Personenstandsrecht:Transsexuell, nicht krank

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Grünen-Politiker Volker Beck fordert mehr Respekt für Transsexuelle. (Foto: Jorg Carstensen/AFP)

Der Grünen-Politiker Volker Beck will für Betroffene die Änderung des Namens im Pass erleichtern. Bisher waren dafür zwei psychiatrische Gutachten notwendig.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Wer sich mit seinem biologischen Geschlecht nicht identifiziert und seinen Vornamen oder die Geschlechtsangabe im Pass ändern will, soll nicht mehr wie ein psychisch Kranker behandelt werden. Das fordern die Grünen im Bundestag, die noch in dieser Legislatur eine Reform des Transsexuellenrechts vorlegen wollen. Im Umgang mit Menschen, die sich einem anderen Geschlecht zugehörig fühlten als dem bei Geburt zugeordneten sei "grundsätzliches Umdenken" nötig, sagte der Grünen-Abgeordnete Volker Beck der Süddeutschen Zeitung. "Wir müssen vom Respekt vor der geschlechtlichen Identität eines Menschen aus denken, seine Selbstwahrnehmung und Entscheidung ernst nehmen und dürfen ihm nicht von außen unserer Vorstellungen aufzwingen."

Will ein transidenter oder transsexueller Mensch seinen Vornamen oder die Geschlechtsangabe im Pass ändern lassen, muss er vor Gericht zwei psychiatrische Gutachten vorlegen. Zudem muss belegt sein, dass die Person sich nicht mit dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen Geschlecht identifiziert und "seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben".

Menschen, die sich im angeborenen Körper nicht daheim fühlen, können das mit Hilfe von Operationen ändern. Diese medizinische Geschlechtsanpassung ist mit umfangreicher psychologischer Begutachtung verbunden. Daran wollen auch die Grünen nichts ändern. Abschaffen wollen sie die Vorschrift, wonach auch für eine Namensänderung zwei psychiatrische Gutachten notwendig sind. Viele Transsexuelle empfinden die Prozedur als unnötig belastend, teuer und bisweilen demütigend. In einer Studie des Deutschen Jugendinstituts über das Coming-Out Jugendlicher beklagten 46 Prozent der befragten Trans-Jugendlichen unverhältnismäßig lange Begutachtungen vor ihrer Namensänderung. Fast alle fanden Fragen zu intim, teilweise sei detailliert nach sexuellen Erlebnissen oder Missbrauchserfahrungen gefragt worden. Solchen Fragen liegt die Vorstellung zu Grunde, Transsexualität sei eine psychische Krankheit. Die Weltgesundheitsorganisation, die Transsexualität bisher als "Geschlechtsidentitätsstörung" klassifizierte, rückt davon inzwischen ab. Sie spricht von gender incongruence, also von Nicht-Übereinstimmung mit Geschlechtsmerkmalen. "Trans-Menschen haben in der Regel kein Problem mit ihrer geschlechtlichen Identität, sondern nur mit der Reaktion der Gesellschaft hierauf", sagt der Grüne Beck. Seine Partei will Personenstandsänderungen zum Verwaltungsakt machen, der ohne Gericht und Gutachten auskommt. Eine junge Intersexuelle ist am Donnerstag mit dem Versuch gescheitert, sich als Geschlecht eine dritte Variante wie "inter" oder "divers" eintragen zu lassen. Das sei nach geltendem Recht nicht möglich, urteilte der Bundesgerichtshof. Vanja wurde als Mädchen ins Geburtenregister eingetragen, sieht sich aber weder als Frau noch als Mann.

© SZ vom 05.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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