Pilot mit Promille:Höhenrausch

Lesezeit: 2 min

Fliegen und Alkohol vertragen sich einfach nicht.

Von Martin Wittmann

Flüge haben zuweilen den Charakter einer Fahrt zu oder von der Dorfdisco: Vorne hat der einzige Nüchterne das Steuer in der Hand, hinten sitzen die Passagiere und glühen entweder schon mal vor oder verschlafen die Reise selig trunken. Dass das Fliegen so natürlich mit Alkohol assoziiert wird, ist gar nicht unerwünscht: In Werbespots weisen Fluglinien regelmäßig auf ihre gut sortierten Getränkelisten hin, die Lufthansa rühmt sich auf ihrer Homepage ihres preisgekrönten Weinprogramms. Das Trinken gehört zu dem Restaurant-Flair, das die Fluglinien den Gästen trotz des beschränkten Platzes und des bescheidenen Essens bieten wollen.

Problematisch wird es erst, wenn vorne eben kein Nüchterner sitzt. Am Freitag war das der Fall, in Stuttgart. Ein Copilot wurde kurz vor dem Abflug aus dem Cockpit geholt, der Portugiese hatte da bereits mit den Vorbereitungen für den Flug TP523 nach Lissabon begonnen, wie Polizei und Staatsanwaltschaft mitteilten. Einem Mitarbeiter des Flughafens waren der unsichere Gang und der Alkoholgeruch des Mannes aufgefallen. Der 40-jährige Copilot wurde festgenommen. Die Fluglinie TAP Air Portugal entschuldigte sich später bei den 106 Passagieren, der Flug sei "aufgrund der Fluguntauglichkeit des Copiloten storniert" worden.

Um die Flugtauglichkeit zu garantieren, gelten eigentlich strikte Regeln: Bei Lufthansa und anderen deutschen Fluggesellschaften dürfen Piloten in den zwölf Stunden vor Dienstbeginn nichts mehr trinken, es sollte bei Flugantritt kein Alkohol mehr im Blut nachweisbar sein. Allerdings gilt ein Pegel von 0,2 Promille noch als akzeptabel, weil dieser auch durch vergorene Früchte oder Medikamente entstanden sein kann.

Das Zwölf-Stunden-Prinzip gelte auch für die Crew, berichtet eine ehemalige Stewardess der Lufthansa, man halte sich daran, meistens jedenfalls - nur ab und zu genehmige man sich ein Feierabendbier vor einem morgendlichen Flug. Oder ein Glas Wein, wenn einen der Jetlag am Einschlafen hindere. Man schaue im Zweifel, wie der Kapitän das handhabe.

Sie habe nie einen betrunkenen Piloten erlebt, dafür viele besoffene Passagiere. Wissenschaftlich mag es umstritten sein, ob Alkohol in der Höhe stärker wirkt als unten - durch den Druckunterschied würden sich die Gefäße weiten und der Alkohol gelange oben schneller ins Blut, lautet eine Theorie. In der Praxis sei das offensichtlich, sagt die Flugbegleiterin. Vor allem in Kombination mit Medikamenten (etwa Schlaftabletten) führe das Trinken zu oft ungebührlichem Verhalten.

In harmloseren Fällen habe sie diesen Fluggästen dann einfach sehr schwache Cocktails gemischt; in schwerwiegenderen bekämen sie Alkoholverbot. Wenn selbst das nichts nütze, werde ihnen eine offizielle letzte Warnung in die Hand gedrückt, mit dem Hinweis, sie müssten im Notfall für die zusätzlichen Kosten aufkommen. Einmal habe sie das tatsächlich erlebt: Weil sich ein rabiater Passagier nicht beruhigt habe, musste die Maschine auf dem Weg nach Tokio in Sibirien zwischenlanden. Kosten: 60 000 Euro.

Der Kater des TAP-Copiloten dürfte wohl noch übler sein: Dem 40-jährigen Portugiesen droht nun ein Strafbefehl wegen versuchter Gefährdung des Luftverkehrs.

© SZ vom 26.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: