Pflege:Aus drei mach eins

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Unklar ist, welchen Stoff Pflege-Azubis lernen sollen. (Foto: Fredrik Von Erichsen/dpa)

Die Koalition findet keine gemeinsame Linie für die Reform der Pflegeberufe - ein Jahr dümpelt der Entwurf nun schon durch den Bundestag.

Von Kim Björn Becker, München

Ziemlich genau ein Jahr ist es jetzt her, da wurde an einem Freitagmorgen im Plenarsaal des Bundestages der Tagesordnungspunkt 19 aufgerufen: "Reform der Pflegeberufe". In dem Gesetzentwurf schlug Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) gemeinsam mit Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) vor, die bislang getrennten Ausbildungen zum Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpfleger zusammenzulegen. Das ist eine große Reform, an deren Ende es keine drei einzelnen Berufe mehr geben sollte, sondern nur noch einen: Pflegefachfrau beziehungsweise Pflegefachmann. Zudem sollen Auszubildende kein Schulgeld mehr bezahlen müssen. Doch bis heute ist völlig unklar, ob die sogenannte generalistische Pflegeausbildung, bei der die Auszubildenden wesentliche Teile des Stoffes gemeinsam lernen und sich danach fachlich spezialisieren können, jemals umgesetzt wird.

Denn obwohl das Gesetz nun schon seit mehr als einem Jahr im parlamentarischen Verfahren feststeckt, ist es der Koalition nicht gelungen, eine gemeinsame Linie zu finden. Es geht dabei im Wesentlichen um die Frage, wie viel Stoff die Azubis in Zukunft gemeinsam lernen sollen und wie groß der Anteil der fachlichen Vertiefung sein muss. Manche Arbeitgeber und Gewerkschaften sind von dem Gesetzentwurf nicht gerade begeistert, doch vor allem in der Unionsfraktion fordern einige, dass die Spezialisierung keinesfalls zu kurz kommen dürfe. Es gebe da nach wie vor "massive Bedenken", sagte der stellvertretende Fraktionschef Georg Nüßlein (CSU) der Süddeutschen Zeitung. Er plädierte für eine "behutsamere" Reform, bei der die Alten- und die Kinderkrankenpflege als eigenständige Berufe erhalten bleiben. Nur bei den Grundlagen der Pflege sei es sinnvoll, dass alle drei Gruppen von Auszubildenden gemeinsam lernen.

Darüber hinaus, sagte Nüßlein, seien einige Abgeordnete nicht davon überzeugt, dass die Reform die Altenpflege aufwertet.

Genau davon geht Gesundheitsminister Gröhe nämlich aus: Er argumentiert, dass die Generalistik den neuen Absolventen mehr Möglichkeiten bietet, zum Beispiel von der schlechter bezahlten Altenpflege in die besser vergütete Krankenpflege zu wechseln. Der stärkere Wettbewerb zwischen den Berufen werde die Betreiber von Pflegeheimen dazu veranlassen, ihre Altenpfleger besser zu bezahlen, das mache den Job attraktiver. Nüßlein warnte hingegen davor, dass die Reform dazu führen könnte, dass die Altenpflege de facto "abgeschafft" werde: "Ich sehe nicht, dass die Altenpflege dadurch attraktiver wird. Im Gegenteil, es werden nach einer generalistischen Ausbildung weniger Kräfte den Altenpflegeberuf ergreifen."

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach zeigte sich zuversichtlich, dass die Koalition bald einen Kompromiss findet. "Die Generalistik führt dazu, dass der Abschluss mehr wert ist, weil die Absolventen leichter wechseln können und besser bezahlt werden", sagte er der SZ. Mittelfristig gebe es in der Pflege einen "riesigen Notstand", da müsse die Politik frühzeitig gegensteuern. Es sei "nicht vermittelbar", so Lauterbach, wenn Union und SPD in dem gegenwärtigen Streit keine Einigung zustande brächten. Auch Gesundheitsminister Gröhe zeigte sich am Donnerstag in der ARD zuversichtlich, dass ein Kompromiss noch vor dem Ende der Legislaturperiode gelingt: "Ich bin überzeugt, wir schaffen das." Es gehe dabei nicht nur um gute Pflege, sondern auch darum, "möglichst viele Menschen mitzunehmen, die diese Tätigkeit ausüben wollen".

Um die Blockade im Bundestag zu beenden, sollte eigentlich der Koalitionsausschuss Anfang März eine mehrheitsfähige Lösung festklopfen. Doch dann wurde das Treffen kurzfristig verschoben. Aus Koalitionskreisen heißt es nun, es werde derzeit so "intensiv" an einer Lösung gearbeitet, dass eine spätere Befassung des Koalitionsausschusses mit der Pflegeberufsreform sogar "überflüssig" sein könne.

Befürworter einer generalistischen Pflegeausbildung rügen derweil, dass es bei der Reform seit Monaten nicht vorangeht. "Völlig unverständlich" nennt Andreas Westerfellhaus, der Vorsitzende des Deutschen Pflegerats, die Blockade von Teilen der Unionsfraktion. "Die Politik formuliert immer ihre Wertschätzung für die Pflege. Aber wenn es ans Abstimmen geht, passiert nichts", sagte er. Der Pflegerat ist ein Dachverband der Branche, er veranstaltet in diesen Tagen den "Deutschen Pflegetag" in Berlin. Dort werden etwa 8000 Teilnehmer erwartet.

© SZ vom 24.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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