Politik kompakt:Weißrussland dreht Europa den Gashahn ab

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Weil Moskau immer weniger Gas nach Weißrussland liefert, behält Minsk nun Transitlieferungen für Europa ein.

Kurzmeldungen im Überblick

Die Auswirkungen des Gasstreits zwischen Russland und Weißrußland erreichen die EU: Die weißrussische Regierung hat nun angeordnet, den Transit von Gas nach Europa zu stoppen. Das gab der Sprecher von Präsident Alexander Lukaschenko am Dienstag in Minsk bekannt. Der Vertreter der EU-Kommission in Russland, Michael Webb, hatte vor kurzen davor gewarnt, dass die Lieferungen an EU-Länder gedrosselt werden könnten. Von der Blockade wäre besonders das EU-Mitglied Litauen betroffen, da das baltische Land zu 100 Prozent über diesen Weg versorgt wird.

Weißrussland stoppt die Gaslieferung an Europa - weil es selbst weniger Gas aus Moskau bekommt. (Foto: dpa)

Russland hatte in den letzten Tagen die Gaslieferungen an Weißrussland im Streit um offene Rechnungen immer weiter herunter geschraubt. Der Chef des russischen Gasmonopolisten Gazprom, Alexej Miller, erklärte, seit Dienstag erhalte Weißrussland 30 Prozent weniger Gas als üblich. Zunächst hatte Gazprom die Lieferungen am Montag um 15 Prozent gekürzt.

Zwar hatte Weißrussland am Vortag erklärt, die Schulden von 192 Millionen US-Dollar (etwa 155 Millionen Euro) bis 5. Juli begleichen zu wollen. "Wir werden aber sicher nicht diese zwei Wochen warten", sagte Gazprom-Sprecher Sergej Kuprijanow.

Russische Medien sehen in dem Konflikt ein Druckmittel, um Weißrusslands Widerstand gegen eine von Russland angestrebte Dreier-Zollunion mit Weißrussland und Kasachstan zu brechen. Der autoritäre weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko ist zudem dringend auf Hilfe aus Moskau angewiesen, um seine Macht bei den bevorstehenden Präsidentenwahlen zu sichern.

(dpa/apn)

Vier Tote bei Bombenanschlag in Istanbul, Steinmeier attackiert Niebel nach dessen Israel-Schelte, einem Mitglied der "Sauerland-Gruppe" soll die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen werden. Hannelore Kraft hofft auf Stimmen aus dem bürgerlichen Lager, kein Beton für den Gaza-Streifen, Joachimsen bezeichnet DDR als "mausetot": Weitere Meldungen auf den nächsten Seiten.

Eine Unterorganisation der kurdischen Rebellengruppe PKK hat sich zu dem Anschlag mit fünf Toten auf die türkische Armee bekannt. Die Gruppe "Freiheitsfalken Kurdistans" (TAK) teilte auf ihrer Website mit, sie hätten den Sprengsatz auf den Bus gezündet, weil die Türkei "ein Massaker gegen die Kurden" plane und sich ein "Konzept der Aggression" gegen den inhaftierten PKK-Chef Abdullah Öcalan angeeignet habe. Die TAK betrachtet den PKK-Gründer Öcalan als Leitfigur und wird laut Einschätzung türkischer Sicherheitskräfte von der PKK-Führung gelenkt. Die PKK betrachtet die TAK als Splittergruppe, über die sie selbst keine Kontrolle hat.

Die PKK hatte am Wochenende mit Angriffen auf "jede Stadt der Türkei" gedroht, wenn die türkische Armee weiter gegen sie vorgehe. In der Nacht zum Dienstag töteten Soldaten bei mehreren Einsätzen im Südosten und Nordwesten des Landes sieben PKK-Rebellen. Die von der Türkei, der EU und den USA als Terrororganisation eingestufte PKK hat ihre Angriffe auf türkische Sicherheitskräfte in den vergangenen Wochen wieder verschärft, seit ihr Chef Öcalan Ende Mai seine Bemühungen um einen Dialog mit Ankara für beendet erklärt hatte.

(AFP)

Der SPD-Fraktionschef und frühere Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat das Verhalten von Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) auf dessen Nahost-Reise scharf kritisiert. Im Nahen Osten erreiche man nichts mit "Hemdsärmeligkeit und vordergründigen Inszenierungen", sagte Steinmeier dem Hamburger Abendblatt zur harschen Kritik des FDP-Politikers an der Weigerung Israels, ihm die Einreise in den Gazastreifen zu verweigern.

"So untergräbt die Bundesregierung das Vertrauen, das wir uns in vielen Jahrzehnten bei allen Konfliktparteien erworben haben." Niebel habe sich über Wochen und Monate nicht zur Lage im Nahen Osten geäußert, sagte Steinmeier mit Blick auf die Erstürmung von Hilfsschiffen für Gaza vor drei Wochen. "Jetzt dort hinzufahren und so zu tun als sei man überrascht, dass die Einreise nicht gewährt wird, mag kurzfristig Beifall bringen, zeugt aber nicht von besonderem diplomatischen Geschick."

Auch der Zentralrat der Juden äußert nach zunächst zurückhaltenden Reaktion am Wochenende nun starke Kritik an dem FDP-Politiker. "Das ist übel aufgestoßen. Das war ein sehr durchsichtiges politisches Manöver." sagte Generalsekretär Stephan Kramer der Nordwest-Zeitung.

Niebel hatte im Gazastreifen unter anderem ein von Deutschland mitfinanziertes Klärwerk besuchen wollen. Der Entwicklungsminister hatte das Einreiseverbot Israels als "großen außenpolitischen Fehler" kritisiert. Für Aufregung sorgte Niebel auch mit der in Bezug auf den Siedlungsbau in Ost-Jerusalem gemachten Aussage, für Israel sei es "fünf vor zwölf". Der Minister räumte später ein, dass die Wortwahl ungünstig war.

(afp/rtr)

Finnland hat eine neue Ministerpräsidentin: Das Parlament hat am Dienstag die Zentrumspolitikerin Mari Kiviniemi zur Regierungschefin gewählt. Die 41-Jährige übernimmt das Amt von ihrem Parteifreund Matti Vanhanen, der vergangene Woche zurückgetreten war.

Kiviniemi ist die zweite Frau im höchsten Regierungsamt und war seit 2005 Ministerin für regionale und Gemeindeangelegenheiten. Der 54-jährige Vanhanen regierte seit 2003 und trat nach eigenen Angaben wegen einer anstehenden Operation am Bein und der nötigen Erholungszeit zurück.

(apn)

Einer der Terroristen der "Sauerland-Gruppe" soll seine deutsche Staatsangehörigkeit wieder verlieren und nach seiner Haft in die Türkei abgeschoben werden. Die Ausländerbehörde der Stadt Ulm hat die Einbürgerung des 25-jährigen Atilla Selek wegen "arglistiger Täuschung" widerrufen, bestätigte Abteilungsleiter Roland Oed einen Bericht des SWR vom Dienstag. "Die Verfügung ist noch nicht rechtskräftig, da Selek Widerspruch eingelegt hat."

Hintergrund ist offenbar eine Informationspanne zwischen den beteiligten Behörden: Selek hatte bereits 2004 seine Einbürgerung beantragt. Die Stadt Ulm hatte den Vorgang daraufhin geprüft und hatte keine Einwände. Parallel gab es bei Landeskriminalamt und Verfassungsschutz aber mehrere Hinweise über die Nähe von Selek zur Ulmer Islamistenszene sowie ein Ermittlungsverfahren der bayerischen Polizei gegen ihn. Diese Erkenntnisse wurden aber offenbar nicht an das zuständige Ausländeramt weitergegeben, zudem verschwieg Selek das Ermittlungsverfahren.

Nach der Festnahme der "Sauerland-Gruppe" 2007 wegen der Planung terroristischer Sprengstoffanschläge in Deutschland wurde Selek im Herbst 2007 in der Türkei festgenommen und nach Deutschland ausgeliefert. Er sitzt derzeit in Freiburg in Haft und kann im Sommer auf eine Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln seiner 5jährigen Strafe hoffen. Hat er bis dahin die deutsche Staatsbürgerschaft rechtswirksam verloren, droht ihm die Ausweisung in die Türkei.

(dpa)

Die SPD in Nordrhein-Westfalen geht von einer schnellen Einigung bei den an diesem Dienstag beginnenden Koalitionsgesprächen mit den Grünen aus - und hofft bei der Wahl Krafts auf Stimmen aus dem bürgerlichen Lager. SPD-Landesgeneralsekretär Michael Groschek sagte MDR-Info: "Ich glaube, dass die Chancen gut stehen, dass wir uns schnell und gründlich einigen." Bereits bei den Sondierungsgesprächen habe sich eine große Schnittmenge zwischen SPD und Grünen in NRW gezeigt.

Zur Frage nach unterschiedlichen Auffassungen beim Thema Steinkohle entgegnete Groschek, es gebe auch große Gemeinsamkeiten im Energiebereich. Groschek verteidigte den Entschluss von SPD-Landeschefin Hannelore Kraft zur Bildung einer rot-grünen Minderheitsregierung. "Wir wollen eine Koalition der Einladung sein." Wenn nur eine Stimme zur absoluten Mehrheit fehle, sei es verantwortbar, "die anderen Fraktionen und die einzelnen Mitglieder des Landtages" zur Mitgestaltung aufzurufen.

Kraft hofft unterdessen, dass diese eine Stimme auch aus dem bürgerlichen Lager kommen könnte. Sie sei sehr zuversichtlich, dass Abgeordnete von CDU und FDP für sie stimmen könnten, weil die Wahl geheim sei.

Die bisherigen Koalitionsparteien CDU und FDP haben im Düsseldorfer Landtag zusammen 80 Stimmen, SPD und Grüne kommen auf 90. Für die Wahl des Regierungschefs sind 91 Stimmen notwendig. Im vierten Wahlgang reicht eine einfache Mehrheit.

(apn)

Unterdessen gab der Generalsekretär der nordrhein-westfälischen CDU Andreas Krautscheid bekannt, dass er nicht für den Vorsitz der CDU-Landtagsfraktion kandidieren wird. Das sagte Krautscheid am Dienstag nach einer Fraktionssitzung in Düsseldorf. Er wolle seine Aufgaben in der Parteizentrale fortführen.

Krautscheid verwies darauf, dass er erst vor drei Monaten mit einem Ergebnis von 99 Prozent von einem Landesparteitag zum Generalsekretär gewählt worden sei. Die CDU-Landtagsfraktion hat derzeit nur einen kommissarischen Vorsitzenden. Der geschäftsführende Ministerpräsident Jürgen Rüttgers will das Amt nicht übernehmen.

Als mögliche Kandidaten für den Fraktionsvorsitz gelten Arbeitsminister Karl-Josef Laumann und Integrationsminister Armin Laschet. Der neue Fraktionschef soll am 6. Juli gewählt werden.

(apn)

Im Prozess gegen den Kremlkritiker und russischen Ex-Öl-Manager Michail Chodorkowski hat ein weiterer Vertrauter von Regierungschef Wladimir Putin für den Angeklagten ausgesagt. Ihm sei der Chodorkowski vorgeworfene Diebstahl von 350 Millionen Tonnen Öl nicht bekannt. Das sagte Industrie- und Handelsminister Viktor Christenko als Zeuge der Verteidigung nach Angaben der Agentur Interfax vor Gericht in Moskau.

Chodorkowski hatte stets betont, er rechne nicht mit einer Freilassung, solange Ex-Kremlchef Putin an der Macht ist. Der Prozess gegen den einst reichsten Mann Russlands gilt als politisch motiviert. Christenko war zum Zeitpunkt des angeblichen Diebstahls stellvertretender Regierungschef. Er war überraschend vom Gericht geladen worden.

Am Montag hatte bereits der frühere Wirtschaftsminister German Gref ausgesagt, er habe keine Kenntnis von dem Öl-Diebstahl. Der heutige Sberbank-Chef ist ebenfalls ein langjähriger Weggefährte Putins. Wegen der angeblichen Unterschlagung drohen Chodorkowski 22 weitere Jahre Haft. Er sitzt derzeit wegen Steuerbetrugs eine achtjährige Gefängnisstrafe ab, die 2011 endet.

(dpa)

Israel will zwar humanitäre Güter, aber kein Baumaterial wie Beton und Eisenträger in den Gazastreifen einführen lassen. Das machte Verteidigungsminister Ehud Barack am Montagabend nach einer Unterredung mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in New York deutlich.

"Wir halten uns an die Entscheidung des israelischen Kabinetts, die Einfuhr von Waren zu erleichtern, solange sie humanitären Bedürfnissen dienen und nicht der Kriegsführung", sagte er vor Journalisten. Die gleiche Vorschrift gelte für das Westjordanland. Israel gehe davon aus, dass Beton und Eisen von den Palästinensern auch zum Bau militärischer Anlagen eingesetzt werden können. Dagegen machen die Bewohner des von der radikalen Hamas beherrschten Gazastreifens geltend, dass sie dringend Baustoffe brauchen, um die im Gazakrieg von Israel zerstörte Infrastruktur wieder aufzubauen.

Kurz vor Barack hatte sich das Nahostquartett zur Lockerung der israelischen Gaza-Blockade geäußert. In einer gemeinsamen Erklärung sprach es von einer "willkommenen Entwicklung". Die Mitglieder des Quartetts drängte Israel, den Kabinettsbeschluss uneingeschränkt durchzuführen. Der Vierergruppe gehören die USA, Russland, die Vereinten Nationen und die EU an. In der am Montag veröffentlichen Stellungnahme heißt es weiter, dass es viel zu tun gebe, damit die Infrastruktur wiederaufgebaut und die Wirtschaft im Gazastreifen angekurbelt werde. Das Quartett wolle deshalb "in Übereinstimmung mit den betroffenen Seiten die Umsetzung der neuen (Grenz-)Politik genau und in allen Aspekten überprüfen".

(dpa)

Die Linkspartei-Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten, Luc Jochimsen, hat ihre umstrittenen Äußerungen zur DDR verteidigt. "Die Kategorie eines Unrechtsstaates, so haben mir Juristen und Wissenschaftler gesagt, kennt die Rechtsliteratur nicht. Sie ist also umstritten", sagte die Politikerin der Passauer Neuen Presse. Zugleich sagte die Bundestagsabgeordnete: "Die DDR ist mausetot. Sie hat sich selbst aufgelöst. Zurecht."

Jochimsen sieht in ihrer Partei nach eigenen Worten keine Verklärungstendenzen der DDR. "Ich sehe eine unglaubliche, sich immer wiederholende Anstrengung, die Geschichte aufzuarbeiten und sich ihr zu stellen. Außerhalb der Linken, insbesondere bei den Konservativen, herrscht die irrationale Sorge vor, die DDR könne eines Tages wieder auferstehen", sagte sie .

Unterdessen wächst offenbar auch unter den Wahlmännern von Jochimsens Partei die Zustimmung zum rot-grünen Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl, Joachim Gauck. Der Jenaer Universitätsprofessor Klaus Dörre denkt daran, in der Bundesversammlung Gauck zu wählen. In der Rheinischen Post bezeichnete Dörre Gauck als "respektable Persönlichkeit". Sollte Gauck ein Signal der Kritik an der sozialen Schieflage im Land senden und Stimmen von links tatsächlich haben wollen, könne er sich "sehr gut vorstellen, ihm in einem dritten Wahlgang meine Stimme zu geben", sagte Dörre.

(apn)

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