Politischer Schlagabtausch in Australien:Kinderlose Hexe vs. Frauenhasser

Beleidigungen, Seitenhiebe, Wutreden: Das Klima in der australischen Politik ist vergifteter denn je. Während Premierministerin Julia Gillard ihren Kontrahenten als Sexisten bezeichnet, schlägt Oppositionsführer Tony Abbott mit Sticheleien über ihre Kinderlosigkeit zurück.

Felicitas Kock

Politischer Schlagabtausch in Australien: Schon damals lagen die Unterschiede eher im persönlichen als im politischen Bereich: Julia Gillard und Tony Abbott vor einer Debatte im Juli 2010.

Schon damals lagen die Unterschiede eher im persönlichen als im politischen Bereich: Julia Gillard und Tony Abbott vor einer Debatte im Juli 2010.

(Foto: AFP)

Er posiert vor Schildern, die sie als Hexe bezeichnen, sie nennt ihn einen Frauenhasser - und jede noch so banale Bemerkung der Gegenseite wird akribisch darauf untersucht, ob er nicht als Beleidigung verstanden werden könnte. Das australische Parlament verwandelt sich zunehmend in eine Arena. Premierministerin Julia Gillard und Oppositionsführer Tony Abbott gleichen dabei zwei Gladiatoren, die sich ein verbales Gefecht nach dem anderen liefern.

Die Anfeindungen der beiden australischen Spitzenpolitiker sorgen mittlerweile auch international für Aufsehen. Zuletzt bezeichnete Labor-Politikerin Gillard ihren Kontrahenten in einer flammenden Ansprache vor dem Parlament als Sexisten und Frauenfeind. "Wenn er wissen will, wie Frauenfeindlichkeit im heutigen Australien aussieht, dann braucht er nur einen Spiegel", schleuderte die sichtlich erzürnte Premierministerin dem Plenum Anfang Oktober entgegen. Abbott habe sich ihr gegenüber stets unmöglich verhalten und sie mit vielen seiner Bemerkungen persönlich beleidigt.

Konkreter Auslöser der Wutrede war die Rücktrittsforderung der konservativen Opposition an den von der Regierung eingesetzten Parlamentssprecher Peter Slipper. Slipper war mit Vorwürfen konfrontiert worden, SMS mit schmutzigen Inhalten verschickt zu haben und hatte infolgedessen sein Amt niedergelegt. Gillard sprang dem Sprecher zur Seite, indem sie den Sexismus-Vorwurf von ihm ablenkte und ihn stattdessen - frei nach dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung" - Abbott zuschob.

Doch nicht nur die Premierministerin teilt kräftig aus. Oppositionsführer Abbott stichelte jüngst in einem Interview zu geplanten Einschnitten beim australischen Kindergeld, der Regierung fehle es an der nötigen Erfahrung mit Kindern. Selbst regierungskritische Medien deuteten die Aussage als Seitenhieb auf die kinderlose Gillard, die ohne Trauschein mit ihrem Lebensgefährten zusammenlebt und obendrein noch Atheistin ist. Abbott selbst ist verheiratet, hat drei Töchter und wirbt offensiv für konservative Familienwerte. Er inszeniert sich gerne als Gillards Gegenteil.

Dass Abbotts Aussage (von der er nun behauptet, sie sei nicht auf Gillard gemünzt gewesen) zum Affront hochgespielt wird, ist dem ohnehin vergifteten Klima in der australischen Politik zu verdanken. Wer sich wie Abbott vor Schildern ablichten lässt, auf denen die amtierende Premierministerin als Hexe und Schlampe bezeichnet wird (auch das angeblich ein Versehen), dem kann eine grundlegende Neigung zu Beleidigungen kaum abgesprochen werden.

Unbehagen in der Bevölkerung

Einen Gefallen tun sich die Streithähne mit ihrer öffentlich ausgetragenen Fehde nicht: So hat Gillard für ihre Sexismus-Rede zwar weltweit viel Zustimmung erhalten, vor allem Feministinnen lobten sie für ihre deutlichen Worte an Abbott - auch wenn einige ihre Unterstützung für Peter Slipper kritisierten. Innenpolitisch schießt sich Gillard mit den Attacken gegen Abbott aber eher ins Abseits.

In einer Online-Umfrage der Nachrichtenseite News.com beantworteten knapp 55 Prozent der Teilnehmer die Frage, ob sie die Premierministerin nach ihrer Rede wählen würden, zunächst mit "Nein". Erst einige Tage nach der Ansprache zeigten Umfragen einen positiven Trend. Und auch Abbotts Bemühungen, sich von dem Hardliner-Image zu befreien, das ihm die Regierung nachsagt, werden durch seine Provokationen nicht glaubwürdiger.

Mangel an Inhalten

Das Problem, das die Politiker eint, ist altbekannt: Sie können sich nicht ausreichend über politische Inhalte streiten. Vor der Wahl 2010 warfen Kritiker beiden vor, einen Wahlkampf ohne scharfe Konturen geführt zu haben. Beide hatten ein landesweites Breitbandnetz, besseres Wassermanagement auf dem ausgetrockneten Kontinent und den Kampf gegen illegale Migration versprochen - in ihren Wahlprogrammen hatten sie sich nur marginal voneinander abgegrenzt.

Der Ausweg, den sie schon im Jahr 2010 wählten: Angriffe auf der persönlichen Ebene. 2013 stehen die nächsten Wahlen an. Die Schlammschlacht, die gerade tobt, könnte somit auch als Auftakt zu einem schmutzigen Wahlkampf gesehen werden.

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