirah unter Tränen.
Die westliche Welt war schockiert. Die irakische Armee galt als brutal und barbarisch. Und Präsident George Bush senior ließ aufrüsten. Wenig später begann die Operation Desert Storm - und damit der erste Krieg der USA gegen den Irak.
Nayirah war aber gar nicht Nayirah. In Wirklichkeit heißt sie Nijirah al-Sabah und ist die Tochter des damaligen kuwaitischen Botschafters in den USA. PR-Profis von Hill & Knowlton hatten das Mädchen als angebliche Zeugin ausgewählt. Bezahlt von der Organisation "Citizens for a free Kuwait" hatte die Agentur eine großangelegte Kampagne für den Golfkrieg gefahren - unterstützt übrigens auch von Craig Fuller, Bush Seniors ehemaligem Stabschef, der als stellvertretender Agenturchef das Mädchen persönlich für den Auftritt trainiert hatte.
Als die Lüge aufflog, war der Golfkrieg schon vorbei. Hill & Knowlton sollen für ihren erfolgreichen Coup 14 Millionen Dollar unter anderem von der US-Regierung erhalten haben.
Nach so einem Skandal sollte eigentlich niemand mehr irgendeiner Aussage trauen, bei der Hill & Knowlton auch nur im entferntesten die Finger im Spiel haben. Aber die Kommunikationsprofis agieren unauffällig und haben sich besonders auf heikle Jobs und zwielichtige Kunden spezialisiert.
So beauftragte sie beispielsweise Saudi-Arabien, Gastgeber des Opec-Gipfels 2007, damit, den ausländischen Journalisten ein offenes, charmantes Bild des Königreichs zu präsentieren. Auch der russische Öl- und Gas-Monopolist Gazprom bezahlt die Kommunikationsprofis dafür, sein Image aufzupolieren.
Derzeit taucht der Name Hill & Knowlton vor allem in Verbindung mit dem Internationalen Olympischen Komitee auf. Das ließ sich lange Zeit von der PR-Agentur beraten, unter anderem half sie dem Komitee, 1998/1999 den Bestechungsskandal um die Winterspiele von Salt Lake City zu überstehen. Zunächst fahndeten die Kommunikationsprofis in der IOC-Mannschaft nach einem geeigneten Sprecher, um das Hill-&-Knowlton-Motto vor den Medien umzusetzen: "Verantwortung übernehmen ohne Schuld einzugestehen." Generalstabsmäßig plante das PR-Team das weitere Vorgehen: Medienauftritte wurden organisiert, die Welt wurde mit IOC-Erfolgsmeldungen überschwemmt und unbotmäßige Journalisten schmiss das Unternehmen aus den Verteilern.
"Ohne diese Beratung", so zitiert Jens Weinreich, Autor mehrerer Bücher über Olympia und Korruption im Sport, den damaligen IOC-Sprecher Franklin Servan-Schreiber, "hätten wir diese Phase vielleicht nicht überstanden." Für diese Weichzeichnerei erhielt Hill & Knowlton sogar den amerikanischen PR-Oscar. Auch die Olympiabewerbung von Athen für die Sommerspiele 2004 hat die Firma gemanagt - erfolgreich. Die eigentlich als Außenseiter gehandelte griechische Hauptstadt durfte die Spiele ausrichten.
Personell sind Hill & Knowlton und das IOC eng verflochten: Der ehemalige PR-Mann Michael Kontos ist der Kommunikationsdirektor für die Bewerbung Chicagos für die Olympischen Sommerspiele 2016 und die heute hochrangigen IOC-Funktionäre Kevan Gosper und Alex Gilany waren während Salt Lake City 2002 im Hill & Knowlton-Team.
Die Olympischen Spiele sind ein Riesengeschäft für Kommunikationsprofis. WPP, der britische Werbekonzern, zu dessen Firmenkonglomerat Hill & Knowlton gehört, hat für 2008 bereits ein Rekordergebnis verkündet, vor allem wegen des Rückenwindes von Olympia. China spielt beim Wachstum des Werberiesen eine große Rolle. Dort sei das Geschäft in 2007 sogar um 31 Prozent gewachsen, sagte Konzernchef Martin Sorrell dem Handelsblatt.
Nicht zuletzt wegen Hill & Knowlton: Die PR-Profis kennen offensichtlich keine Scheu, sich die Finger schmutzig zu machen, beraten neben dem IOC auch die chinesische Regierung und das Pekinger Organisationskomitee für Olympia. Das sorgt sicherlich für kurze Kommunikationswege. Ein Schelm, wer hier eine Interessenverquickung sieht.
Auch in der amerikanischen Hauptstadt Washington ist WPP allgegenwärtig. Keine Medienfirma konzentriert unter ihrem Dach mehr PR- und Lobbyfirmen, darunter eben Schwergewichte wie Hill & Knowlton und die kürzlich in den Schlagzeilen gelandete PR-Agentur Burson-Marsteller. Ihr Chef Mark Penn war auch Chefberater der Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton - doch weil Burson-Marsteller Lobbying zugunsten eines Freihandelsabkommen mit Kolumbien betreibt und Clinton sich im Wahlkampf regelmäßig dagegen aussprach, sahen manche hier einen Konflikt. Penn zwar nicht - diese Woche musste er aber trotzdem als Wahlkampfchef zurücktreten.
Und auch auf andere Weise mischt WPP im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf mit: Der Zeitung The Times zufolge ist der Mediengigant der größte Geldgeber der Kandidaten - aller Kandidaten, übrigens. Schließlich will Hill & Knowlton auch künftig profitable PR-Aufträge. Egal, wer regiert.