Politik kompakt:Cameron streicht fast 500.000 öffentliche Jobs

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Es ist ein beispielloses Sparpaket, mit dem der britische Premier Cameron das Defizit reduzieren will: Eine halbe Million öffentliche Stellen sollen wegfallen.

Die konservativ-liberale Regierung Großbritannien will das Defizit mit drastischen Sparmaßnahmen bekämpfen - und lässt die öffentliche Verwaltung in nie dagewesenem Ausmaß bluten: Zur Sanierung des Haushalts will David Camerons Koalition in den kommenden vier Jahren 490.000 Stellen im öffentlichen Dienst streichen. Derzeit liegt das Haushaltsdefizit bei elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts und damit so hoch wie in keinem anderen G7-Land.

David Cameron, der Mann mit dem Rotstift. (Foto: Getty Images)

Finanzminister George Osborne verkündete die striktesten Kürzungen der öffentlichen Ausgaben seit mehreren Jahrzehnten. "Heute ist der Tag, an dem Großbritannien vom Rand des Abgrunds zurücktritt. Es ist ein harter Weg, aber er führt in eine bessere Zukunft", sagte er bei der Vorstellung der Sparmaßnahmen. Die liberal-konservative Regierung wolle mit den "unausweichlichen" Kürzungen 83 Milliarden Pfund (95 Milliarden Euro) bis 2015 einsparen.

Die Regierung will das Defizit in den nächsten fünf Jahren auf zwei Prozent des BIP drücken. Den Löwenanteil der angepeilten Kürzungen um insgesamt mehr als 80 Milliarden Pfund (91 Milliarden Euro) soll der Sozialetat tragen. Das Finanzministerium kündigte hier Streichungen von elf Milliarden Pfund an - und das dürfte erst der Anfang sein.

Gefälschte Stimmen bei der Parlamentswahl in Afghanistan, die US-Armee lässt offiziell Homosexuelle zu und tschechische Neonazis werden für einen Anschlag auf Roma verurteilt: Lesen Sie auf den nächsten Seiten weitere Kurzmeldungen.

(Reuters/AFP)

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) rechnet damit, dass künftig rund 44.000 Arbeitnehmer pro Jahr von der Möglichkeit Gebrauch mache, parallel zum Beruf pflegebedürftige Angehörigen zu betreuen. Dies gehe aus dem Gesetzentwurf für die von Schröder geplante Familienpflegezeit hervor, berichtet die Zeitung Die Welt. Mit der Neuregelung sollen Beschäftigte ihre Arbeitszeit zwei Jahre lang um 50 Prozent reduzieren können, um einen Angehörigen zu Hause zu pflegen. In dieser Zeit sollen sie 75 Prozent des Gehalts bekommen. In den folgenden zwei Jahren sollen sie wieder voll arbeiten, aber ebenfalls nur 75 Prozent des Gehalts bekommen.

(dpa)

Der medienwirksame Besuch von Angela Merkel in der Kabine der deutschen Fußball-Nationalmannschaft nach dem 3:0 gegen die Türkei in Berlin hatte Bundestrainer Joachim Löw pikiert, nun hat sich die Bundeskanzlerin bei DFB-Präsident Theo Zwanziger entschuldigt. Das bestätigte ein DFB-Sprecher. "Mit den Abläufen war ich nicht einverstanden. Aber nach einem Anruf von Frau Merkel sind die Irritationen ausgestanden", sagte Zwanziger der Sport-Bild.

Gemeinsam mit Bundespräsident Christian Wulff, dessen Tochter und Regierungssprecher Steffen Seibert war die Kanzlerin nach dem Erfolg in die Kabine gegangen. Zwanziger blieb dabei außen vor.

Merkel indes suchte die Nähe zu Mesut Özil, der offizielle Kanzler-Fotograf hielt die Szene fest. Zähneknirschend gaben Bundestrainer Löw und DFB-Teammanager Oliver Bierhoff das Bild frei für die Veröffentlichung in den Medien. Sowohl der DFB-Trainerstab als auch Zwanziger betonten, dass sich der Fußball in Integrationsfragen nicht von der Politik instrumentalisieren lassen dürfe.

(sid)

Das Europäische Parlament will die Mindestdauer des Mutterschutzes in Europa von 14 auf 20 Wochen erhöhen. Dafür stimmten die Abgeordneten nach kontroverser Debatte in Straßburg, genau wie für das Recht auf einen voll bezahlten Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen, der allerdings nicht verpflichtend sein soll.

Widerstand kam unter anderem aus Deutschland: Sowohl die Bundesregierung als auch Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hatten sich gegen eine Ausweitung ausgesprochen. In Deutschland gilt gegenwärtig eine Babypause von 14 Wochen bei vollem Lohnausgleich - die neue Richtlinie würde Müttern hierzulande also sechs zusätzliche Wochen bringen. Die EU-Kommission hatte in ihrem Richtlinienentwurf 18 Monate vorgeschlagen. Das Abstimmungsergebnis ist allerdings noch nicht endgültig. Es muss noch mit dem EU-Rat verhandelt werden.

(dpa)

Eine Mordserie hält die pakistanische Millionenstadt Karatschi in Atem: Am Dienstag erschossen Unbekannte auf einem Markt elf Menschen. Damit stieg die Zahl der seit Samstag Ermordeten auf 51. Allein am Wochenende waren 25 Menschen getötet worden. Die Polizei schloss nicht aus, dass es sich um politisch motivierte Auftragsmorde handelt, die im Zusammenhang mit der Wahl eines Nachfolgers für einen ermordeten Regionalpolitikers am Sonntag stehen. Die Morde untergraben den ohnehin schon schwachen Glauben vieler Pakistaner an die Handlungsfähigkeit ihrer Institutionen. "Es scheint so, als hätten wir in Karatschi keine Regierung", sagte Altaf Hussain, Chef der Regierungspartei MQM. Karatschi ist nicht nur der wichtigste Hafen des Landes, auch die Börse und die Zentralbank befinden sich dort. Außerdem läuft ein Teil des Nachschubs der internationalen Truppe in Afghanistan über die Stadt.

(dapd)

Bei Gefechten in der zentralasiatischen Republik Tadschikistan haben Sondereinheiten zwölf Aufständische getötet. Auch drei Mitglieder der Sicherheitskräfte kamen bei dem mehrtägigen Einsatz ums Leben, teilte das Innenministerium in der Hauptstadt Duschanbe mit. In der schwer zugänglichen Gebirgsregion östlich von Duschanbe halten sich auch mehrere radikale Islamisten verschanzt, die Ende August aus einem Hochsicherheitsgefängnis geflohen waren. Seit ihrer Flucht hat die Zahl der Terroranschläge in der früheren Sowjetrepublik deutlich zugenommen.

(dpa)

Wegen massenhaftem Betrug bei der Parlamentswahl in Afghanistan hat die Wahlkommission fast ein Viertel der abgegebenen Stimmen für ungültig erklärt. Der Vorsitzende der Wahlkommission (IEC), Fazel Ahmad Manawi, sagte bei der Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse in Kabul, 1,3 Millionen der insgesamt etwad 5,6 Millionen Stimmen seien nicht gewertet worden. 4,26 Millionen Stimmen hätten ihre Gültigkeit behalten. Die IEC war bei der Abstimmung am 18. September von 10,5 Millionen Wahlberechtigten ausgegangen.

(dpa)

Erstmals in der Geschichte der USA können sich auch offen homosexuelle Menschen bei den Streitkräften bewerben. Das Pentagon gab am Dienstag eine Anordnung heraus, wonach Musterungsoffiziere entsprechende Bewerbungen entgegen nehmen müssen. Mindestens drei schwule Soldaten reagierten umgehend und meldeten sich wieder zum Dienst, nachdem sie wegen Homosexualität entlassen worden waren. Hintergrund ist die Entscheidung eines kalifornischen Bundesgerichts, das den Ausschluss von bekennenden Schwulen und Lesben aus den Streitkräften für verfassungswidrig erklärt hatte.

Richterin Virginia Phillips entschied im September, das Militärgesetz Don't ask, don't tell (zu Deutsch: "Frage nicht, sage nichts") verstoße gegen das im ersten US-Verfassungszusatz garantierte Recht auf freie Meinungsäußerung. Die im Jahr 1993 verabschiedete Richtlinie sieht vor, dass Homosexuelle in den Streitkräften dienen dürfen, solange sie ihre sexuelle Orientierung für sich behalten. Im Gegenzug dürfen sie vom Militär nicht danach gefragt oder dafür bestraft werden.

(dapd)

Die Sicherungsverwahrung wird auf besonders gefährliche Schwerverbrecher wie Sexual- und Gewalttäter beschränkt. Das beschloss am Mittwoch in Berlin das Bundeskabinett. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung wird abgeschafft. Gefährliche Schwerverbrecher sollen schon bei der Verurteilung als solche erkannt werden, psychisch gestörte Täter in Therapie-Einrichtungen untergebracht werden. Straftäter, die wegen eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nach Ende ihrer Haftzeit freikamen oder noch entlassen werden müssen, sollen so möglichst wieder verwahrt werden. Der Kabinettsbeschluss macht den Weg frei für einen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen.

(dpa)

Der spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero bildet seine Regierung überraschend um. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Efe an diesem Mittwoch unter Berufung auf Regierungskreise berichtete, soll die bisherige Chefin des Gesundheitsressorts, Trinidad Jiménez, neue Außenministerin werden. Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba soll Teresa Fernández de la Vega als Vizeregierungschefin ablösen. Er soll auch weiterhin das Innenressort leiten und zusätzlich das Amt des Regierungssprechers übernehmen. Die Ex-Kommunistin Rosa Aguilar soll neue Umweltministerin werden.

Die Umbildung soll noch im Laufe des Tages offiziell bekanntgegeben werden. Es stand zunächst nicht fest, ob Fernández de la Vega und der bisherige Außenminister Miguel Angel Moratinos ganz aus der Regierung ausscheiden.

Die radikale Umbildung kam völlig überraschend. Zapatero hatte eigentlich nur einen neuen Arbeitsminister als Nachfolger für Celestino Corbacho nominieren wollen. Dessen Ablösung hatte schon seit mehreren Wochen festgestanden. Als neuer Arbeitsminister ist der Ökonom Valeriano Gómez im Gespräch.

(dpa)

Im Prozess wegen eines aufsehenerregenden Brandanschlags auf eine Roma-Familie in Tschechien sind vier Rechtsextremisten zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden. Bei dem Angriff auf die Familie in der Stadt Vitkov im Nordosten des Landes war am 19. April vergangenen Jahres ein kleines Mädchen schwer verletzt worden. Das Bezirksgericht in Ostrava (Ostrau) fand alle Angeklagten am Mittwoch des versuchten Mordes für schuldig.

Drei von ihnen erhielten Haftstrafen von je 22 Jahren, der vierte von 20 Jahren. In der Urteilsverkündung hieß es, die Extremisten hätten Brandbomben mit dem Ziel auf das Haus der Familie geworfen, die Bewohner "auf besonders qualvolle Art umzubringen".

Mit ihrer Tat hätten die Angeklagten vor dem Geburtstag Adolf Hitlers Aufsehen erregen wollen, sagte der Richter. "Die Angeklagten wussten, dass das Haus - auch von Kindern - bewohnt war." Das damals 22 Monate alte Roma-Mädchen habe Verbrennungen an fast 80 Prozent ihres Körpers erlitten und sei deswegen monatelang im Krankenhaus gewesen und 14 Mal operiert worden. Seine Eltern kamen mit weniger schweren Verletzungen davon.

Die vier Rechtsextremisten müssen zudem Schadenersatz von insgesamt rund 17 Millionen tschechische Kronen (692 725 Euro) an die Opfer zahlen. Alle Angeklagten, die die Vorwürfe zurückgewiesen haben, kündigten an, gegen das Urteil Rechtsmittel einzulegen.

(dpa)

Knapp 80 Millionen Frauen in den Entwicklungsländern werden jedes Jahr ungewollt schwanger, weil sie keinen Zugang zu Verhütungsmitteln haben. Das geht aus dem Weltbevölkerungsbericht 2010 hervor, den Vertreter der Vereinten Nationen am Mittwoch in Berlin präsentierten. An den Folgen von Komplikationen während Schwangerschaft und Geburt sterben mehr als 350.000 Frauen, 99 Prozent von ihnen in Entwicklungsländern, wie es weiter hieß. Die meisten dieser Todesfälle könnten durch medizinische Betreuung verhindert werden, sagte die Geschäftsführerin der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung, Renate Bähr. Doch nur etwa zwei Drittel aller Geburten würden von geschultem Personal betreut. Auch ein verbesserter Zugang zu Verhütungsmitteln und Beratung könnte die Müttersterblichkeit um bis zu 30 Prozent senken. Rund 215 Millionen Menschen auf der Welt wollten verhüten, könnten es aber nicht, weil sie keinen Zugang zu Kondomen oder Pille hätten, fügte Bähr hinzu. Die Bundesregierung kündigte eine Initiative zur Verbesserung der Familienplanung in Entwicklungsländern an. Die Finanzmittel in diesem Bereich sollen ab 2011 auf jährlich 80 Millionen Euro verdoppelt werden, wie die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesentwicklungsministerium, Gudrun Kopp (FDP), sagte. Der diesjährige Bericht des UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA) trägt den Titel "Krise, Frieden, Wiederaufbau: Gesellschaften im Wandel".

(dapd)

Die Bedrohung Deutschlands durch den islamistischen Terrorismus ist nach Einschätzung des Präsidenten des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, "präsenter denn je". Ziercke sagte am Mittwoch bei der BKA-Herbsttagung in Wiesbaden: "In Deutschland gehen die Sicherheitsbehörden von mehr als 1.000 gewaltbereiten Islamisten aus." Ziercke und der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Hamburgs Innensenator Heino Vahldieck, warnten zudem vor einer Zunahme der Rockerkriminalität, die ein "bedeutsames Problem für die innere Sicherheit" darstelle. Derzeit gingen die Sicherheitsbehörden in Deutschland von 90 kriminellen Rockergruppierungen mit fast 6.000 Mitgliedern aus, sagte Ziercke. Im Hinblick auf die Bedrohung durch Islamisten betonte der BKA-Präsident, eine besondere Gefahr gehe von radikalisierten "Rückkehrern" aus. Die in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegene Zahl der "Gefährder" liege in Deutschland derzeit bei 131 Personen. Weitere 274 würden als "relevante Personen" im Bereich des Islamismus eingestuft. In Deutschland werden nach BKA-Angaben derzeit 352 Ermittlungsverfahren mit Bezügen zum islamistischen Terrorismus geführt, 105 Verfahren davon bezögen sich auf Afghanistan. Um der Radikalisierung junger Menschen in Deutschland entgegenzuwirken, muss laut Ziercke möglichst frühzeitig an "kritischen Stellen" wie Schulen, Moscheen oder Vereinen interveniert werden. Nötig sei eine "Entzauberung des Islamismus" bei jungen Menschen. Eine Studie habe gezeigt, dass die Ideologie bei der Radikalisierung von politischen Gewalttätern eine geringere Rolle spiele als bislang angenommen. Täter kämen oft aus gestörten Familienstrukturen, seien unzufrieden mit ihrer persönlichen Situation und suchten in radikalen Gruppierungen eine Art "Ersatzfamilie". Das "Einstiegsalter" der Islamisten liege bei 16 bis 19 Jahren.

(dapd)

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