Parlamentswahl im Libanon:Nabih Berri: Schiit, Rechtsanwalt, Taktiker

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Eine der Säulen der libanesischen Politik und ein Mann, an dem keiner vorbei kommt: Nabih Berri, Parlamentssprecher: Doch er hat eine blutige Vergangenheit.

T. Avenarius

Er ist eine der Säulen der libanesischen Politik und ein Mann, an dem in der vertrackten sektiererischen Gemengelage des Landes keiner vorbei kommt: Parlamentssprecher Nabih Berri. Als Chef der Amal-Partei samt ihrer Miliz ist er einer der beiden libanesischen Schiitenführer - der andere ist Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah. Im Gegensatz zum Hisbollah-Scheich mit der Kleidung eines Schiiten-Klerikers bevorzugt Berri ein säkulares Auftreten: Der Rechtsanwalt mit einem Zusatzabschluss der Pariser Sorbonne trägt stets Anzug und Krawatte.

Der libanesische Parlamentssprecher Nabih Berri bei der Stimmabgabe. (Foto: Foto: dpa)

Was nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass der 71-Jährige, wie praktisch alle libanesischen Politiker der älteren Generation, eine blutige Vergangenheit hat als Milizenführer im Bürgerkrieg. Seine Amal-Miliz kämpfte sowohl gegen die libanesischen Sunniten, Drusen und Christen als auch gegen die ins Land eingefallenen Israelis.

Zeitweise richteten Berris Kämpfer ihre Waffen sogar gegen die Glaubensbrüder der Hisbollah. Eines aber blieb immer konstant: Berri sicherte sich die Unterstützung der im Libanon einflussreichen syrischen Führung. Die mischte im Bürgerkrieg mit, hielt das Nachbarland lange besetzt.

In der libanesischen Machtpyramide werden alle drei großen Religionsgruppen berücksichtigt: Der Präsident ist Christ, der Premier Sunnit, der Parlamentssprecher Schiit. Diese Ämter werden von den Parteien nicht nur als Staatsorgane verstanden, sondern auch als Hüter der Interessen ihrer Religionsgruppe. Seinen 1992 eingenommenen Posten als Sprecher der Nationalversammlung hat Berri daher genutzt, den lange marginalisierten Schiiten zu einem besseren Platz in der libanesischen Politik zu verhelfen. Das hatte er schon früher getan, als er mehrfach Minister war. Gleichzeitig soll er alle Positionen zum eigenen, finanziellen Vorteil genutzt haben. So soll Berri beträchtlichen Reichtum angehäuft haben aus den Kassen, mit denen die Beiruter Zentralregierung den Wiederaufbau des in den Kriegen gegen Israel zerstörten Südlibanon finanziert.

Geboren wurde der Libanese in Sierra Leone: Als Sohn von Auslandslibanesen, die wie so viele ihr finanzielles Glück in Afrika machten. Zurückgekehrt ins Heimatland erhielt er die für die libanesische Oberklasse typische frankophone Erziehung, arbeitete auch kurz als Anwalt in den USA für General Motors. Seit 1974 fand sich Berri als einer der Köpfe bei der von dem einflussreichen Schiiten-Geistlichen Musa Sadr gegründeten Amal-Bewegung. Die kämpfte mit einem islamisch-sozialrevolutionären Programm für die Rechte der Schiiten. Die Amal bemühte sich unter Berri aber um ein gemäßigteres islamisches Profil als etwa die Konkurrenzpartei Hisbollah, die sich klar an Iran orientiert.

Seit der Ermordung von Ex-Premier Rafiq al-Hariri herrscht ein anhaltendes Kräftemessen zwischen den pro-westlichen und den eher pro-iranischen sowie pro-syrischen Kräften im Libanon: Berri und die Amal finden sich im anti-westlichen Lager. Bei der Wahl steht Berri daher an der Seite der Hisbollah und eines Teils der Christen. Der gewiefte Taktierer wird seinen Einfluss im Postengerangel nach den Parlamentswahlen erneut auszuspielen wissen.

© SZ vom 08.06.2009/segi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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