Parteien:Grüne suchen neue Balance zwischen Öko und Öffnung

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Berlin (dpa) - In einer leidenschaftlichen Debatte haben die Grünen um eine neue Balance zwischen ökologischen Grundwerten und Öffnung der Partei nach allen Seiten gerungen.

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Berlin (dpa) - In einer leidenschaftlichen Debatte haben die Grünen um eine neue Balance zwischen ökologischen Grundwerten und Öffnung der Partei nach allen Seiten gerungen.

Trotz massiver Differenzen zeigten sich die Führungsleute einig, dass der Kurs nach der Wahlniederlage weg führen müsse von altem rot-grünen Lagerdenken. Gelten müsse wieder: „Wir sind nicht links, wir sind nicht rechts. Wir sind vorne“, sagte Parteichef Cem Özdemir zum Auftakt des dreitägigen Parteitags am Freitag in Berlin.

Die Grünen-Spitze warnte die rund 800 Delegierten vor Orientierungslosigkeit und Selbstzerfleischung. „Wir sind 33 Jahre alt, also im allerbesten Alter. Da müssen wir uns klar sein, wo wir stehen und wer wir sind“, sagte Özdemir. „Eigenständigkeit ist keine Chiffre für Schwarz-Grün. Eigenständigkeit kann genauso auch bedeuten Rot-Rot-Grün oder besser Rot-Grün-Rot.“

Özdemir forderte, Lehren aus der Wahlniederlage zu ziehen, aber nicht alles anders zu machen. „Unser Wahlergebnis tut weh.“ So hätten die Menschen den Grünen zugetraut, den Fleischkonsum verbieten zu wollen. Auch in der Steuerdebatte hätten die Grünen die Wähler überfordert. „Das heißt ganz bestimmt nicht Generalrevision unseres Programms.“

Özdemir versprach eine ehrliche Aufarbeitung seines persönlichen Anteils am Wahlergebnis, ohne konkret zu werden. An diesem Samstag will Özdemir im Amt bestätigt werden. Der Grünen-Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, Jürgen Trittin, zeigte sich als Vertreter des linken Flügels mitverantwortlich: „Ja, wir haben Fehler gemacht, ich habe Fehler gemacht.“ Zugleich verteidigte er die Ausrichtung der Grünen und meldete Zweifel an neuen Machtoptionen mit Union oder Linken an. „Sie sind nur zu einem Teil von uns abhängig.“

Bei den Sondierungsgesprächen mit der Union habe sich gezeigt, das es zu wenig Gemeinsamkeiten und zu viele Widersprüche gegeben habe. „Wenn wir unsere Politik in der Regierung nicht umsetzen können, dann gehen wir in die Opposition“, rief er unter tosendem Beifall. Die Kritik des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann an der Partei wies Trittin zurück: „Ich kann den Eindruck nicht teilen, dass diese Partei aus der Spur sei.“

Kretschmann bekräftigte seine Position - und lobte CDU-Chefin Angela Merkel für die Öffnung ihrer Partei. Die Kanzlerin habe die CDU wuchtig in die Mitte getrieben. „Welcher andere Regierungschef der Welt hat denn die Konsequenz gezogen nach Fukushima, mit uns aus der Atomkraft auszusteigen?“ Wichtigste Aufgabe sei es, die Energiewende zu einem ökonomischen Erfolg zu machen. „Dafür sind wir erst mal da. Für alle anderen Fragen gibt es schon andere Parteien.“ Dabei brauche es einen neuen Sound - Angebote statt Vorschriften.

Wichtig sei nach der Wahlniederlage, „nicht Dinge kaputt zu machen, die in den letzten Jahren aufgebaut wurden“, sagte die scheidende Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke vor Beginn des Parteitages. Für den bayerischen Landeschef Dieter Janecek war das Wahlergebnis „nicht das Ergebnis einer externen Verschwörung“, sondern selbstgemacht. Die Grünen dürften nicht „die dritte Linkspartei“ in Deutschland sein.

Die Berliner Delegierte Franziska Eichstädt-Bohlig warnte vor weiterer Fraktionierung. Delegierte griffen das Führungspersonal an. Die bei der Wahl zum Bundestags-Fraktionsvorsitz unterlegene Kerstin Andreae forderte, „Brücken zu bauen und Verbündete zu suchen“.

Am Samstag steht die Neuwahl der gesamten, 22-köpfigen Parteiführung auf der Tagesordnung. Ein erster Stimmungstest verlief am frühen Abend positiv für den Vorstand: Ein Antrag, die Wahlen auf den nächsten Parteitag im Februar zu verschieben, fiel durch.

Überraschend sieht sich Özdemir bei seiner erneuten Kandidatur zum Bundesvorsitzenden mit einem Gegenkandidaten konfrontiert. Der Essener Delegierte und Pazifist Thomas Austermann kündigte an, seinen Hut in den Ring zu werfen. Chancen räumt er sich selber nicht ein. Die frühere saarländische Umweltministerin Simone Peter gilt als Nachfolgerin von Claudia Roth als gesetzt.

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