Portugal:Regierungskrise in Lissabon

Lesezeit: 2 min

Im Streit um Gehaltsnachzahlungen für Lehrer droht Premier António Costa mit seinem Rücktritt.

Von Thomas Urban, Madrid

Portugals Ministerpräsident António Costa hat am Wochenende mit seinem Rücktritt gedroht und somit dem Land drei Wochen vor den Europawahlen eine Regierungskrise beschert. Streitpunkt sind die Gehaltsnachzahlungen für Lehrer, deren Verbände für die Abstriche der vergangenen Jahre entschädigt werden wollen und mit einer Streikwelle drohen. Costa, der auch Chef der Sozialistischen Partei (PS) ist, führt ein Minderheitskabinett, das sich im Parlament bisher vor allem auf den neomarxistischen Linksblock (BE) sowie die Demokratische Einheitsunion (CDU), ein Bündnis aus Postkommunisten und Grünen, stützte. Für einen Großteil der Kommentatoren in Lissabon steht fest, dass Costa Neuwahlen bewusst in Kauf nimmt, da alle Umfragen seine Partei als klaren Gewinner sehen. Er hätte somit mehr politischen Spielraum für eine zweite Amtszeit. Der Termin für die nächste reguläre Parlamentswahl ist der 6. Oktober.

Bisher galt Costas Kabinett als ein seltenes Beispiel für die Vereinbarkeit von Wirtschaftswachstum und Sozialpolitik für die unterprivilegierten Schichten in Zeiten der Krise. Nach Lissabon wallfahrteten in den vergangenen Jahren sozialdemokratische und sozialistische Politiker aus ganz Europa, um vom portugiesischen Beispiel zu lernen. Allerdings zeichnete sich in den vergangenen Monaten ab, dass das Modell Costa an seine Grenzen gelangt ist. Denn immer mehr Berufsgruppen versuchen, mit Streiks bessere Arbeitsbedingungen und höhere Gehälter durchzusetzen. Nun möchte Costa sich offenkundig nicht länger dem Druck beugen. Sein parteiloser Finanzminister Mário Centeno, der seit Januar 2018 die Euro-Gruppe führt und das Prinzip eines ausgeglichenen Staatshaushalts verteidigt, warnte davor, dass Nachzahlungen für die Lehrer mit mehr als 800 Millionen Euro zu Buche schlagen würden; auch stünde dann zu befürchten, dass andere Gruppen des öffentlichen Dienstes nachziehen wollten. Damit geriete Portugal in die Gefahr, nicht länger die Vorgaben der EU für finanzpolitische Stabilität einzuhalten.

Streitpunkt sind die Forderungen der Lehrerverbände nach Gehaltsnachzahlungen

Costa steht seit November 2015 an der Spitze der portugiesischen Regierung. Bei der vorangegangenen Parlamentswahl war die PS mit knapp 32 Prozent der Stimmen nur zweitstärkste Partei geworden, hinter einem Mitte-rechts-Wahlblock, den der bis dahin amtierende Premierminister Pedro Passos Coelho geführt hatte. Dieser hatte das Land mit einem harten Sparprogramm aus der Wirtschaftskrise geführt und wieder auf Wachstumskurs gebracht, dann aber bei der Wahl 2015 nur knapp 38 Prozent der Stimmen bekommen, zu wenig, um bei einer linken Mehrheit im Parlament im Amt zu bleiben. Portugal hatte 2011 durch Kreditgarantien des Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank und der EU vor dem Staatsbankrott gerettet werden müssen, Folge der ausufernden Schuldenpolitik der zuvor regierenden Sozialisten.

Das Land musste 2011 durch internationale Kredite vor dem Bankrott gerettet werden

Nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten hatte Costa das Ende der Austerität angekündigt, sich aber faktisch nur auf wenige kosmetische Änderungen am Kurs seines rechtsliberalen Vorgängers Coelho beschränkt - und dafür viel Lob aus Brüssel bekommen. Dazu gehörte die Wiedereinführung mehrerer staatlicher Feiertage sowie eine geringfügige Erhöhung der Renten.

Sein Finanzminister Centeno aber sorgte dafür, dass der öffentliche Dienst nicht wieder so aufgebläht wurde wie in den Jahren vor der Krise. Portugal hatte damals im Verhältnis zur Einwohnerzahl doppelt so viele Staatsdiener wie die Bundesrepublik Deutschland; deren Finanzierung ging vor allem zu Lasten der steuerzahlenden mittleren und kleinen Betriebe, die das Rückgrat der portugiesischen Volkswirtschaft bilden.

Costa selbst ist ein großer Kommunikator, der mit persönlichem Charme viele Konflikte entschärfen konnte. Seine Wirtschafts- und Finanzpolitik indes beruhte auf einem Schaukelkurs zwischen linken Gruppierungen und konservativer Opposition. Im Falle der aktuellen Forderungen der Lehrerverbände, die Nachzahlungen für acht Jahre, nämlich vom Beginn des Sparprogramms an, geltend machen, aber hat sich nun die gesamte Opposition von links bis rechts erstmals gegen Costa zusammengeschlossen.

© SZ vom 06.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: