Polen:Charmeoffensive

Lesezeit: 2 min

Frankreichs Präsident will bei seinem Besuch in Warschau helfen, die lädierten Beziehungen seines Gastgebers zur EU zu verbessern.

Frankreichs Präsident Macron (links) zu Gast bei seinem polnischen Kollegen Andrzej Duda. (Foto: Agencja Gazeta/Reuters)

Die Beziehungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Polen waren zuletzt eher gespannt, genauso wie die polnisch-französischen. Am Montag ist nun der französische Präsident Emmanuel Macron nach Polen gereist, um eine Verbesserung des Verhältnisses zu erreichen auch der Beziehungen zwischen Paris und Warschau. Der Besuch ist Teil einer französischen Charmeoffensive Richtung Osten.

Die veränderte Tonlage in Paris kündigte sich bereits im vergangenen Dezember an. Zwei Tage nachdem die Nato in London ihr 70-jähriges Bestehen gefeiert hatte, und die Nato-Mitglieder noch stritten, ob es nun konstruktiv oder beleidigend, zutreffend oder unverschämt war, dass Emmanuel Macron ihr Bündnis hirntot genannt hatte, war die französische Führung schon wieder in Sachen Nato-Rettung unterwegs. Und zwar in Prag. Am 4. Dezember hielt Außenminister Jean-Yves Le Drian eine Rede, die man wie das Vorwort zur Polen-Reise Macrons lesen kann.

Le Drian kam die Aufgabe zu, die Stunde der französischen Mitteleuropa-Begeisterung einzuläuten. "Als Milan Kundera 1983 von der "Tragödie Mitteleuropas" sprach, sprach er nicht nur über die sowjetische Dominanz", sagte Le Drian, "Er bedauerte vor allem, dass Mitteleuropa in den Augen des Westens nur noch als Teil des sowjetischen Reiches gesehen wurde." Wir haben euch Unrecht getan, so Le Drians Botschaft - um im nächsten Atemzug zu versichern, dass nun alles anders werde. Es gebe keine "zwei Europas, die innerhalb der Europäischen Union koexistieren", man stehe vor denselben Aufgaben.

Das "Weimarer Dreieck" soll wiederbelebt werden: Polen, Deutschland und Frankreich

Den von Le Drian vorbereiteten Weg schlug nun auch Macron ein, als er am Montag in Warschau gemeinsam mit seinem polnischen Amtskollegen Andrzej Duda vor die Presse trat. "Ich wünsche mir, dass dieser Besuch einen Wendepunkt markiert, was die Rolle betrifft, die wir in Europa spielen können", sagte Macron und sprach von gemeinsamen Herausforderungen in der Klima- und Sicherheitspolitik, die ebenfalls zu den Konfliktthemen zwischen Brüssel und Warschau zählen. Macron betonte dabei, Polen hätte gemeinsam mit Deutschland und Frankreich eine "zentrale Verantwortung" innerhalb der EU und plädierte für eine Wiederbelebung des trilateralen Verhältnisses. Macron regte ein polnisch-französisch-deutsches Gipfeltreffen an, dass in den kommenden Monaten stattfinden solle. Die drei Länder kommen seit 1991 regelmäßig im sogenannten Format des Weimarer Dreieck zusammen. Zuletzt war das Verhältnis zwischen Frankreich und Polen jedoch stark abgekühlt.

Das lag nicht nur an Macrons Äußerungen zur Nato, sondern auch an seinem Eintreten für engeren Beziehungen zu Russland, was besonders in osteuropäischen Staaten Irritationen ausgelöst hatte. Nun sagte Macron in Warschau, "Frankreich ist weder pro-russisch noch anti-russisch - es ist europäisch." Um Polen zu schützen, müsse die Verteidigungsfähigkeit der EU deutlich gestärkt werden. Er werde "an dem Tag glücklich sein, an dem sich die Polen sagen: ,Wenn ich angegriffen werde, weiß ich, dass Europa uns schützen kann'." Erst dann werde für alle spürbar, was es bedeute, zu Europa zu gehören.

Polens Präsident Duda sagte, er wünsche sich, dass sich der Dialog mit der EU-Kommission verstärke. In seinem Land seien Werte wie Freiheit und Gerechtigkeit verankert. Der umstrittene Umbau der Justiz, den die polnische Regierung vorgenommen hat ist ein großer Streitpunkt, der die Beziehungen zwischen Brüssel und Warschau belastet. Die EU-Kommission hat wegen dieser Reformen, welche die Unabhängigkeit der Justiz stark beschneiden, bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen die Regierung in Warschau eröffnet und Klagen beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) erhoben. Dessen Urteile will Warschau aber nicht anerkennen.

Neu befeuert wird die Debatte durch ein Gesetz zur Disziplinierung von Richtern. Es wird erwartet, dass Duda dieses Gesetz trotz internationaler Proteste in den kommenden Tagen unterzeichnen wird.

Macron bot Polen auch Hilfe beim Bau von Atomkraftwerken an, um unabhängiger von Kohle zu werden. Sein zweitägiger Besuch ist der erste eines französischen Präsidenten seit sechs Jahren.

© SZ vom 04.02.2020 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: