Pflegebedürftige Pflegeversicherung:Kapitale Geldfrage

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Die Kosten in der Pflegeversicherung drohen aus dem Ruder zu laufen. Die Union will das mit einer Kapitaldeckung in den Griff kriegen, nach dem Motto: Mehr Eigenverantwortung, weniger Solidarität. Die SPD hält das für grundfalsch. Möglicherweise zu Unrecht.

Thorsten Denkler, Berlin

Zuerst die gute Nachricht: Die Koalitionäre in Berlin sind sich ausnahmsweise mal einig. Kommt es wie geplant, wird der Beitrag für die Pflegeversicherung von derzeit 1,7 Prozent beziehungsweise 1,95 Prozent für Kinderlose um 0,5 Prozentpunkte erhöht.

Das spült zusätzliche fünf Milliarden Euro in die Kassen der Pflegeversicherung. Mit dem Geld sollen vor allem die Leistungen der Pflegeversicherung ausgeweitet werden, etwa um eine verbesserte Versorgung von Demenzkranken. Künftig sollen die Pflegesätze stetig angehoben werden.

Da ist es aber auch schon vorbei mit der Einigkeit. Vielleicht noch abgesehen davon, dass Union und SPD es bei der Beitragserhöhung nicht belassen wollen. Die Finanzierung der Pflegeversicherung soll auf neue Beine gestellt werden. Kommenden Montag soll sich der Koalitionsausschuss mit dem Thema befassen.

Ausgaben steigen

Die Politiker treibt die Erkenntnis, dass mit der zunehmenden Alterung der Gesellschaft die Kosten in der Pflege bald deutlich steigen werden.

Heute erhalten über zwei Millionen Menschen Leistungen aus der Pflegeversicherung. Etwa 250.000 Menschen arbeiten in der Branche. Aber: In den kommenden 30 Jahren wird die Zahl der Pflegebedürftigen auf über drei Millionen Menschen anwachsen. Und die müssen von etwa 50.000 zusätzlichen Pflegekräften betreut werden.

Wie schon in der Gesundheitsreform prallen in der Debatte um die Finanzierung zwei Welten aufeinander. Die Union will die private Eigenvorsorge stärken und wünscht sich eine kapitalgedeckte Lösung. Die SPD will ihre Idee von der Bürgerversicherung wieder aufleben lassen. Die Trennung zwischen privater und gesetzlicher Versicherng wird aufgehoben, alle zahlen in eine Kasse ein.

Am ehesten scheint sich die Koalition auf eine kapitalgedeckte Vorsorge per Demographie-Reserve innerhalb der Pflegeversicherung verständigen zu können. Im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD ist diese Reserve noch ausdrücklich vorgesehen. Dafür würde ein umfangreicher Kapitalstock aufgebaut, aus dem zusätzliche Kosten finanziert würden.

Das Konzept des pflegepolitischen Sprechers der Unionsfraktion Willi Zylajew (CDU) sieht einen Kapitalstock von vier Milliarden Euro jährlich vor. Bis in 20 Jahren viele Menschen aus den geburtenstarken Jahrgängen ab 1948 pflegebedürftig würden, könne das Kapital durch Zinsen und Zinseszinsen auf 133 Milliarden anwachsen. Damit könne ein Großteil des Finanzbedarfs im Pflegesystem finanziert werden, so Zylajew.

Die Substanz des Kapitalstocks könne danach abgeschmolzen werden, da für die geburtenschwachen Jahrgänge ab 1969 weniger Geld im Pflegesystem benötigt werde.

Die SPD steht zwar zur Demographie-Reserve - allerdings nur, wenn zugleich die Bürgerversicherung eingeführt wird. Alle anderen kapitalgedeckten Lösungen lehnt die Partei ab.

Auch der Wirtschaftsweise Bert Rürup ist skeptisch gegenüber der Demographie-Reserve, denn dafür müssten die Beitragszahler eine Zeit lang tiefer in die Tasche greifen, ohne entsprechend mehr Leistungen erwarten zu können.

Variante zwei wäre ein Riester-Bonus. Wer will, kann durch einen staatlich geförderten Zusatzsparplan in der Riester-Rente sein Alterseinkommen erhöhen und daraus die zu erwartenden höheren Pflegeversicherungsbeiträge bezahlen.

Das hätte noch einen Vorteil: Den Älteren könnten dann höhere Beiträge abverlangt werden als den Jungen. Rürup nennt das Beitragssplitting und hält das für eine gute Idee, auch wenn das die Älteren nicht freuen dürfte. Denn: Es ist unbestritten, dass immer weniger junge Menschen dauerhaft nicht die Risiken von immer mehr älteren Menschen finanzieren können.

Leistungen könnten eingefroren werden

Um die Kosten in den Griff zu bekommen, könnten die Koalitionäre aber auch das Nächstliegende tun: sparen. Das aber wüde bedeuten, die Leistungen der Pflegeversicherung weniger stark als geplant auszubauen oder im Zweifel zu kürzen. Schritte, die zu erheblichen Ungerechtigkeiten führen können, wenn die eine Alterskrankheit aus der Pflegeversicherung finanziert wird und die andere nicht.

Möglich wäre auch, die Preise für Pflegedienstleistungen weiter einzufrieren. Allerdings warnen Experten, die Qualität werde sich sicher nicht verbessern, wenn im Jahr 2030 ein ambulante Altenpflegerin zu den Preisen von 2007 arbeiten müsste.

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