Politik kompakt:Williamson kämpft um Bleiberecht

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Der Holocaust-Leugner will nicht ausgewiesen werden, BKA-Präsident Ziercke sieht Drohungen gegen Deutschland und Walter Scheel ist wieder gesund.

Die katholische Pius-Bruderschaft hat dem Holocaust-Leugner Richard Williamson mit Rauswurf gedroht. "Wenn er erneut den Holocaust leugnet, wird das geschehen", sagte Bischof Bernard Fellay, der Generalobere der Piusbruderschaft dem Magazin Der Spiegel. "Wenn er schweigt, wenn er in irgendeiner Ecke bleibt, dann ist es wahrscheinlich für alle besser. Ich möchte, dass er für eine gute Zeit aus der Öffentlichkeit verschwindet." Dass Bischof Williamson sein Amt wieder in vollem Umfang ausüben wird, schloss Fellay aus. "Er hat uns Schaden zugefügt und den Ruf geschädigt. Wir distanzieren uns klar."

Richard Williamson kämpft mit allen Mitteln. (Foto: Foto: dpa)

Unterdessen will sich Williamson mit allen Mittel gegen eine mögliche Auslieferung wehren. Nachdem die deutsche Justiz dem umstrittenen Pius-Bruder auf den Fersen ist, meldete sich erstmals dessen Anwalt zu Wort. Der Bischof würde bis in die letzte Instanz gegen eine Auslieferung kämpfen, sagte Kevin Lowry-Mullins der britischen Sonntagszeitung Sunday Telegraph. Er würde "bis zum House of Lords und darüber hinaus gehen". Der Anwalt, der Medienberichten zufolge schon den Holocaust-Leugner Frederick Toben in London vertreten hatte, betonte, Williamson sei entschlossen, sich jedem Auslieferungsversuch zu widersetzen.

In Großbritannien ist das Leugnen des Holocaustes anders als in Deutschland nicht strafbar. Vergangenen Freitag hatte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries erklärt, ein deutscher EU-Haftbefehl gegen Williamson sei möglich. Derzeit ermittelt die Regensburger Staatsanwaltschaft gegen den Bischof wegen eines in der Nähe von Regensburg aufgezeichneten Interviews, in dem er die Massenvernichtung von Millionen Juden durch die Nazis leugnete.

Das Innenministerium in London wollte keine Stellung dazu abgeben, ob es einen Auslieferungsantrag aus Deutschland oder einem anderen Land unterstützen würde. Williamson war am Mittwoch aus Argentinien in seine Heimat zurückgekehrt und hält sich derzeit vermutlich bei der Pius-Bruderschaft in London-Wimbledon auf.

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Kabul will Hinweise auf drohende Anschläge mit Bargeld belohnen

Um der Gewalt in der Hauptstadt Kabul Herr zu werden, hat die afghanische Regierung Belohnungen von bis zu einer halben Million Afghani (gut 8000 Euro) für Hinweise auf drohende Attentate ausgelobt. In Anzeigen und auf Plakaten solle die Summe für Informationen versprochen werden, die zur Festnahme von Planern eines Anschlags führten, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Sonntag. Es handele sich um eine Initiative zur Bekämpfung terroristischer Aktivitäten, bei der die Bevölkerung eingebunden werde. Die Initiative lehnt sich an das US-Programm "Belohnung für Gerechtigkeit" an, das Bargeld für Hinweise auf Attentate oder den Verbleib von Führungsfiguren des Terrornetzwerks al-Qaida bietet.

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Zahlreiche potenzielle Attentäter in Deutschland

In Deutschland leben etwa 80 bis 85 Islamisten, denen das Bundeskriminalamt (BKA) Anschläge zutraut. Ein Teil dieser sogenannten Gefährder habe sich in terroristischen Ausbildungslagern aufgehalten, sagte BKA-Präsident Jörg Ziercke dem Hamburger Abendblatt. Seine Behörde gehe davon aus, dass auf höchster Ebene der Al Kaida die Entscheidung gefallen sei, Anschläge auch in Deutschland zu begehen - auch wenn dem BKA konkrete Hinweise darauf derzeit nicht vorlägen.

Nach seinem Empfinden wird "die reale Bedrohung vielfach ignoriert", sagte Ziercke. Er verwies darauf, dass man aus den vergangenen zehn Jahren von über 100 Leuten aus Deutschland wisse, die in den Ausbildungslagern gewesen seien. "Bei etwa 50 von ihnen sind wir sicher, dass sie in den letzten sechs, sieben Jahren dort waren. Im Moment gibt es eine Gruppe von sechs bis acht Terrorverdächtigen, die wir noch in den Lagern vermuten", sagte er.

Zugleich verwies Ziercke auf die Zunahme von Drohbotschaften gegen die Bundesrepublik. "Seit 2001 haben wir 30 bis 40 Verlautbarungen mit Deutschlandbezug registriert. Seit 2008 verzeichnen wir einen deutlichen Anstieg", sagte Ziercke. Die "terroristischen Verdachtslagen", die sich aus Hinweisen ergäben, gingen "weit über die sieben Anschläge, die wir seit 2001 verhindert haben, hinaus. Das waren etwa zehn Mal so viele", sagte Ziercke.

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Altbundespräsident Scheel nach schwerer Erkrankung wieder genesen

Altbundespräsident Walter Scheel ist nach schwerer Krankheit wieder auf dem Weg der Genesung. Wie die Bild am Sonntag berichtet, hatte sich der 89-Jährige nach einem Routineeingriff beim Hautarzt eine Blutvergiftung zugezogen. Im Krankenhaus litt er zudem an Herz- und Nierenproblemen und bekam ein Lungenödem. ´

Scheels Zustand war der Zeitung zufolge lebensbedrohlich. Ihr Mann habe "mit dem Tod gerungen", sagte Ehefrau Barbara Scheel (68) dem Blatt. Nach sieben Wochen auf der Intensivstation und vier Wochen Rehabilitation gehe es ihm inzwischen aber wieder besser.

Scheel selbst sagte der Zeitung: "Ich habe nie aufgegeben. Ich hatte die ganze Zeit das Ziel vor Augen: Ich muss gesund werden." Außer der Familie sei zunächst nur Bundespräsident Horst Köhler vom kritischen Gesundheitszustand des früheren FDP-Politikers informiert gewesen. Nach der Rehabilitation sei das Ehepaar wieder an seinen Wohnsitz in Ascona (Schweiz) zurückgekehrt. Die FDP will den ehemaligen Bundespräsidenten und Vizekanzler an seinem 90. Geburtstag im Juli mit einer Feier ehren. So weit aber möchte Ehefrau Barbara laut Bild am Sonntag noch nicht denken. "Wir haben aufgehört, für die Zukunft zu planen", sagte sie der Zeitung.

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Chávez schickt Soldaten in Reisfabriken

Wegen der sich zuspitzenden Versorgungslage in Venezuela hat Präsident Hugo Chávez die Besetzung von privaten Reisfabriken durch die Streitkräfte angeordnet. Zur Begründung gab der linksgerichtete Staatschef an, das Volk und vor allem die Armen schützen zu wollen. Zuvor hatte die Gruppe Polar, der größte Lebensmittelproduzent des südamerikanischen Landes, mitgeteilt, die Regierung habe 16 000 Tonnen Reis eingezogen, die die Firma gelagert hatte.

Die Regierung habe dies als Hamstern kritisiert, um mit der zurückgehaltenen Ware später höhere Preise zu erzielen. "Ich ordne die sofortige Intervention in der Agroindustrie an", erklärte Chávez. "Wir werden Ihnen nicht erlauben, sich weiter über die Regierung lustig zu machen." Er warnte die Firmen mit Enteignung, die versuchten, "die Produktion der Lebensmittel zu paralysieren".

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Linke lässt Kaufmann durchfallen

Die Linke hat die wegen ihres europapolitischen Kurses intern umstrittene EU-Abgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann bei der Aufstellung der Kandidaten für die Europawahl erneut durchfallen lassen. Auf dem Parteitag in Essen am Sonntag konnte sich die 54-Jährige, die vom Parteivorstand nicht wieder vorgeschlagen worden war, in einer Kampfkandidatur auch für den neunten Listenplatz nicht durchsetzen.

Zuvor war sie schon bei Platz sieben gescheitert. Kaufmann steht intern in der Kritik, weil sie für den EU-Reformvertrag gestimmt hatte, gegen den die Linke vor dem Bundesverfassungsgericht klagt.

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