Populismus in Amerika:Der "einfache Mann" - eine Witzfigur

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Über die in sich geschlossene Logik Trumps.

Von Andrian Kreye

Die USA waren Europäern noch nie so fremd wie am Morgen nach dem Wahlsieg von Donald Trump. Wie konnte einer gewinnen, der so offensichtlich so ungeeignet ist? War Hillary Clinton nicht die Personifizierung der Vernunft? Doch da beginnt schon das Missverständnis. Vernunft wird überschätzt.

Es gibt viele Parallelen des amerikanischen Populismus zu seinen Spiegelbildern im Rest der Welt. Die Mechanismen sind die gleichen. Im Moment der Schwäche fordert man Stärke, im Kampf um Argumente schürt man Emotionen, man bringt die heimische Scholle gegen den Rest der Welt in Stellung und aus dem "Wir" leitet man ein "die anderen" ab. Was den amerikanischen Populismus so besonders macht, ist, dass er keineswegs nur in nationalistischen Reflexen und trüben Ressentiments wurzelt. Er wird von einer in sich geschlossenen Logik getragen, die in ihrer Substanz so gefestigt ist, weil ihr eine lange Geschichte vorausgeht.

Da ist zum einen der revolutionäre Gedanke der Unabhängigkeitserklärung. Was einst die Krone von England war, sind heute pauschal die Eliten, aus deren Macht man sich befreien muss. Wobei sich der Elitenbegriff enorm erweitert hat. Nicht nur Macht und Reichtum haben sich in den Augen der Populisten über das Volk erhoben. Auch die Gebildeten sind eine Elite, die sich in ihren liberalen Metropolen der küstennahen Ballungsräume vom Volk, seinen Werten und Nöten, verabschiedet hat.

Dann gibt es das alte Credo der Pioniere von der "Manifest Destiny", jenem göttlichen Auftrag, sich Kontinent und Natur untertan zu machen. Dem widersprechen all die modernen Aufrufe zur Mäßigung, wie sie in der Klimadebatte auftauchen, in Diskussionen um Waffenbesitz und Steuern. In diesem Credo ruht auch ein Selbstwert- und Ehrgefühl, das von alten und neuen Eliten in einer nicht enden wollenden Serie der Demütigungen verletzt wird. Die Film- und Fernsehgeschichte ist voll von Klischeebildern, die den einst so hoch geschätzten "einfachen Mann" als Witzfigur zeichnet. Wenn es aber im Kanon der Popkultur für sämtliche Minderheiten einen Platz gibt, nur für die verarmende weiße Arbeiterschicht nicht, warum sollte es in der Realität anders sein?

Trump provoziert den liberalen Konsens mit Ressentiments

Viel Wut hat sich da angestaut in den vergangenen Jahren. Mit jeder "jobless recovery", jeder Konjunktur, die Reichtum, aber keinen Wohlstand schaffte, wuchs die Wut zum Zorn. Es war schon bald egal, wer an der Misere schuld sein sollte. Ronald Reagan? Die Wall Street? Bill Clinton? Demokratie war in den Augen vieler zum reinen Wechsel von Personen in Washington verkommen, die für die immer gleichen Interessen standen, nur nicht für die Interessen der Wähler.

Dann kam Trump, der Außenseiter. Er verstand sich darauf, Motive des amerikanischen Selbstverständnisses mit den Mitteln des Populismus extrem zu verstärken. Er provozierte den Konsens des liberalen Status quo mit Ressentiments. Dafür reichte ihm ein überschaubares Repertoire an Vorurteilen gegenüber Frauen, Schwarzen, Latinos, Muslimen. Seine Anhänger waren nicht mal unbedingt seiner Meinung. Er beging ja auch nicht den Fehler, aus Populismus Ideologie zu formen, wie es die Milizen der Neunziger- und die Tea Party der Nullerjahre versuchten. Nein, seine Provokationen waren Mutproben. Auch deswegen ging er weit und immer weiter.

Nun hat Trump all die Emotionen geweckt, die man in Europa und an den US-Küsten nicht nachvollziehen kann. Wie damit umgehen? Und er hat einen entscheidenden Wandel im amerikanischen Selbstverständnis erzwungen. Sein "Make America great again" fordert einen Blick zurück in die Vergangenheit. Das aber widerspricht einer Nation, für die die Gegenwart immer der Beginn der Zukunft war.

© SZ vom 10.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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