Politische Kultur:Der Mythos der Unersetzlichkeit

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Wie wichtig sind Personen in der Politik? Parteien können auch ohne ihre Führungsfiguren überleben.

Von Heribert Prantl, München

Wenn der historische Moment vorüber ist, wenn der Held das erledigt hat, was zu vollbringen war, dann wirft die Geschichte ihn weg "wie leere Hülsen". Gregor Gysi, der Groß- und Bildungsbürger aus der DDR, kennt diesen Satz; er stammt von Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Gysi wollte nicht so lange warten, bis sich der Satz auch an ihm erfüllt - so wie er sich an großen Politikern in der Geschichte der Bundesrepublik schon erfüllt hat: An Konrad Adenauer etwa oder an Willy Brandt. Adenauer, unter dessen Kanzlerschaft die Bundesrepublik nach dem Krieg aufgebaut und an den Westen gebunden wurde, hatte nicht gemerkt, dass seine Überzeugungskraft schon bald nach dem Wahlsieg 1957 geschwunden war; der alte Herr wurde nach allerlei Unsicherheiten und Pannen, die sein Ansehen schwer lädiert hatten, aus dem Amt gedrängt. Sein historisches Werk, der Wiederaufbau, war getan; man brauchte Adenauer nicht mehr. Und Willy Brandt? Er stürzte 1974 als Kanzler über die Spionage-Affäre Guillaume, kaum dass seine neue Ostpolitik in trockenen Tüchern war; und seine Zeit als SPD-Vorsitzender seit 1964 endete 1987 auf ziemlich unwürdige Weise; er trat zurück, als die Partei seine Kandidatin für das Parteisprecher-Amt nicht akzeptierte.

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