Politik kompakt:Wulff entbindet Sarrazin aus Bundesbankvorstand

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Thilo Sarrazin ist nicht mehr Vorstand der Bundesbank, der Bundespräsident hat ihn offiziell entlassen. Das Parteiausschlussverfahren der SPD läuft aber weiter.

Kurzmeldungen im Überblick

Bundespräsident Christian Wulff hat Thilo Sarrazin aus dem Amt eines Vorstandsmitglieds der Bundesbank entlassen. Dies bestätigte Sarrazin am Freitag in Berlin. "Das Thema Bundesbank ist für mich damit abgeschlossen", sagte Sarrazin.

Thilo Sarrazin schafft sich ab: Die Thesen des SPD-Politikers zur Integrationspolitik haben dazu geführt, dass er sich aus dem Vorstand der Bundesbank zurückziehen musste. (Foto: dpa)

Der frühere Berliner Finanzsenator hatte sich zuvor unter Vermittlung von Vertretern des Bundespräsidenten mit der Bundesbank auf einen Rückzug verständigt. Die Bankspitze wollte nicht mehr mit Sarrazin zusammenarbeiten wegen seiner umstrittenen Thesen zur fehlenden Integrationsbereitschaft von Muslimen. Gegen Sarrazin läuft in der SPD noch ein Parteiausschlussverfahren. Die Auseinandersetzung mit der SPD laufe völlig unabhängig von seiner Trennung von der Bundesbank weiter, sagte Sarrazin.

Die Bundesbank hatte zunächst bei Bundespräsident die Entlassung Sarrazins aus dem Vorstand beantragt. Wegen der Einmaligkeit des Vorgangs hatte das Bundespräsidialamt anschließend eine vertrauliche Vermittlung gestartet. Danach war Sarrazin bereit, beim Bundespräsidenten seine Entlassung zu beantragen. Die Bundesbank ließ ihrerseits den Vorwurf fallen, Sarrazin habe mit seinen Thesen das Ansehen der Bundesbank beschädigt. Mit dem Ausscheiden aus dem Amt erhält Sarrazin eine monatliche Pension von 10.000 Euro.

(dpa)

Während die Christdemokraten darüber diskutieren, ob ihre Partei zu wenig konservativ ist, beklagt die Mehrheit der Bundesbürger das genaue Gegenteil: 37 Prozent der Deutschen sind der Meinung, dass die CDU mit ihren heutigen politischen Standpunkten zu konservativ aufgestellt ist. 32 Prozent finden die Christlich Demokratische Union zu wenig konservativ und 15 Prozent denken, dass sich die Partei genau richtig positioniert. Das hat eine Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des ARD- Morgenmagazins ergeben.

Umgekehrt sieht es bei den CDU-Anhängern aus: 33 Prozent von ihnen ist die eigene Partei nicht konservativ genug. 20 Prozent der christdemokratischen Wähler finden die Partei von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu konservativ.

Zufrieden sind die Deutschen demnach mit den Grünen: Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, gäbe es ein Rekordergebnis für die Partei um Claudia Roth und Cem Özdemir. Auf die Frage, wem die Bürger ihre Stimme geben würden, antworteten 18 Prozent der Befragten, sie würden die Grünen wählen.

Die CDU/CSU käme auf 32 Prozent, die SPD auf 29 Prozent, die Linke auf 10 Prozent, die FDP auf fünf Prozent - und sechs Prozent würden sich für die sonstigen Parteien entscheiden. Im Vergleich zum Deutschland-Trend vom 2. September hat die SPD damit einen Prozentpunkt verloren, die Grünen haben einen Punkt gewonnen. Die Stimmen für Union, FDP und die Linke blieben unverändert.

(dapd)

Außenminister Guido Westerwelle hält die Behauptung des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, Kanzlerin Angela Merkel plane deutsche Roma-Lager räumen zu lassen, für ein Missverständnis: Lesen Sie auf den nächsten Seiten weitere Kurzmeldungen.

Nach Kanzlerin Angela Merkel hat auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP) betont, dass es keine Räumung von Roma-Lagern in Deutschland geben werde. Im Deutschlandfunk führte er die entsprechende Behauptung des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy auf ein "Missverständnis" zurück. "Die Bundeskanzlerin hat öffentlich und auch mir noch einmal berichtet, wie der Gesprächsverlauf gewesen ist", sagte Westerwelle. "Solche Ankündigungen hat es nicht gegeben. Sie würden auch dem deutschen Verfassungsgefüge widersprechen. Ich vermute, dass es sich hierbei um ein Missverständnis handelt."

Angesichts des Brüsseler EU-Eklats am Donnerstag mahnte Westerwelle Frankreich zur Einhaltung europäischen Rechts an, nahm Paris aber auch vor zu harten Vorwürfen in Schutz. "Frankreich in die Ecke von Untaten des Zweiten Weltkriegs zu stellen, ist absolut inakzeptabel und verletzend und hat mutmaßlich zu der aufgebrachten Reaktion des französischen Präsidenten geführt."

Sarkozy, der wegen der französischen Abschiebepraxis beim Gipfel unter großem Druck stand, hatte behauptet, dass auch Deutschland bald Roma-Lager auflösen wolle. "Frau Merkel hat mir gesagt, dass sie beabsichtigt, in den kommenden Wochen Lager räumen zu lassen", hatte er nach einem Gespräch mit Merkel auf einer Pressekonferenz gesagt.

(dpa)

Der japanische Regierungschef Naoto Kan hat im Zuge einer Kabinettsumbildung seinen Parteikollegen Seiji Maehara zum neuen Außenminister ernannt. Der bisherige Transportminister trat am Freitag die Nachfolge von Katsuya Okada an, der das Amt des Generalsekretärs der regierenden Demokratischen Partei (DPJ) übernimmt.

Eine von Maeharas wichtigsten Aufgaben wird sein, für Zusammenhalt in der Partei zu sorgen. Kan war erst vor wenigen Tagen von seiner Partei in seinem Amt als Partei- und Regierungschef bestätigt worden. Allerdings hatte sich etwa die Hälfte der DPJ-Abgeordneten für Kans innerparteilichen Widersacher Ichiro Ozawa ausgesprochen. Der neue Außenminister Maehara hatte Kan im Wahlkampf unterstützt.

Der 48-jährige neue Außenminister gilt als bewandert in internationalen Beziehungen und Verteidigungsfragen. Er war im vergangenen Jahr bereits von Kans Vorgänger Yukio Hatoyama als Transportminister in die Regierung berufen worden. Nach dessen Rücktritt beließ ihn Kan als neuer Regierungschef in diesem Amt.

(dpa)

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat am Freitag mehrere Linke-Politiker von den Beratungen über den Haushaltsentwurf 2011 ausgeschlossen. Er verwies die Parlamentarier der Sitzung, weil sie in der Debatte um den Etat von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) ihrem Widerstand gegen das Projekt Stuttgart 21 mit einem Protest-T-Shirt Ausdruck verliehen. Die Abgeordneten Heidrun Dittrich, Heike Hänsel, Inge Höger, Annette Groth sowie Michael Schlecht müssen nun auch den beiden nächsten Sitzungen des Bundestagsplenums am 29. und 30. September fernbleiben.

Es ist das zweite Mal innerhalb weniger Monate, dass Lammert mehrere Abgeordnete der Linksfraktion des Plenums verweist. Im Februar hatte er rund 70 Linke-Politiker von der Sitzung ausgeschlossen, weil diese mit Transparenten gegen den Luftangriff von Kundus protestiert hatten. Es war damals das erste Mal seit 20 Jahren, dass ein Parlamentarier der Sitzung verwiesen wurde. Am 26. April 1990 waren die Grünen-Abgeordneten Jutta Oesterle-Schwerin und German Meneses Vogl "für diesen Tag" des Plenums verwiesen worden.

(dapd)

Bischof Richard Williamson muss sich Ende November erneut wegen seiner hoch umstrittenen Äußerungen zum Holocaust vor Gericht verantworten. Das Amtsgericht Regensburg hatte den Bischof der ultrakonservativen Piusbruderschaft im April wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 10.000 Euro verurteilt - dagegen legten sowohl sein Verteidiger als auch die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Jetzt wird die nächste Instanz den Fall verhandeln. Zum Prozess vor dem Regensburger Landgericht werde der 70-Jährige wohl erscheinen, sagte sein Verteidiger Matthias Loßmann. "Ich gehe davon aus, dass die Piusbrüder ihn diesmal nicht daran hindern werden."

Im Prozess im Frühjahr hatte Loßmann einen Freispruch für seinen Mandanten verlangt. Die Staatsanwaltschaft hingegen hatte zunächst in einem Strafbefehls-Antrag und dann in der Verhandlung eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu 100 Euro gefordert (insgesamt 12.000 Euro). Die Amtsrichterin verurteilte Williamson, der nicht an dem Prozess teilnahm, allerdings nur zu 100 Tagessätzen wegen Volksverhetzung. Der britische Bischof hatte in einem Fernsehinterview mit dem schwedischen Fernsehen den Massenmord an den Juden in der Zeit des Nationalsozialismus bestritten und unter anderem gesagt: "Ich glaube nicht, dass sechs Millionen Juden vergast wurden."

(dpa)

Frankreich sieht radikale Islamisten hinter der Entführung von fünf Franzosen im Niger und warnt vor Terrorismus. Auch wenn es noch keine Bekennerschreiben gebe, gelte die Al Kaida im Islamischen Maghreb (AQMI) als wahrscheinliche Tätergruppe, sagte Außenminister Bernard Kouchner. Die fünf Franzosen und zwei Afrikaner waren am Donnerstag nahe der Urangrube Arlit von einem schwer bewaffneten Kommando verschleppt worden. Unter ihnen waren Mitarbeiter des französischen Atomtechnikkonzerns Areva.

Alle Franzosen, die sich beruflich im Norden des westafrikanischen Staates aufhielten, seien sicherheitshalber in die Hauptstadt Niamey gebracht worden, sagte Kouchner. Innenminister Brice Hortefeux hatte zuvor betont, es gebe akute Hinweise auf erhöhte Terrorgefahr für Frankreich. Die Regierung in Paris hatte unmittelbar nach der Entführung einen Krisenstab eingerichtet, an dem am Freitag auch Präsident Nicolas Sarkozy teilnahm. Areva fördert in Arlit 1000 Kilometer nördlich von Niamey Uranerz. Der Ort liegt nicht weit von der Grenze zu den Nachbarstaaten Algerien und Mali, wo nun die Entführten vermutet werden.

(dpa)

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