Politik:Gut ist nicht gut genug

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In Schweden gründen unzufriedene Frauen eine Partei.

Gerhard Fischer

Ausgerechnet Schweden. In der Nation, die lange als das Mutterland der Gleichberechtigung galt, scheint sich nun der Geschlechterkampf zu verschärfen. Eine Feministische Initiative (FI) wurde gegründet und soll bald zu einer Frauenpartei ausgebaut werden.

Mit Gudrun Schyman haben die Feministinnen sogar eine der bekanntesten und begabtesten Politikerinnen des Landes für sich gewonnen. Schyman wird zwar nicht offiziell Vorsitzende der künftigen Frauenpartei werden, weil es vermutlich ein Führungs-Gremium geben wird; aber sie gilt bereits jetzt als heimliche Chefin.

Die FI hat bisher knapp 50 Mitglieder, bis zum Herbst soll aus ihr eine Frauenpartei entstehen, die im September 2006 bei der Parlamentswahl antreten wird. Die FI-Gründung hat in Schweden für mindestens genauso viele Schlagzeilen gesorgt wie die Papstwahl.

Der Ministerpräsident muss aufpassen

Die politischen Beobachter halten es nämlich für möglich, dass die Frauenpartei die sozialdemokratische Regierung von Ministerpräsident Göran Persson stürzen könnte.

In einer Umfrage, die von der seriösen Zeitung Dagens Nyheter in Auftrag gegeben wurde, bekommt die Frauenpartei sieben Prozent; und 22 Prozent der Wähler könnten sich zumindest "vorstellen, die Frauenpartei zu wählen". Das würde vor allem den linken Parteien schaden.

Momentan stellen die Sozialdemokraten eine Minderheitsregierung, die von den Grünen und der ex-kommunistischen Linkspartei toleriert wird. 17 Prozent der Grünen-Wähler und 27 Prozent der Anhänger der Linkspartei haben in der Umfrage angegeben, sie würden bei der Parlamentswahl für die Frauen stimmen - das könnte beide Parteien unter die in Schweden gültige Vier-Prozent-Hürde drücken.

Die Sozialdemokraten aber würden ohne ihre Verbündeten die Macht an den bürgerlichen Block verlieren. Kein Wunder, dass die Generalsekretärin der Sozialdemokraten, Marita Ulvskog, die Gründung der Frauengruppe kritisierte: "Diese Initiative ist gut, um Druck auszuüben, aber nicht als Reichstagspartei."

Schweden ist das fortschrittlichste Land der Welt, was die Gleichstellung der Frauen betrifft. Das ist nicht nur ein Klischee, es ist auch durch Studien gestützt. Warum also eine Frauenpartei? Es kommt wohl immer auf den Anspruch an: Gut ist nicht gut genug, und auch in Schweden gibt es Diskriminierung.

Genug Gründe haben sie

Zum Beispiel wird in den typischen Männerberufen im Schnitt 3590 Kronen (400 Euro) mehr Lohn gezahlt als in Jobs, die vorwiegend von Frauen ausgeübt werden. Die FI behauptet außerdem, dass Frauen oft gegen ihren Willen in Teilzeitarbeit gezwungen würden und viel mehr Zeit und Verantwortung bei der Kindererziehung übernehmen müssten als Männer. Neben der tatsächlichen Benachteiligung bleibe auch ein "Gefühl der Zurücksetzung" in der schwedischen Gesellschaft, heißt es.

Gudrun Schyman war früher Vorsitzende der Linkspartei, die vor allem bei Frauen, Intellektuellen und Medienleuten sehr beliebt ist. Im vergangenen Jahr aber musste die 56-Jährige den Vorsitz wegen einer Steueraffäre abgeben, im Dezember trat sie aus. Jetzt feiert sie ein Comeback und mit dieser starken Frau, die in Schweden großen Respekt genießt, sind der Frauenpartei passable Wahlergebnisse zuzutrauen - auch wenn Schyman nicht offiziell Vorsitzende wird.

"Sie hat mehr politische und mediale Erfahrung als die meisten der heutigen schwedischen Politiker", schrieb Dagens Nyheter. Kritiker sagen hingegen, dies sei "der letzte politische Egotrip der Gudrun Schyman", und mit dieser Partei würde sie die Geschlechter spalten und Unfrieden stiften zwischen Männern und Frauen.

Manche verspotten die Gruppierung gar als männerfeindlich. Schyman, die bekannt ist für offene Worte, sagte darauf nur: "Ich kann das nicht verstehen - ich werde mich weiter unter den Achseln rasieren und Männer lieben."

Männer sind willkommen

Zu ihren Mitstreiterinnen zählen vorwiegend liberale und linksgerichtete Frauen wie die Literaturprofessorin Ebba Witt-Brattström, eine altgediente Frauenrechtlerin, oder Tiina Rosenberg, Dozentin an der Stockholmer Uni. In Rosenbergs Vorstellung sitzen Kapital und Patriarchat in einem Boot - und beide müssen weg.

Noch hat die FI kein politisches Programm, das soll erst mit der Parteigründung im Herbst vorgelegt werden. Die feministische Frage soll ganz oben stehen, heißt es, alle anderen Forderungen sollen "von der feministischen Analyse ausgehen". Männer, die sich damit anfreunden können, sind in der Frauenpartei willkommen.

© SZ vom 11.5.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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