Parlamentswahlen in Israel:Der lachende Dritte heißt Lieberman

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Vor den Parlamentswahlen in Israel verschleißen sich Benjamin Netanjahu und Tzipi Livni in einer Privatfehde - der Rechte Lieberman profitiert.

Thorsten Schmitz

Kurz vor Öffnung der Wahllokale in Israel an diesem Dienstag sind die beiden Parteien Likud und Kadima in Umfragen überraschend doch noch näher aneinander heran gerückt.

Werben um die Unentschlossenen: Etwa 15 Prozent der Israelis wollten sich am Wochenende noch nicht festlegen, welcher Partei sie ihre Stimme geben wollen. (Foto: Foto: Reuters)

Bislang waren dem Likud und dessen Vorsitzenden Benjamin Netanjahu ein klarer Sieg über die Kadima-Partei von Außenministerin Tzipi Livni vorhergesagt worden. Der Abstand zwischen den beiden Kontrahenten ist inzwischen aber auf ein paar Mandate zusammengeschrumpft. Dem Likud werden nur noch 27 Mandate im 120-sitzigen Abgeordnetenhaus vorhergesagt, der Kadima bis zu 25.

In den vergangenen Tagen strengten sich Livni und Netanjahu an, das Gros der unentschlossenen Wähler für sich zu gewinnen. Bis zu 800.000 von 4,8 Millionen Wahlberechtigten sollen noch nicht wissen, für wen sie stimmen werden. Das entspricht etwa 28 Sitzen in der Knesset.

Sorge - in Hinblick auf die Wahlbeteiligung - bereitet den Parteien das Wetter. Für den Dienstag sind die schwersten Unwetter seit Gründung des Staates vor 60 Jahren angekündigt, mit sintflutartigen Regenfällen und Hagel.

Ohnehin besteht laut Experten ein ungewöhnlich großes Desinteresse an dieser 18. Parlamentswahl - der fünften in nur zehn Jahren. Viele Wähler, so Barak Cohen vom Demokratie-Institut, fragten sich "schlicht und einfach, für wen und weshalb überhaupt sie wählen sollen". Viele glaubten nicht mehr an einen durchschlagenden Effekt von Wahlen, "wenn sie ohnehin alle zwei Jahre zum Urnengang aufgerufen werden". Zudem wüssten viele gar nicht, um was es thematisch ginge, da der Wahlkampf "diffus" geblieben sei.

Tatsächlich haben die Spitzenkandidaten klare, in die Zukunft weisende Aussagen zu den großen Themen wie Hamas im Gaza-Streifen, jüdische Siedlungen im Westjordanland und die Gefahr durch Irans Atomprogramm vermieden. Stattdessen haben die Kandidaten sich gegenseitig schlecht gemacht.

Der Wahlkampf, so der Politikwissenschaftler Ron Schachar von der Universität Tel Aviv, sei vor allem ein "Negativ-Wahlkampf" gewesen. Die Kandidaten hätten sich gegenseitig Fehler vorgeworfen, aber "selbst keine neuen Lösungsansätze vorgetragen". Deshalb herrsche im Lager der Wähler "große Ernüchterung".

Am Negativ-Wahlkampf beteiligt haben sich ausnahmslos alle: Livni sagte über Netanjahu und Arbeitsparteichef Ehud Barak wiederholt, sie seien "charakterlich ungeeignet" fürs Premiersamt, Netanjahu ließ im ganzen Land plakatieren, das Amt der Regierungschefin sei für Livni "ein paar Nummern zu groß". Verteidigungsminister Barak warb damit, dass er, im Gegensatz zu Livni und Netanjahu, die bei Gefahren und wichtigen Themen kniffen, "der Wahrheit ins Auge" schaue.

Spannung in den Wahlkampf brachte zuletzt der kometenhafte Aufstieg des Vorsitzenden der russischen Immigrantenpartei, Avigdor Lieberman. Seiner Partei "Unser Haus Israel" werden bis zu 19 Sitze in der Knesset vorhergesagt, was ihr den Status des Königsmachers verleihen würde.

Netanjahu ist besorgt über den Erfolg der Lieberman-Partei, weil diese ihm laut Umfragen bereits Wählerstimmen abgezogen hat. So intensivierte er in den letzten Tagen den Wahlkampf und umwarb rechte Wähler, indem er etwa in den besetzten Golan-Höhen Bäume pflanzte und versprach, er würde als Premier das von Syrien eroberte Gebirgsplateau nicht zurückgeben.

Livni wiederum sieht einem Erfolg Liebermans gelassen entgegen, weil dieser eine Koalition mit der Kadima nicht ausschließt. Sollte Livni jedoch ein solches Bündnis eingehen, müsste sie ihren Wählern erklären, wie sie mit Liebermans anti-arabischen Ressentiments zurechtkommen will: Die Außenministerin hatte im vergangenen Jahr die israelisch-palästinensischen Friedensgespräche geführt.

Lieberman diffamierte im Wahlkampf die arabischen Israelis pauschal als potentiell illoyale Mitbürger. Er verlangte von ihnen ein klares Bekenntnis zum jüdischen Staat, ansonsten würden ihnen Wahl- und Aufenthaltsrecht aberkannt.

Für Lieberman wollen nicht nur russische Immigranten votieren, sondern auch viele Jugendliche. Falls Netanjahu die Wahl gewinnt, wird er Lieberman ein hohes Regierungsamt anbieten. Das Justizministerium kommt nicht in Frage, weil gegen Liebermans Tochter Korruptionsermittlungen laufen, in die auch der Vater verstrickt sein soll.

Medienberichten zufolge soll Netanjahu dem früheren Türsteher aus der Sowjetrepublik Moldawien das Verteidigungsministerium angeboten haben. Eine Strategie im Umgang mit der Hamas hat Lieberman bereits: Der Gaza-Streifen solle "plattgewalzt werden wie ein Fußballfeld".

© SZ vom 10.02.2009/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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