Parteien im Netz (1): FDP:"Achtung, Solms!"

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Realsatire bei den Liberalen: Die Youtubisierung der Politik ist auch in Deutschland angekommen. Mancher FDP-Abgeordnete wird online zum Kabarettisten.

Carolin Gasteiger

Irgendjemand bei der FDP muss "Hauser und Kienzle" im ZDF ganz hervorragend gefunden haben. Vor vielen Jahren redeten die TV-Moderatoren Bodo Hauser und Ulrich Kienzle im Magazin "Frontal" gezielt aneinander vorbei.

Können wir auch, dachten sie sich wohl bei den Liberalen. So etwas Ähnliches wäre doch ein Hit für "Tvliberal - Opposition live", das Internet-Angebot der FDP-Bundestagsfraktion, das vor allem Videos bietet. Und so kam es zur Soap "Fricke und Solms", einer Realsatire, bei der ähnlich wie bei Dick und Doof kein Auge trocken bleibt.

Der FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms und der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke liefern sich hier unter Kamerabeobachtung einen monatlichen Schlagabtausch, der ganz von deutscher Dialogkunst lebt. Mal im Büro, mal "on the road" - ohne Skript oder Vorgaben. Alles ganz spontan.

Das aktuelle Video - spritziger Name: "Sprit(z)tour" - ist besonders gelungen. Solms sitzt am Steuer und fährt seinen Kollegen Fricke in einem schnittigen Oldtimer-Cabrio zum Bahnhof. "Solms, dann drücken Sie doch mal aufs Gas. Sie sind doch sonst nicht so sparsam", stichelt Fricke vorlaut, als sei Benzin billig wie ein Brötchen.

Daraufhin beginnt der bedächtige Solms dramaturgisch korrekt über die hohen Finanzlasten zu lamentieren: "Die Sauerei mit den Steuern - das geht doch so nicht weiter". Die beiden im Auto plaudern ganz freiheitlich weiter. "Achtung, Solms!", ruft Fricke plötzlich, als sein Kompagnon gerade herzhaft über die Ökosteuer herzieht - und dabei den Straßenverkehr übersieht. Hoppla, fast hätte es einen Unfall gegeben.

"Grade noch, Fricke!", seufzt Finanzexperte Solms, nachdem sich beide kräftig in die Kurve gelegt haben. Das Geplausche endet vor dem Blue-Box-animierten Hintergrund im TV-Studio. Dort steigen Fricke und Solms glücklich aus dem historischen Gefährt: "Sehen Sie Fricke, Bahnhof, bremsen, geschafft."

Die Liberalen gelten als Internet-Vorreiter unter den Parteien. Neben den konventionellen Websites der Partei und von Parteichef Guido Westerwelle versuchen sie allerlei, um junge Wähler an sich zu binden: Weblogs, Podcasts, SMS-Service und eben Videos.

Schon im Bundestagswahlkampf 2002 gab sich die FDP betont lässig als Spaßpartei. Spitzenkandidat Westerwelle tourte im Guidomobil durchs Land. Ähnlich gewollt "spaßige" Episoden folgten schließlich im Internet: Dolly Buster warb mit prallen Argumenten für die damalige 18-Prozent-Partei, ein Werbespot mit dem Schauspieler Sky du Mont zur Hamburgwahl aber bescherte der Partei mehr Spott als Wählerzulauf.

Nicht nur kreatives Hick-Hack

Die peinlichen Ausrutscher verkraftete die FDP aber leicht. Als eine der ersten politischen Institutionen lancierte die Bundestagsfraktion der Liberalen im vergangenen Sommer einen eigenen Youtube-Channel. Auf diesem Online-Kanal zeigt die Partei nach Belieben multimediale Inhalte und will so besonders das internetaffine Publikum ansprechen. Das Hick-Hack der wirtschaftsfreundlichen Abgeordneten Solms und Fricke ist nur einer von mehreren kreativen Akten.

In "Peters Woche" beispielsweise zieht der FDP-Abgeordnete Heinz Peter Haustein aus dem Erzgebirge jeden Freitag vom Leder. Der Mann sucht im wahren Leben ja leidenschaftlich nach dem Bernsteinzimmer, im FDP-Internetfernsehen jedoch grüßt der selbsterklärte Fußballfan schon mal munter in die Kamera: "Hallo Leute, Mensch, das war wieder ein Spiel gestern".

In einer Episode schwenkt er ein wenig holprig vom Fußball zur Politik und vergleicht den EU-Reformvertrag mit dem Halbfinale einer Fußball-EM. In sächsischem Dialekt lässt er sich vom Schreibtisch weg über die "irren Iren" aus - selten hat das Wort Schreibtischtäter besser gepasst.

Je irrer, je besser: Die Videokolumnen im Dienst der liberalen Sache kommen an. Seit dem Start des Youtube-Channels im September 2007 haben etwa 320.000 Internet-User das Portal besucht. Die nächsten Videokolumnen sind nach Angaben des FDP-Manns Carsten Reymann, der den Youtube-Channel betreut, schon in Planung: Europa-Experte Michael Link soll darin mit "Link zu Europa" für die EU begeistern. Und die Serie "Auf dem Weg" wird Bundestagsabgeordnete auf dem Weg zur Arbeit porträtieren. Alle sind gespannt, ob darin auch ein Oldtimer vorkommen wird.

Ob die Online-Aktivitäten der Partei mehr Wähler bescheren, bleibt trotz des redlichen Bemühens fraglich. Generell ist es mit der Politik im Internet in Deutschland noch nicht weit her. "Es gibt in Deutschland keine nennenswerte politische Weblog-Kultur", räumt Politikwissenschaftler Christoph Bieber gegenüber der Süddeutschen Zeitung ein.

Aber wer weiß: Vielleicht schaffen es "Fricke und Solms" wie ihre ZDF-Vorbilder ja irgendwann ins richtige Fernsehen - und sei es im Werbespot zur Bundestagswahl.

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