Pleiten und Pannen im US-Wahlkampf:"Palin ist ein Problem"

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Sarah Palin macht im US-Wahlkampf eine gute Miene - aber nicht viel mehr. Wenn sie im Fernsehen den Mund aufmacht, dürften so manchem Berater aus dem McCain-Team die Haare zu Berge stehen.

Verena Wolff

Sarah Palin hat's nicht leicht: Sie kennt sich nicht aus in der großen Politik. Und inzwischen weiß das fast jeder in Amerika. Grundsätzlich ist das nicht so schlimm, dass die 44 Jahre alte Mutter von fünf Kindern aus dem abgelegenen Bundesstaat Alaska vergleichsweise unbeschlagen ist, was die Wirtschaft, die größeren politischen Zusammenhänge und fremde Länder angeht. Im Gegenteil: Da befindet sie sich im Land der unbegrenzten Möglichkeiten in bester Gesellschaft. Aber: Sarah Palin will Vizepräsidentin werden.

Sarah Palin hat sich bei ihren wenigen Interviewterminen nicht von ihrer besten Seite gezeigt. (Foto: Foto: AP)

Vizepräsidentin eines Kriegsveteranen, der mit 72 Jahren der älteste Mann wäre, der jemals in das höchste Staatsamt Amerikas gewählt werden könnte. Einen "Herzschlag entfernt von der Macht" nennen die Amerikaner das - und zahlreiche Beobachter hegen langsam Zweifel, dass Sarah Palin tatsächlich die Richtige ist für diesen Posten.

Dosierte Auftritte

Denn zwar hat das McCain-Team den Wahlkampf gekonnt durcheinandergewirbelt mit der Ankündigung, die Gouverneurin Alaskas zum Running Mate des Senators aus Arizona zu machen. Der Coup schien gelungen, das republikanische Duo beherrschte tagelang die Schlagzeilen und lieferte nette Bilder. Aber so langsam wollen auch die Amerikaner den einen oder anderen Inhalt aus dem Mund der langhaarigen Brünetten hören. Und da hapert's. Gewaltig.

Ganze drei Interviews hat Palin bislang gegeben - und in keinem hat sie sich mit Ruhm bekleckert. Im Gegenteil. Worte wie "inhaltsfrei", "peinlich" und "schaurig" machten danach die Runde. "Die Flitterwochen sind vorbei" hieß es im Boston Globe zur Beziehung Palins und der Medien. Fareed Zakaria, Kolumnist des Magazins Newsweek, fragt gar: "Könnte bitte jemand Sarah Palin von ihrem Leid befreien?"

Sogar die einstigen Befürworter üben harsche Kritik: So schrieb etwa Kolumnistin Kathleen Parker im konservativen Magazin National Review: "Palin ist ein Problem." Eindeutig überfordert sei die 44-Jährige. "Ich schaue mir ihre Interviews mit dem angehaltenen Atem nervöser Eltern an, meine Finger auf der Stummschaltung, falls es zu weh tut. Unglücklicherweise ist das oft der Fall. Mein Schauder-Reflex ist erschöpft." Parkers Vorschlag: Palin müsse "aus persönlichen Gründen zurücktreten".

Den jüngsten TV-Fauxpas haben viele Amerikaner gar nicht mitbekommen - die Finanzkrise und ihre Folgen lenkten ab von Palins letztem Ausflug in ein Fernsehstudio. Dem dritten oder wohl bislang gruseligsten. Interviewerin Katie Couric jedenfalls zeigte sich wenig solidarisch, sondern half fleißig dabei, Sarah Palin ins offene Messer laufen zu lassen. Die Fragen schienen freundlich - doch das Lächeln der Anchorfrau war alles andere.

Auf der nächsten Seite: Das peinliche Interview und wie es amerikanische Comedians persiflieren.

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Aus Sarah Palin sprudelten wieder Sätze, die so gar keinen Sinn machen wollten - die zum Teil gar keine Sätze mehr waren. Etwa dieser: Couric wollte wissen, wie Palin ihr Ausweichmanöver bei einem früheren Interview gemeint hat. In dem meistzitierten Auszug ihres ABC-Interviews hatte Palin ihre außen- und sicherheitspolitische Kompetenz damit begründet, dass man Russland von Alaska aus sehen können. "Wirklich."

Tina Fey feiert als Palin-Double Riesenerfolge. (Foto: Foto: AP)

"Was haben Sie damit gemeint?", fragte Couric. Ganz einfach. Und Palin hob zu einem Bandwurmsatz an: "Dass Alaska eine sehr enge Seegrenze zwischen einem fremden Land, Russland, hat und, auf unserer anderen Seite, die Landgrenze, die wir mit Kanada haben." Wie das nun ihre Erfahrung in Sachen Außenpolitik verbessert habe, hakte Couric nach. Und Palin antwortete: "Nun, das tut es sicher. Denn unsere, unsere Nachbarn nebenan sind fremde Länder, dort in dem Staat, von dem ich die Exekutive bin. Und da ..."

Das wollte sich Katie Couric nicht mehr anhören, unterbrach und fragte: "Waren Sie je an Verhandlungen beteiligt, zum Beispiel mit den Russen?" Sarah Palin antwortete - lang und weitgehend inhaltsfrei: "Wir haben Handelsmissionen hin und her ausgetauscht, das tun wir." Es sei sehr wichtig, wenn man sogar Fragen der nationalen Sicherheit mit Russland in Betracht zieht. "Wenn Putin aufmuckt und in den Luftraum der Vereinigten Staaten von Amerika kommt, wohin gehen sie? Alaska! Es ist gleich jenseits der Grenze. Es ist Alaska, von dem wir jene aussenden, um sicherzustellen, dass diese sehr mächtige Nation, Russland, im Auge behalten wird, denn sie sind gleich da, sie sind gleich neben unserem Staat."

"Gibberish", Kauderwelsch, nennt Zakaria das, was Palin da über die Lippen kam. Er selbst sei letztens über den Nordpol nach Tokio geflogen - ob ihn das zum Experten für Weihnachtsmänner mache? Wohl kaum.

Beispiele aus dem Interview gibt es zur Genüge - etwa auf Youtube, in leicht verständliche Häppchen zerlegt. Eine weitere Blamage kam zum Thema "Hilfspaket für die amerikanische Wirtschaft". Palin reihte ein paar Phrasen aneinander, die sie offenbar auswendig gelernt hatte - die aber zusammengebaut nicht so recht einen Sinn ergeben wollten.

Es gibt namhafte Kommentatoren in Amerika, die sich darüber echauffiert haben, dass die McCain-Kampagne Sarah Palin mehr oder weniger versteckt hält - wie eine zerbrechliche Blume, die unter dem harschen Zugriff der Medien welke. "Aber je mehr sie spricht, umso mehr sehen wir, dass es der gesunde Menschenverstand ist, der McCains Team dazu bringt, Palin zu behandeln wie eine Zeitbombe", so Zakaria.

Ob nun das Offensichtliche auch zugegeben werden könne, fragt der Kolumnist rhetorisch: "Sarah Palin ist total unqualifiziert für das Amt des Vizepräsidenten." Zwar habe sie in Alaska das eine oder andere bewirkt - sich aber bislang noch nie Gedanken über die Bundespolitik oder gar internationale Beziehungen gemacht.

Die Comedians im amerikanischen Fernsehen brauchen jedenfalls keine Angst zu haben, dass ihnen bis zum Wahltag in fünf Wochen die Themen ausgehen. Alter und neuer Star der Szene ist Tina Fey, die Palin äußerst ähnlich sieht und noch dazu die Peinlichkeiten der Sarah Palin auf die Spitze treiben kann.

In der bekannten Sendung Saturday Night Live traf sie den Nagel auf den Kopf: Im nachgestellten Interview von Feys Palin und Amy Poehler als Katie Couric fragte die vermeintliche Moderatorin danach, wie Palin die Demokratie in fernen Ländern vorantreiben wolle. Feys Palin schaute rehäugig und erwiderte: "Katie, ich würde gern einen meiner Joker nutzen ... ich möchte einen Freund anrufen."

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