Porträt:Michael Häupl - Beliebtester Sozi in Österreich

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Am Samstag hat Österreichs Finanzminister Karl-Heinz Grasser Fiona Swarovski geheiratet, in polternd und grell inszenierter "Verschwiegenheit". Am Sonntag hat Michael Häupl mit den Sozialdemokraten einen historischen Sieg bei der Landtags- und Kommunalwahl in Wien errungen, ist als Bürgermeister und Landeshauptmann der Hauptstadt bestätigt worden, obwohl er und seine Frau sich mitten im Wahlkampf getrennt hatten.

Michael Frank

Wiens nach Rosenkriegen süchtige Klatschgesellschaft hatte dem einen das Gegreine nach Privatsphäre als Heuchelei ausgelegt, die des anderen wurde respektiert. So geachtet ist der 56-jährige Stadtvater in fast allen Schichten der Bevölkerung, die (will man den Demoskopen glauben) Häupl mit 70 Prozent wiedergewählt hätte, gäbe es die Persönlichkeitswahl.

Dabei erscheint der rundliche Herr selbst bei offiziellen Gelegenheiten immer irgendwie privat, und seine in blitzartigem Stakkato abgeschossene, immer leicht ironische Redeweise erweckt den Eindruck, als sei er eher unter "Haberern", wie man in Wien die Spezl nennt.

Studierter Biologe

Häupls Habitus verändert sich auch nicht, wenn er mit seinem Image zuwiderlaufender intellektueller Schärfe politische Sachverhalte seziert. Der studierte Bio- und Zoologe hätte sich gerne habilitiert, wie er beteuert. Nicht einmal die Grünen wagen es, mit ökologischen Themen gegen ihn anzutreten, obwohl der einstige Umweltstadtrat sich vor vegetarischen Lokalen eher fürchtet: Sein Areal ist der Würstelstand in all seiner - auch ungesunden - Volksnähe.

Es hat fast kabarettistischen Wert, wenn Häupl im kleinen Kreis Verachtung gegenüber der Bundesspitze der SPÖ aufblitzen lässt, ohne seinen Parteichef, den glücklosen Vorsitzenden Gusenbauer, zu erwähnen. Österreichs liebstes Spiel ist derzeit das Spekulieren, ob denn Häupl als der weithin beliebteste Sozialdemokrat wirklich "nur" in Wien Bürgermeister bleiben wolle, oder sich nicht doch noch zum Herausforderer von Bundeskanzler Schüssel aufschwinge.

Zweitmächtigste Person Österreichs

Sein Realitätssinn lässt den gebürtigen Niederösterreicher zweifeln, ob er den anderen Bundesländern nicht zu wienerisch wäre. Wien ist der stärkste Wirtschaftsraum, und dessen Landeshauptmann die mächtigste Figur nach dem Kanzler.

Häupls Sieg, durch respektable Verwaltungsarbeit in Wien selbst begründet, erhöht den nationalen Erwartungsdruck beträchtlich. Dabei ist das Stadtoberhaupt manchmal unwienerisch direkt. Etwa wenn er rassistische Parolen der Freiheitlichen abblockt, wenn er die antitürkische Agitation der eigenen Bundespartei unterläuft, nicht nur wegen der vielen türkischstämmigen Wähler. Schroff widersetzt er sich hingegen der Forderung, die vielen Gemeindewohnungen ganz für Ausländer zu öffnen.

Vielleicht ändert sich auch das noch, denn Häupl gilt als äußerst lernfähig: Dafür spricht der Werdegang des Lehrersohnes über ein Benediktinerstift, eine schlagende Verbindung hin zu den Jungsozialisten. 1994, als er Helmut Zilk nachfolgte, war er als Wiener Bürgermeister durchaus umstritten, heute ist er weit akzeptierter, als sein legendärer Vorgänger je war.

© SZ vom 24.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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