Politik kompakt:Moskau verzichtet auf Raketen-Stationierung

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Russland will keine Kurzstreckenraketen in Kaliningrad stationieren, Sicherheitsexperten nehmen al-Qaida-Video sehr ernst, sächsische CDU stimmt Koalitionsvertrag mit der FDP zu.

Russland: Keine Raketen in Kaliningrad

Die russischen Streitkräfte verzichten auf die Stationierung von Raketen nahe der polnischen Grenze in Kaliningrad, dem früheren Königsberg. Das erklärte der stellvertretende Verteidigungsminister Wladimir Popowkin. Die Entscheidung von US-Präsident Barack Obama, auf die Raketenabwehr-Stützpunkte in Polen und Tschechien zu verzichten, habe die geplante Aufstellung der Kurzstreckenraketen vom Typ Iksander überflüssig gemacht, sagte Popowkin am Samstag dem russischen Sender Echo Moskau.

Sicherheitsexperten nehmen al-Qaida-Video sehr ernst

Politiker und Sicherheitsexperten werten ein im Internet aufgetauchtes al-Qaida-Video als ernste Drohung gegen Deutschland. Eine Woche vor der Bundestagswahl wurden die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. An Flughäfen und großen Bahnhöfen patrouillieren Bundespolizisten mit Schutzwesten und Maschinenpistolen. In der im Internet aufgetauchten Botschaft wird gefordert, die Bundeswehr aus Afghanistan sofort abzuziehen. Andernfalls drohe nach der Bundestagswahl ein "böses Erwachen".

Sächsische CDU stimmt Koalitionsvertrag mit FDP zu

Die sächsische CDU hat dem Koalitionsvertrag mit der FDP mit großer Mehrheit zugestimmt. Von den rund 200 Delegierte auf einem Sonderparteitag in Dresden stimmte nur einer gegen den Vertrag. Die Zustimmung galt als Formsache. Die Union konnte sich bei den Verhandlungen in allen für sie wesentlichen Punkten durchsetzen. Die FDP berät übermorgen über den Vertrag. Beide Parteien wollten mit einer schnellen Einigung ein Signal für den Bund senden. In Sachsen gibt es erstmals eine schwarz-gelbe Koalition.

Moskau: Ahmadinedschads Holocaust-Aussage falsch

Russland hat den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad für dessen Leugnen des Holocaust scharf kritisiert. "Solche wahrheitswidrigen Aussagen sind völlig unannehmbar", sagte Außenamtssprecher Andrej Nesterenko am Samstag nach Angaben der Agentur Interfax in Moskau. In einer Zeit, in der man des 70. Jahrestags des Kriegsbeginns am 1. September 1939 gedenke, beleidige Ahmadinedschad mit seinen Worten die Opfer sowie alle, die gegen den Faschismus gekämpft hätten. Zudem würden solche Aussagen einen fruchtbaren Dialog mit dem Iran erschweren, sagte er. Ahmadinedschad hatte den Holocaust am Vortag in Teheran als "Märchen" bezeichnet.

Iran kritisiert Deutschland im Atomstreit

Iran übt scharfe Kritik an der Haltung Europas und auch speziell Deutschlands im Atomkonflikt. Der Generaldirektor der iranischen Atomenergiekommission, Ali Akbar Salehi, sagte dem Spiegel: "Wir wundern uns, wie unklug die Europäer sind, wie wenig sie unseren Standpunkt verstehen." Auf lange Sicht bräuchten die Europäer Iran mehr als umgekehrt. "Wir können unseren europäischen Partnern und auch unseren deutschen Freunden nur raten: Bitte seid realistisch, zeigt mehr Pragmatismus", sagte er.

Die Europäische Union besteht darauf, bei neuen Gesprächen mit Iran am 1. Oktober vor allem über das Atomprogramm Teherans zu reden. Zugleich droht die EU mit einer Verschärfung von Sanktionen, falls Teheran nicht zu Verhandlungen darüber bereit sei.

Festnahmen nach Protesten in Iran

Nach den jüngsten Demonstrationen der Opposition in Iran sind nach Berichten der amtlichen Nachrichtenagentur IRNA mehrere Menschen festgenommen worden. Sie hätten Steine auf Sicherheitskräfte geworfen und Motorräder angezündet, zitierte IRNA einen Polizeisprecher.

Ungeachtet eines Verbots demonstrierten am Freitag Tausende Oppositionelle gegen die Regierung von Präsident Mahmud Ahmadinedschad. Dabei kam es zu etlichen Zusammenstößen. Es waren die ersten großen Straßenproteste der Reformanhänger seit Mitte Juli. Die Opposition protestiert gegen die amtlich bestätigte Wiederwahl von Ahmadinedschad und erhebt Vorwürfe, ihrem Kandidaten Mir Hossein Mussawi sei der Wahlsieg gestohlen worden.

Neonazis greifen Vorsitzenden der Lübecker Linke an

Bei einem Streit zwischen angetrunkenen Neonazis und Angehörigen der Partei Die Linke ist am Freitag der Kreisvorsitzende der Lübecker Linke verletzt worden. Wie die Polizei am Abend mitteilte, hatten zwei polizeibekannte Männer, "die äußerlich dem rechten Spektrum zuzuordnen sind", am späten Nachmittag die Fahne der Partei aus der einer Halterung gerissen und mitgenommen. In der Folge sei es zu einer Auseinandersetzung gekommen, bei der der Linke-Kreisvorsitzende und Bürgerschaftsabgeordnete, Ragnar Lüttke, verletzt wurde.

Die Angreifer im Alter von 28 und 36 Jahren hätten den Politiker gegen die Glasscheibe der Stadtbibliothek geschleudert, teilte die Partei auf ihrer Internetseite mit. Vor dem Eintreffen der Polizei sollen die Männer "Heil Hitler" und "Sieg Heil" gerufen haben.

Frühere CIA-Chefs gegen Folter-Untersuchungen

Sieben ehemalige Chefs des US-Geheimdienstes CIA wollen keine Untersuchungen wegen Folter und brutaler Verhörmethoden. Sie forderten Präsident Barack Obama auf, dafür zu sorgen, dass entsprechende Ermittlungen der Justiz gegen CIA-Agenten gestoppt werden. Solche Untersuchungen würde eine effektive Arbeit des Dienstes behindern. Ein Sprecher des Weißen Hauses sagte am Freitag lediglich, der Präsident "fällt keine Entscheidungen über Ermittlungen". Unter den sieben früheren CIA-Chefs sind den Angaben zufolge Michael Hayden und George Tenet, die unter Obamas Vorgänger George W. Bush im Amt waren.

Bei den jüngst eingeleiteten Ermittlungen handelt es sich um Untersuchungen über brutale Verhöre von Terrorverdächtigen während Bushs Amtszeit. Interne Berichte brachten unlängst brutalste Misshandlungen wie Scheinhinrichtungen, Schlafentzug und simuliertes Ertränken an den Tag. Justizminister Eric Holder setzte darauf einen Sonderstaatsanwalt ein, der die Übergriffe untersuchen soll.

Steuerzahlerbund kritisiert Wahlkampfkosten

Der Bund der Steuerzahler hat die hohen Wahlkampfkosten der Parteien und deren Verwendung im Bundestagswahlkampf kritisiert. Trotz Wirtschaftskrise leisteten sich die Parteien einen "sehr, sehr teuren Wahlkampf", sagte Steuerzahlerbund-Geschäftsführer Reiner Holznagel der Leipziger Volkszeitung. Statt der Darstellung politischer Inhalte erlebe man derzeit eine "inhaltsleere Materialschlacht". Es gebe "erhebliche Zweifel, ob die aktuelle Verwendung der Gelder im Sinne der Verfassung und des Steuerzahlers ist", so Holznagel. Zudem könne es nicht angehen, dass die staatlichen Unterstützungen der Parteien trotz sinkender Mitgliederzahlen gleich hoch blieben.

Nach bisher veröffentlichten Angaben der fünf im Bundestag vertretenen Parteien werden die gesamten Wahlkampfkosten für Plakate, Fernseh- und Radio-Spots, Broschüren, Werbeartikel und Auftritte der Kandidaten auf knapp 62 Millionen Euro veranschlagt, wie die Zeitung berichtete. Im Rennen um das Kanzleramt setzen die SPD demnach etwa 27 Millionen und die CDU 20 Millionen Euro bundesweit ein.

Anschlag in Pakistan: Zahl der Toten steigt

Die Zahl der Toten nach einem verheerenden Selbstmordanschlag im Nordwesten von Pakistan ist auf 40 gestiegen. Wie die Polizei am Samstag mitteilte, wurden in den Trümmern des zusammengestürzten Hotels sechs weitere Leichen geborgen, im Krankenhaus erlagen fünf Menschen ihren Verletzungen. Am Rande der Stadt Kohat hatte am Freitag ein Attentäter seinen mit Sprengstoff beladenen Wagen in ein Hotel gefahren. Mehrere angrenzende Läden stürzten ein.

Es war bereits der zweite Anschlag in Kohat binnen zwei Tagen. Die Region gilt als Hochburg der Taliban und anderer islamischer Extremisten. Als Hintergrund des Blutbads wurden Konflikte zwischen Schiiten und Sunniten vermutet. Das Hotel gehörte einem Schiiten. Bei einem Anschlag auf eine Moschee nicht weit von Kohat wurde zudem in der Nacht der Bürgermeister eines Dorfes getötet.

Jemens Regierung erklärt Feuerpause

Nach wochenlangen Kämpfen mit schiitischen Rebellen im Nordwesten des Jemens hat die Regierung in Sanaa eine einseitige Feuerpause verkündet. Wie die offizielle Nachrichtenagentur Saba in der Nacht zum Samstag berichtete, sollen die Waffen ab sofort bis zum Abschluss des Festes zum Ende des Fastenmonats Ramadan schweigen, der an diesem Sonntag beginnt. Durch die Feuerpause solle eine Versorgung Zehntausender Flüchtlinge ermöglicht werden, die in dem Gebiet von Kämpfen eingeschlossen sind. Mehrere internationale Hilfsorganisationen hätten die Regierung um die Feuerpause gebeten, hieß es.

CIA-Chef Panetta sieht Karsai als Wahlsieger

Der Direktor des US-Geheimdienstes CIA sieht den afghanischen Staatschef Hamid Karsai trotz der Betrugsvorwürfe als Sieger der Präsidentenwahl. Selbst wenn die strittigen Stimmzettel nicht gewertet würden, habe Karsai wohl doch genug Stimmen für seine Wiederwahl erhalten, sagte Leon Panetta in einem bereits am Mittwoch aufgezeichneten Interview des Radiosenders Voice of America.

Nach der vorläufigen Endauszählung der afghanischen Wahlbehörde wurde Karsai am 20. August mit 54,6 Prozent wiedergewählt. Sein wichtigster Herausforderer, Abdullah Abdullah, kam auf 27,7 Prozent der Stimmen. Die von den Vereinten Nationen unterstützte Wahlbeschwerdekommission hat wegen der Betrugsvorwürfe bereits eine Neuauszählung der Stimmen aus mindestens zehn Prozent der Wahllokale angeordnet. Die Europäische Union sprach sogar davon, dass 27 Prozent aller gemeldeten Ergebnisse Anlass zur Skepsis gäben.

AU ruft zu Waffenhilfe für Regierung Somalias auf

Nach zwei Selbstmordanschlägen auf Friedenstruppen der Afrikanischen Union (AU) in Somalia hat die AU zu Waffenhilfe für die somalische Übergangsregierung aufgerufen. "Wenn wir (die radikalislamische Miliz) Al-Shabaab in Angriff nehmen, werden wir sie rasch zerstören", sagte Nicolas Bwakira, der AU-Sonderbotschafter für Somalia. Am Donnerstag waren 17 AU-Soldaten getötet und mehr als 40 Menschen verletzt worden. Es war der bisher schwerste Anschlag auf die Friedenstruppe, die aus etwa 5000 Soldaten aus Burundi und Uganda besteht und eigentlich schon vor Jahren auf 8000 Mann aufgestockt werden sollte.

Die Selbstmordanschläge am Donnerstag waren Vergeltungsschläge für den Tod eines Al-Shabaab-Führers bei einem US-Luftangriff am Montag. Die Miliz, die von den USA als Terrororganisation mit Verbindungen zu al-Qaida eingestuft wird, will die Regierung des gemäßigten Islamistenführers Sheik Sharif Ahmed stürzen.

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