Politik kompakt:Schweiz bestellt deutschen Botschafter ein

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Ein "Indianer"-Vergleich empört die Schweiz, die Hamas lässt den entführten Soldaten nicht frei, und Irlands Regierung erwartet neues EU-Referendum.

Schweiz bestellt deutschen Botschafter ein

Die Landesfahne der Schweiz weht am Großen Aletschgletscher (Foto: Foto: dpa)

Die Schweizer Regierung hat Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) im Zusammenhang mit der Diskussion um Steuerflüchtlinge aggressives und beleidigendes Verhalten vorgeworfen. Grund sind angebliche Äußerungen Steinbrücks, in denen er die Schweiz beim Finanzministertreffen anlässlich der Vorbereitung des G20-Gipfels am Wochenende mit "Indianern" verglichen haben soll. Wie das Schweizer Außenministerium am Montag mitteilte, wurde der deutsche Botschafter in Bern, Axel Berg, in dieser Sache einbestellt. Der Korrespondent des Schweizer Fernsehens, Peter Balzli, hatte Steinbrück mit den Worten zitiert: "Es hat nie eine Schwarze Liste gegeben, es ist nur ein Instrument gewesen, um die Indianer in Angst und Schrecken zu versetzen".

Die führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) hatten gedroht, Staaten, die eine Zusammenarbeit im Kampf gegen länderübergreifende Steuerflucht verweigerten, auf einer Schwarzen Liste an den Pranger zu stellen. Die Äußerungen Steinbrücks seien "inakzeptabel, aggressiv und beleidigend", sagte Außenministerin Micheline Calmy-Rey in einer Fragestunde des Nationalrates. "Wir hätten uns eine andere Reaktion von Deutschland auf die Lockerung des Bankgeheimnisses erhofft." Der Botschafter war bereits Ende Oktober einbestellt worden, nachdem Steinbrück gefordert hatte, dass die Schweiz auf die Schwarze Liste der Steuerparadiese gesetzt werden solle und dass künftig nicht nur "das Zuckerbrot, sondern auch die Peitsche" eingesetzt werden müsse.

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Torys zehn Prozentpunkte vor Labour

Die Labour Party des britischen Premierministers Gordon Brown liegt in den Umfragen immer noch zehn Prozentpunkte hinter den oppositionellen Konservativen. Bei einer Erhebung des Instituts Ipsos-MORI sprachen sich 42 Prozent von 1.007 Befragten für die Torys aus und 32 Prozent für Labour. Allerdings konnte die Regierungspartei aufholen, denn im Februar hatte sie noch um 20 Prozent hinter den Konservativen gelegen. Auch Brown selbst konnte seine Zustimmungsquote steigern, und zwar von 26 Prozent im vergangenen Jahr auf nunmehr 34 Prozent. Die Fehlerquote der Umfrage wurde mit einem Wert zwischen 3,0 und 4,4 Prozent angegeben.

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Müntefering für 40 Prozent Frauen in Aufsichtsräten

SPD-Chef Franz Müntefering will nach der Bundestagswahl ein Gleichstellungsgesetz auf den Weg bringen, wonach mindestens 40 Prozent Frauen in Aufsichtsräten sitzen müssen. Er werde sich auf dem Parteitag am 17. Juni dafür einsetzen, diese Forderung in das Wahlprogramm auszunehmen, sagte Müntefering in Berlin. Zuvor hatte er sich mit Vertreterinnen der Nürnberger Resolution getroffen und ihnen Unterstützung zugesagt.

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Terrorwelle vor Präsidentenwahl in Algerien

Wenige Wochen vor der Präsidentenwahl häufen sich in Algerien die blutigen Anschläge muslimischer Terroristen. Seit Samstag seien zwölf Menschen getötet worden, berichtete die Presse in Algier am Dienstag. Alleine am Montag starben sechs Menschen: Vier Soldaten wurden bei Tadmait etwa 110 Kilometer östlich von Algier von einem Sprengsatz zerrissen; in Tebessa nahe der Grenze zu Tunesien starben ein Mitglied einer Bürgerwehr und sein Sohn bei einem Bombenanschlag. Am Samstag hatte ein Kommando der al-Qaida im islamischen Maghreb (AQMI) nahe der tunesischen Grenze einen Schafzüchter ermordet sowie vier weitere Menschen mit einer Bombenfalle getötet. Am 9. April stellt sich Präsident Abdelaziz Bouteflika den Wählern. Keinem seiner zehn Herausforderer wird zugetraut, den seit 1999 amtierenden Staatschef zu schlagen. Bouteflika steht für eine Politik der nationalen Aussöhnung, mit der zahlreiche "reuige" Terroristen aus dem Untergrundkampf geholt wurden.

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Pariser Regierung stellt Vertrauensfrage

Wegen Widerständen gegen die vollständige Rückkehr Frankreichs in die Nato-Kommandostrukturen hat die Regierung in Paris die Vertrauensfrage gestellt. Die Nato-Pläne stellten die Unabhängigkeit Frankreichs nicht in Frage, sagte Premierminister François Fillon am Dienstagnachmittag vor der Nationalversammlung. "Unsere Nation nimmt von niemandem Befehle entgegen." Im Verhältnis zu den USA werde Frankreich "Alliierter sein, aber nicht Vasall" und immer "nach seinen Überzeugungen handeln".

Frankreich hatte sich 1966 nach dem Aufstieg zur Atommacht unter dem damaligen Präsidenten Charles de Gaulle aus der militärischen Kommandostruktur der Allianz zurückgezogen. 43 Jahre später will Präsident Nicolas Sarkozy das Land zum NATO-Gipfel Anfang April wieder vollständig ins Bündnis integrieren.

Eine Zustimmung des Parlaments dazu ist laut Verfassung nicht nötig. Da das Vorhaben aber auch in der Regierungspartei UMP umstritten ist, kündigte Fillon die Vertrauensfrage an. Nach Schätzungen könnten sich bis zu 30 UMP-Abgeordnete bei der Vertrauensabstimmung enthalten. Dies würde die Regierung aber nicht zu Fall bringen, da sie mit 317 von 577 Sitzen über eine ausreichende Mehrheit verfügt. Die Vertrauensabstimmung soll noch am Nachmittag stattfinden.

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Keine Einigung über Freilassung von israelischem Soldaten

Die Gespräche zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas über die Freilassung des vor fast drei Jahren entführten Soldaten Gilat Schalit sind nach israelischen Medienberichten vorerst gescheitert. Wie israelische Medien am späten Montagabend unter Berufung auf das Büro des amtierenden Ministerpräsidenten Ehud Olmert berichteten, stellt die Hamas jetzt überzogene Forderungen. Zudem sei die Hamas von schon erreichten Abmachungen abgerückt, sagten die israelischen Gesandten Juval Diskin und Ofer Dekel nach Angaben der Zeitung Haaretz. Beide hätten am Montagabend Kairo verlassen. Olmert will auf einer Kabinettssitzung am heutigen Dienstag über das weitere Vorgehen beraten. Dabei solle es aber zu keiner Abstimmung kommen, berichtete der Onlinedienst ynet unter Berufung auf einen hochrangigen Mitarbeiter Olmerts.

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Irische Regierung erwartet neues Referendum über EU-Vertrag

Irlands Finanzminister Brian Lenihan hofft wegen der Finanzkrise auf eine zweite Volksabstimmung über den EU-Reformvertrag. "Gerade jetzt in der Wirtschaftskrise verstehen die Iren, wie wichtig die EU immer für uns war", sagte er dem Handelsblatt. "Wir sind entschlossen, bald ein neues Referendum abzuhalten." Beim ersten Volksentscheid zum Vertrag von Lissabon hatten die Iren mehrheitlich mit Nein gestimmt. "Das Nein im letzten Jahr war ein Zeichen von Hybris und eine große Enttäuschung für uns", sagte Lenihan. Umfragen zufolge steigt aber die Zahl der Befürworter des Vertrags. Irland steuert infolge der Finanzkrise auf die größte Neuverschuldung in der Euro-Zone zu. Auf der Suche nach Hilfen sei Irland jedoch nicht, sagte Lenihan. "Ich sage Ihnen ganz klar: Weil die EZB existiert, werden wir keine Rettungsaktion benötigen." Irlands Staatsfinanzen seien unter Kontrolle.

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UN-Ermittler wirft Nordkorea Folter in "Todesfallen" vor

In nordkoreanischen Gefängnissen wird nach Angaben eines UN-Sonderermittlers systematisch gefoltert. "Viele Gefängnisse sind eine Todesfalle für die Insassen", sagte der UN-Ermittler Vitit Muntarbhorn dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen am Montag in Genf. Das Leben in dem weitgehend isolierten Land sei "hart und verzweifelt", sagte der thailändische Jurist. "Die schrecklichen Zustände in den Gefängnissen, darunter Mangel an Lebensmitteln, armselige Hygiene, Kälte im Winter, Zwangsarbeit und körperliche Strafen, führen zu einer Unzahl von Missbräuchen und Entsagungen", erklärte Muntarbhorn. Oft würden ganze Familien wegen der Tat eines einzelnen Angehörigen inhaftiert. "Obwohl Folter gesetzlich verboten ist, wird sie in großem Umfang praktiziert." Sang Il Hun von der nordkoreanischen UN-Vertretung wies den Bericht als unrichtig zurück. Muntarbhorn hat fünf Jahre lang die Situation in Nordkorea untersucht. Eine Einreise in das Land wurde ihm jedoch verwehrt. Sein Bericht stützt sich unter anderem auf Aussagen von nordkoreanischen Flüchtlingen in Südkorea, der Mongolei und Japan.

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