Polen:EU verklagt Warschau wegen Richtergesetzes

Lesezeit: 1 min

Zwangspensionierungen der Juristen verstoßen nach Ansicht der Brüsseler Kommission auch gegen europäisches Recht.

Wegen der Zwangspensionierung zahlreicher oberster Richter verklagt die EU-Kommission Polen vor dem Europäischen Gerichtshof und will die Praxis mit einstweiligen Anordnungen sofort stoppen lassen. Das zur Zwangspensionierung eingeführte Gesetz über die Herabsetzung des Pensionsalters verstoße gegen den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit und damit auch gegen EU-Recht, erklärte die Kommission am Montag. Es untergrabe insbesondere das Prinzip der Unabsetzbarkeit von Richtern. Über den Antrag auf einstweilige Anordnungen könnte nach Angaben eines EuGH-Sprechers innerhalb weniger Tage nach seinem Eingang entschieden werden. Sollte ihm stattgegeben werden, müsste Polen den Prozess der Zwangspensionierungen mit sofortiger Wirkung stoppen und den bereits betroffenen Richtern mindestens bis zum abschließenden EuGH-Urteil eine Fortsetzung ihrer Arbeit ermöglichen.

Es gehe darum, einen "schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden" für die richterliche Unabhängigkeit in Polen abzuwenden, erklärte die Kommission. Mit dem neuen polnischen Gesetz zum Obersten Gericht wird das Pensionsalter für Richter am Obersten Gericht von 70 auf 65 Jahre herabgesetzt. Dies nutzte die politische Führung seit Anfang Juli dazu, mehr als 20 Richter in den Ruhestand zu schicken. Wegen eines Gesetzes zu den ordentlichen Gerichten hatte die Kommission bereits im März Klage gegen Polen eingereicht. Auch dieses sieht Regelungen vor, die der Regierung einen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz ermöglichen. Zudem wandten sich auch schon polnische Gerichte selbst an den EuGH. Diese Vorabentscheidungsverfahren könnten nun gemeinsam mit den Klagen der EU-Kommission verhandelt werden. Wegen der Sorge um die Rechtsstaatlichkeit hat die Kommission gegen Polen auch ein politisches Strafverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags eingeleitet. Es könnte im letzten Schritt sogar mit einem Entzug des Stimmrechts im EU-Ministerrat enden.

© SZ vom 25.09.2018 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: