Peschmerga:Unsere Freunde im Nordirak

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Ein Peschmerga feuert östlich von Mossul auf Stellungen des Islamischen Staates. (Foto: Jim Lopez/AFP)

Den Kurden geht im Kampf gegen den "Islamischen Staat" das Geld aus. Nun soll Deutschland zahlen, obwohl es im Kurdengebiet um Menschenrechte schlecht steht.

Von Tomas Avenarius

Für einen kurzen Moment waren sie die allerletzte Bastion im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat: Als die Kalifatskrieger im Sommer 2014 weite Teile des Nordirak eroberten, wurden sie von den Kurden aufgehalten. Auch wenn die "Peschmerga"-Kämpfer ihre Grenze nur mit Hilfe der US-Luftwaffe halten konnten, gelten die Milizen des nordirakischen Autonomiegebiets seitdem als einer der wichtigsten Partner im westlich-arabischen Bündnis gegen den IS. Weshalb die irakischen Kurden auch von Deutschland bewaffnet und ausgebildet werden.

Doch nun geht den Kurden im Kampf gegen den IS das Geld aus. Das Autonomie-Gebiet, das inzwischen fast ein de-facto-Staat ist, lebt vom Erdöl. Dessen Preis verfällt rapide, von rund 100 Dollar innerhalb etwa eines Jahres auf unter 30 Dollar. "Die größte Gefahr für irakisch-Kurdistan ist nicht der Islamische Staat, sondern unsere Wirtschaftslage", warnt ein kurdischer Politiker in Erbil. Ein ranghohes Regierungsmitglied der Autonomieregion, bringt es noch griffiger auf den Punkt: "Ein Land, das gerade bankrott geht, kann keinen Krieg gewinnen."

Auf Hilfe aus Bagdad braucht die klamme Kurdenführung nicht zu hoffen. Zum einen ist sie mit der irakischen Zentralregierung total zerstritten, sie verkauft ihr Öl gegen deren Willen seit Längerem in eigener Regie. Zum anderen führt auch Bagdad einen teuren Krieg gegen den IS, leidet dabei ebenso unter dem Ölpreis-Fiasko. Weshalb sich die Hoffnungen und Forderungen der Kurdenführung auf Partner wie Deutschland konzentrieren.

Kein Wunder, dass die Bitte und Forderung nach Finanzhilfe aus Berlin weit oben stand auf der Agenda kurdischer Politiker bei ihren Treffen mit Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth, die jüngst sowohl Bagdad als auch Erbil besucht hatte. Was sie interessierte: Wofür die Öleinnahmen in den vergangenen Jahren denn verwendet wurden, wohin all die Milliarden verschwanden, wenn jetzt die Kassen leer sind?

Wo sind eigentlich all die Milliarden aus den Ölgeschäften hin?

Oppositionspolitiker wie Mohamed Taufiq Rahim von der jüngst erst aus der Regierung ausgeschiedenen Bewegung " Goran" behaupten, die kurdischen Machthaber hätten "bis zu 80 Milliarden Dollar", die sie in den vergangenen Jahren mit dem Rohstoff verdient hätten, an der Staatskasse vorbei ins Ausland geschafft. Belege liefert der Goran-Politiker keine.

Klar scheint aber zu sein, dass zumindest Teile des seit 2003 mit Öl verdienten Geldes nicht in Fonds oder anderen Finanzinstrumenten angelegt wurden, die in der derzeitigen Krise jederzeit abrufbar wären. Jedenfalls kann die Kurdenführung nicht einmal mehr die Staatsbediensteten bezahlen; die Gehälter werden seit September nicht mehr ausbezahlt. Selbst die Peschmerga-Kämpfer bekommen nur Teile ihres Soldes: Viele derer, "die dem Tod ins Auge sehen", verlassen die IS-Front regelmäßig, um Geld für ihre Familien zu verdienen. Die Kurden sind pleite, bleiben aber wegen ihrer Rolle im Kampf gegen den IS und ihrer Funktion als Herbergsväter für 1,8 Millionen innerirakische und syrische Flüchtlinge im Nordirak in einer halbwegs komfortablen Lage: Ohne sie geht nichts, ohne sie drohen auch die Flüchtlinge weiterzuwandern. Die Peschmerga seien im Krieg gegen den IS der wichtigste Verbündete, so lautet die Eigenwerbung der Kurden in Erbil. Auch bei der Münchner Sicherheitskonferenz forderte die Delegation von Kurdenpräsident Massud Barsani von europäischen und nahöstlichen Regierungsvertretern Geld. "Die Europäer haben versprochen, die Wirtschaftsbeziehungen mit der Kurdenregion auszubauen, weil dies die Wirtschaft stärke" sagte Barsanis Stabschef Fuad Hussein. "Sie wollen auch über die Lage der Peschmerga beraten, die finanzielle Unterstützung brauchen." Ein anderer Berater Barsanis hatte von den USA Hilfe gefordert und auch Zahlen genannt: Monatlich bedürfe es im Kampf gegen den IS allein für den Unterhalt der Peschmerga-Armee einer Nothilfe von 300 Millionen Dollar "für den Sold, die Logistik und den Transport". Eine ziemlich stattliche Rechnung.

Die Regierung versorgt Familienmitglieder gerne mit Jobs

Auch ohne Finanzprobleme sind die Kurden ein schwieriger Partner. Das einzige Erfolgsmodell des Nach-Saddam-Irak wurde die Kurdenregion lange genannt, neben dem langjährigen Wirtschaftsboom gab es eine gewisse Demokratisierung. Doch um die ist es schlecht bestellt. Seit 2003 regieren die zwei großen Kurdenparteien, die als Peschmerga-Milizen gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein gekämpft und dabei zeitweise Bürgerkrieg gegeneinander geführt hatten. Heute sind sie Partner. Chef der KDP ist Kurdenpräsident Massud Barsani, seine Partei bleibt in Feudalstrukturen verfangen. An zweiter Stelle steht die PUK, sie gilt zwar als "sozialdemokratisch", trägt aber wie die KDP Züge eines Familienbetriebes, der seine Mitglieder mit Jobs versorgt.

Probleme hat vor allem die PUK. Ihr Gründervater, Iraks ehemaliger Staatspräsident Dschalal Talabani, ist seit einem Schlaganfall ein Pflegefall, seine Partei ist vom Diadochenkampf gelähmt. Die dritte Partei, das junge Protestbündnis Goran, regierte zwar bis vor Kurzem in Erbil mit. Doch inzwischen ist der Streit zwischen den drei Kurdenparteien so heftig geworden, dass Barsani dem Parlamentschef, einem Goran-Politiker, den Zutritt ins Hohe Haus verwehrt: Weshalb die Goran-Minister kurzerhand das Kabinett verließen.

Um Meinungs- und Pressefreiheit sei es ebenfalls schlecht bestellt, so Aktivist Kamal Chomani. Die TV-Sender seien Sprachrohre von KDP und PUK, unabhängige Blätter würden mundtot gemacht, kritische Journalisten bedroht oder sogar umgebracht, wenn sie über Machtmissbrauch berichteten: "Seit 2011 sind die unabhängigen Medien stark geschwächt."

Das sind die politischen Freunde, denen Deutschland seit Herbst 2014 Milan-Panzerabwehrraketen und G36-Gewehre liefert, die Peschmerga nahe Erbil in diesen Waffen ausbilden lässt. Berlin hat sein Kurdenengagement jüngst sogar ausgedehnt: Die Zahl der Bundeswehrsoldaten im Ausbildungsprogramm wurde auf 150 erhöht.

© SZ vom 17.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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