Parteitag der Saar-Linken:Wo der "Furz" quersitzt

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Oskar Lafontaine will Ministerpräsident des Saarlandes werden. Hindern können ihn daran nur die Wähler und SPD-Landeschef Heiko Maas.

Thorsten Denkler, Neunkirchen

Vielleicht ist es nur Zufall, wie Rolf Linsler, Landeschef der Linken an der Saar, den Namen Lafontaine ausspricht. Er zieht das gesprochene Ä im "-taine" lang und klingt dabei ziemlich stimmbrüchig. Mit geschlossenen Augen klingt dieses Ä so, als hätte es ein anderer, ungleich bekannterer Sozialistenführer ausgesprochen: Erich Honecker.

Oben auf: der frühere Saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Foto: Foto: ddp)

Und wie es der Zufall will, ist Honecker auch noch der wohl berühmteste Sohn jener Stadt Neunkirchen, in der heute die Linke ihren Landesparteitag abhält. Und hier im Neunkirchener Bürgerhaus war es auch, als "Lafontäääne", damals schon Ministerpräsident des Saarlandes, 1987 den Generalsekretär der SED und Staatsratsvorsitzen empfangen hat.

Hier steht er nun, als Partei- und Fraktionschef der Nachfolgepartei von Honeckers SED und will Ministerpräsident in Honeckers Heimat, dem Saarland werden. Hier und heute hat er sich zum Spitzenkandidaten der Saar-Linken küren lassen, mit einem Traumergenis von 92,4 Prozent.

Es wird ganz still, als er wenige Stunden zuvor an das Rednerpult tritt. Der Raum ist inzwischen voll besetzt. 130 Delegierte und noch mal so viele Gäste. Lafontaine soll ihnen eine Hoffnung machen, die bei vielen schon den Grad der Gewissheit erreicht hat: Die Linke wird nach der Landtagswahl 2009 das Land führen.

Richtungswechsel von der Saar

Es geht dabei nicht allein um das kleine Saarland mit seiner knappen Millionen Einwohner. Lafontaine will, dass für ganz Deutschland ein Signal für einen Richtungswechsel von der Saar ausgehen müsse. Kleines Land ganz groß, so hätte es Lafontaine gerne.

Über eine Stunde wird Lafontaine in dem überhitzen Saal sprechen. Irgendwann zieht er sein Jackett aus unter dem sein durchnässtes Hemd zum Vorschein kommt. Es dampft, es brodelt. Bierzelt-Atmosphäre. Lafontaine macht das, was er am Besten kann: reden.

Lafontaine redet sich in Rage, spricht über törichte Politiker, denen die "Hirne zugenagelt" sein müssten, weil sie nicht begriffen, dass es ein Ende haben müsse mit Steuern senken. Dass dem Land so 120 Milliarden Euro jährlich entgingen die für Bildung und Infrastruktur fehlten.

Und er spricht über seine Erfolge als Ministerpräsident des Saarlandes. 13 Jahre hat er das Land regiert, immer mit absoluter Mehrheit. Er sagt nicht "ich", er sagt "wir", wenn er von der Zeit spricht, von den großen Unternehmensansiedlungen, von den Infrastrukturprojekten, von der Bergbau- und Industriepolitik unter seiner Führung.

Immer wieder: "Wir". Ausdrücklich schließt er die damals beteiligten Gewerkschafter und Sozialdemokraten ein.

Man fragt sich, wie SPD-Landeschef Heiko Maas eigentlich gegen Lafontaine Wahlkampf machen will. Wenn Maas die Erfolge sozialdemokratischer Regierungspolitik im Saarland verkaufen will steht Lafontaine schon mit der Glocke daneben und ruft: "Wir waren es."

Lafontaines Gegner steht fest: Peter Müller (CDU), amtierender Ministerpräsident. Der vertrete keine soziale, sondern eine "asoziale Marktwirtschaft". Müller habe für das Land nichts geleistet. Wenn neue Arbeitsplätze an der Saar entstanden seien, dann liege das nicht an Müller: "Arbeitsplätze kommen nicht an die Saar, wenn man mit dem Hintern in der Staatskanzlei hockt!"

Überdies verbitte er sich, die Linke immer wieder als Nachfolgepartei der SED darzustellen. Es sei ja wohl die CDU gewesen, die sich die "Blockflöten" der Ost-CDU einverleibt habe und die dann Karriere in der Partei gemacht hätten. Die Bundeskanzlerin nimmt Lafontaine da nicht aus. "Frau Merkel war Jungkommunistin! Das ist die Wahrheit."

Lesen Sie auf Seite 2, wie Lafontaine mit der SPD umgeht.

Die SPD und Heiko Maas dagegen verschont er. Im Gegenteil, er erneuert sein Koalitionsangebot "auf Augenhöhe". Und das geht so: "Wer mehr Stimmen bekommt, soll auch den Ministertpräsidenten stellen."

Nur an einer Stelle will Lafontaine die SPD "nicht aus dem Schwitzkasten lassen". Müller los werden geht nur gemeinsam. Linke mit der SPD. Darum müsse Maas ausschließen, mit der CDU Gespräche über eine mögliche Große Koalition nach der Landtagswahl zu führen.

Er erwartet dazu von der SPD eine klare Erklärung. Die wird nicht kommen können. Maas hat sich festgelegt: Mit der Linken nur, wenn die SPD stärker ist. Befindlichkeiten, nennt Lafontaine das.

Ob die Saar-SPD dann tatsächlich mit der CDU Bergbaupolitik machen wolle, oder Industriepolitik, oder die Studiengebühren und das achtjährige Gymnasium abschaffen wolle, fragt Lafontaine und brüllt in die johlende Menge hinein: "Man kann doch nicht das eigene Programm fressen, nur weil einem irgendein Furz quersitzt!"

Neben der Frage, ob er genügend Stimmen zusammenbekommt ist Maas das größte Problem für Lafontaine. Der nimmt Lafontaine heute noch übel, dass der zwei Wochen vor der Landtagswahl im Frühjahr 2005 die Partei verlassen hat.

Sein Stellvertreter als SPD-Landeschef, Eugen Roth, nimmt das gelassener: "Das ist vergossene Milch." Er und Lafontaine kennen sich seit über 20 Jahren. Da geht so schnell nichts in die Brüche, schon gar nicht unter Saarländern. Der Mann mit dem ergrauten Schnauzer ist hier, weil er DGB-Chef im Saarland ist. Ein Grußwort spricht er. "Sind ja alles Gewerkschafter hier", sagt er, da macht er das gerne.

Ein gelungener Annäherungsversuch

Wenn man es nicht besser wüsste, es wäre nicht zu sagen, ob dieser Mann nicht gerade einen Mitgliedsantrag für die Linke unterschrieben hat. Dass die Linke eine demokratische Partei sei, dass die Gewerkschafter zusammenhalten sollen, egal in welcher Partei sie sich engagierten.

Es gehe ihm "persönlich gegen den Strich" wenn man versuche, die Linke zu radikalisieren. Das seien alles Demokraten "mit strammen Überzeugungen". "Wer so gegen die Linke geht, ist auf dem rechten Auge blind", sagt der SPD-Vize von der Saar und erntet großen Beifall von den Delegierten der Linken. Man könnte das auch einen gelungenen Annäherungsversuch nennen.

Roth ist nicht alleine gekommen. Fast alles Landeschefs der großen Gewerkschaften sind da, von Verdi, über die GEW bis hin zu Polizeigewerkschaft und der IG Metall. Wenn es nach denen geht, ist es egal, wer die nächste Landesregierung führen wird. Hauptsache es ist ein Roter. Für Maas könnte das noch ein Problem werden. Wenn es das nicht längst ist.

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