Paul Schäfer:Gründer der "Colonia Dignidad" ist tot

Lesezeit: 2 Min.

Paul Schäfer, der frühere Chef der "Colonia Dignidad", ist im Gefängnis gestorben. Sein Tod könnte nun die Aufklärung über die Foltersiedlung verhindern.

Der Gründer der berüchtigten Deutschen-Siedlung "Colonia Dignidad" in Chile, Paul Schäfer, ist im Alter von 88 Jahren gestorben. Nach Angaben von Polizei und Justizbehörden starb Schäfer am Samstag in einem Gefängniskrankenhaus in Santiago de Chile an einem schweren Herzleiden. In dem Gefängnis saß er eine 20-jährige Haftstrafe wegen Kindesmissbrauchs und Quälerei während der Militärdiktatur von 1973 bis 1990 ab.

Colonia-Dignidad-Gründer Paul Schäfer: Verhindert sein Tod die Aufklärung? (Foto: Foto: Reuters)

In den Stunden vor seinem Tod verschlechterte sich Schäfers Zustand den Angaben zufolge rapide. Er starb demnach am Samstagmorgen um 7.20 Uhr (Ortszeit, 13.20 Uhr MESZ). Der frühere Wehrmachtsgefreite war bereits seit Juli vergangenen Jahres wegen Herzproblemen behandelt worden.

Schäfer war 2006 wegen Missbrauchs von rund 20 Kindern in der Siedlung und Quälerei verurteilt worden. Die Justiz hatte ihn zudem des Waffenschmuggels für schuldig befunden und für den Mord an einem Gefolgsmann der Militärdiktatur unter General Augusto Pinochet sowie das Verschwinden eines linken Oppositionspolitikers verantwortlich gemacht. Schäfer war nach jahrelanger Flucht 2005 in Argentinien gefasst und dann nach Chile überstellt worden.

Der Tod Schäfers schiebe den Ermittlungen gegen ihn und die Siedlung "einen Riegel vor", da gegen Verstorbene nicht ermittelt werde, erklärte der chilenische Präsident Sebastián Piñera. "Doch wir wissen, dass es eine Gerechtigkeit gibt, die niemals enden wird - die göttliche Gerechtigkeit."

Demgegenüber forderte der Anwalt Hernan Fernandez, der Missbrauchsopfer vertritt, das Ableben Schäfers dürfe die Arbeit der Justiz nicht beeinträchtigen. Vielmehr müsse der Tod den "endgültigen Anstoß" geben, Entschädigung und Gerechtigkeit walten zu lassen.

Schäfer war nach dem Zweiten Weltkrieg aus Deutschland geflohen und hatte 1961 in Südchile die sektenartig organisierte "Colonia Dignidad" gegründet. Im Laufe der Zeit lebten rund 300 Deutsche dort. Schäfer soll während der Pinochet-Diktatur politische Gefangene auf dem 13.000 Hektar großen Gelände zu Tode foltern lassen und Minderjährige sexuell missbraucht haben. Der auch in Deutschland von den Strafbehörden gesuchte Schäfer bestritt dies stets.

Die Kolonie, die seit 1991 "Villa Baviera" ("Bayerisches Dorf") heißt, diente auch als Nazi-Fluchtburg. Nach außen hin wurde sie als landwirtschaftliches Vorzeigeprojekt präsentiert. Schäfer leitete sie unter Einsatz von Psychoterror, Unterdrückung, Zwang zur Beichte und der Pflicht zum absoluten Gehorsam. Nach dem Militärputsch 1973 diente die "Kolonie der Würde" als Folterzentrum der Militärs. Laut Zeugenberichten leitete Schäfer persönlich die Folterungen linksgerichteter Regimegegner.

Aussteiger berichteten von Vergewaltigungen. Im November 2004 wurden erstmals mehrere Führer der Kolonie wegen Kindesmissbrauchs verurteilt. Die Not- und Interessengemeinschaft der Geschädigten von "Colonia Dignidad" in Deutschland forderte die chilenischen Behörden auf, dass nach Schäfers Tod auch seine "Helfershelfer endlich ihre Strafe antreten müssen".

© AFP/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: