Polen:Komorowski gewinnt Präsidentenwahl

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Er will Gräben überwinden: Der liberal-konservative Kandidat der Regierungspartei, Bronislaw Komorowski wird laut Hochrechnungen neuer Präsident Polens. Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski muss sich knapp geschlagen geben.

Thomas Urban

Der polnische Parlamentspräsident Bronislaw Komorowski hat am Sonntag die Stichwahl um das Präsidentenamt gewonnen. Der 58-Jährige kann laut Wahlnachfragen und ersten Hochrechnungen mit etwa 52 Prozent der Stimmen rechnen. Sein Rivale Jaroslaw Kaczynski, der Führer der nationalkonservativen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), lag demnach vier Punkte hinter ihm. Dem 61 Jahre alten Kaczynski bleibt es damit verwehrt, die Nachfolge seines Zwillingsbruders Lech anzutreten, der im April beim Absturz der polnischen Präsidentenmaschine nahe der russischen Stadt Smolensk ums Leben gekommen war. Die Wahlbeteiligung war mit etwa 57 Prozent um zwei Punkte höher als bei der ersten Wahlrunde vor zwei Wochen. Dabei hatte der liberal-konservative Komorowski fast 42 und Kaczynski etwa 36 Prozent erreicht. Das amtliche Endergebnis soll an diesem Montag vorgelegt werden.

Der polnische Parlamentspräsident Bronislaw Komorowski hat allen Wahlnachfragen zufolge am Sonntag die Stichwahl um das Präsidentenamt knapp für sich entschieden. (Foto: ap)

Komorowski, den die von Premierminister Donald Tusk geführte Regierungspartei Bürgerplattform (PO) nominiert hatte, sagte nach Bekanntgabe der ersten Zahlen, er wolle "Präsident aller Polen" sein. Es gelte, "tiefe Gräben in der Gesellschaft zu überwinden". Kaczynski gratulierte Komorowski zum Sieg; die beiden kennen sich seit mehr als drei Jahrzehnten aus der damals verbotenen Demokratiebewegung um die Gewerkschaft Solidarität. Trotz seiner Niederlage wurde Kaczynski von seinen Anhängern gefeiert. Noch vor wenigen Wochen hatte er scheinbar aussichtslos hinter dem eher hölzern wirkenden Komorowski zurückgelegen, doch dank einer kämpferischen Wahlkampagne diesen fast eingeholt.

Kaczynski rief die PiS-Mitglieder dazu auf, sich für einen Sieg bei der nächsten Parlamentswahl im Herbst 2011 einzusetzen. Seinen kurzen Auftritt vor der Presse schloss er mit einer Gedenkminute für die Opfer von Smolensk. Bei dem Absturz hatten alle 96 Personen an Bord den Tod gefunden, unter ihnen die Präsidentengattin Maria Kaczynska. Der unterlegene Kandidat wurde bei seinem Auftritt von Marta Kaczynska begleitet, der 33 Jahre alten Tochter des umgekommenen Präsidentenpaares.

Premierminister Tusk äußerte sich zufrieden über den Sieg seines Parteifreundes. Tusk hatte nach dem Sieg der PO bei der Parlamentswahl 2007 Jaroslaw Kaczynski als Premier abgelöst, musste aber hinnehmen, dass dessen Bruder Lech als Präsident wichtige Gesetzesvorhaben per Veto blockierte. Komorowski kündigte an, er werde als Präsident die von der Regierung Tusk geplanten umfassenden Reformen nicht behindern, sondern nach Kräften fördern. Tusk hatte die Reformen des Haushalts, der Staatsverwaltung und des Gesundheitswesens nur zögerlich begonnen, weil er offenbar selbst bis Anfang des Jahres mit dem Gedanken an eine Kandidatur bei den Präsidentenwahlen gespielt hatte, die turnusgemäß für diesen September angesetzt waren. Wegen des Todes des Amtsinhabers mussten sie vorgezogen werden.

Komorowski bekräftigte, dass Polen weiter auf eine Integration in die europäischen Strukturen setze, wozu auch die Einführung des Euros gehöre, sobald die Wirtschaftslage dies erlaube. Er hatte als Parlamentspräsident bereits seit dem Unglück von Smolensk die Amtsgeschäfte des Staatschefs geführt, wie es die polnische Verfassung nach dem Tod des Präsidenten vorsieht.

© SZ vom 05.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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