Parlamentswahl:Patt in Mazedonien

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Dem EU-Beitrittskandidaten droht eine neue Phase der Unsicherheit: Gleich zwei Kandidaten beanspruchen den Sieg bei der Abstimmung.

Von Florian Hassel, Warschau

Beim EU-Kandidaten Mazedonien geht die politische Unsicherheit auch nach einer vorgezogenen Parlamentswahl weiter. Die Mazedonier hatten sich von der Wahl ein Ende der seit zwei Jahren andauernden Krise und eine Regierung mit eindeutigem Mandat erhofft. Doch die Abstimmung endete in einem faktischen Gleichstand der beiden führenden Parteien. Keine von ihnen wird allein regieren können, auch weitere vorzeitige Neuwahlen sind nicht ausgeschlossen.

Zwar lag die seit zehn Jahren regierende Partei VRMO-DPMNE mit 38 Prozent der Stimmen knapp vor den oppositionellen Sozialdemokraten (SDMS), die auf 36,7 Prozent kamen. Doch das weniger als zwei Millionen Menschen umfassende Mazedonien besteht aus sechs Wahlkreisen, von denen jeder 20 Abgeordnete ins Parlament entsendet. Wegen der unterschiedlichen Ergebnisse in den Wahlkreisen sagten mazedonische Analysten einen möglichen Gleichstand von 51 Parlamentsmandaten für beide Parteien voraus.

Das amtliche Endergebnis und die Verteilung der Sitze durch die staatliche Wahlkommission stehen noch aus. Die Wahlkommission, in deren Arbeit sich die Regierungspartei immer wieder eingemischt hatte, wird von Bürgergruppen mit Argusaugen beobachtet - und ihre Entscheidung womöglich angefochten. Beide Parteivorsitzenden feierten ihren angeblichen Sieg. "Das Regime ist gefallen ... Wir haben heute Geschichte geschrieben", behauptete Oppositionsführer Soran Sajew. Sein Gegenspieler der Regierungspartei, Nikola Grujewski, behauptete: "VMRO-DPMNE ist der Gewinner dieser Wahl."

Den Ausschlag zur Bildung einer Regierung dürfte das Verhalten kleinerer Parteien bringen, die die albanische Minderheit Mazedoniens vertreten: Albaner stellen ein Viertel der Bevölkerung. Möglich sind allerdings auch eine breite Koalitionsregierung und vorgezogene Neuwahlen. Ein europäischer Diplomat in Skopje erwartet, dass "auch nach Feststehen des Wahlergebnisses wahrscheinlich Monate vergehen, bis die Verhandlungen beendet sind und wir wissen, wie es weitergeht". In Mazedonien dauert damit die Ungewissheit fort, die das Land seit Anfang 2015 prägt.

Damals stellte sich heraus, dass die Regierung unter dem seit 2006 regierenden Ministerpräsidenten Nikola Grujewski mehr als über 5000 Mazedonier jahrelang illegal abhören ließ. Der EU-Kommission zufolge wird Mazedonien bis heute durch "State Capture" geprägt - also durch eine undemokratische Kontrolle aller Staatsinstitutionen, der Justiz und der Medien durch die bisherige Regierungspartei VRMO- DPMNE.

© SZ vom 13.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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