Polen:Tyrannei der Mehrheit

Die EU muss den Konflikt mit Warschau jetzt austragen.

Von Stefan Ulrich

Hält sich ein Bürger nicht an die Gesetze, kann der Staat ihn dazu zwingen. Schwieriger wird es, wenn sich ein Staat nicht ans Völkerrecht hält. Dann fehlen oft Druckmittel, um ihn umzustimmen. Besonders kompliziert ist es, wenn ein EU-Mitglied wie derzeit Polen die europäischen Verträge missachtet, also das Verfassungsrecht der Union. Einerseits geht es dabei um das Fundament, auf dem die EU steht. Andererseits setzt die europäische Einigung nicht auf Zwang, sondern auf Überzeugung. Strafe kann da kontraproduktiv sein.

Diese Gemengelage macht es so schwer, auf die Übergriffe der polnischen Regierung auf die Justiz des Landes zu reagieren. Die Situation in Europa ist problematisch genug. Niemand hat ein Interesse, ein bedeutendes Mitgliedsland wie Polen zu düpieren. Nur: Kompromissbereitschaft darf nicht zur Selbstaufgabe führen. Die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz gehören zum Wesenskern Europas. Sie dürfen von Parlamenten und Regierungen nicht ausgehöhlt werden. Sonst verkommt Demokratie zur Tyrannei der Mehrheit, und diese schließlich zur Despotie weniger.

Da Warschau stur bleibt, muss die EU den Konflikt jetzt ausfechten. Zwar könnte Ungarn verhindern, dass Polen sein Stimmrecht verliert. Die anderen EU-Staaten können Polen jedoch wegen der Verletzung gemeinsamer Grundwerte verurteilen. Das wäre ein starkes Signal.

© SZ vom 22.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: