Parlamentsbeschluss:Ungarn interniert Flüchtlinge in Lagern

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Asylbewerber sollen künftig hinter Stacheldraht in Containersiedlungen nahe der Grenze zu Serbien untergebracht werden. Laut Vereinten Nationen verstößt das gegen internationales Recht.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Ungarn hat die Internierung von Flüchtlingen beschlossen. Künftig sollen Asylbewerber nahe der Grenze zu Serbien zwangsweise hinter Stacheldraht in Containersiedlungen untergebracht werden. Bis zur Entscheidung über ihr Asylverfahren dürfen sie diese Lager nicht verlassen. Es ist ihnen somit unmöglich, sich in Ungarn frei zu bewegen, so lange ihr Asylverfahren läuft; verlassen können sie das Land nur durch eine Ausreise nach Serbien.

Die neue Regelung soll für alle in Ungarn lebenden Flüchtlinge sowie alle Neuankömmlinge gelten, die nicht umgehend abgeschoben werden können. Asylanträge können nur noch in den Lagern gestellt werden, die Einspruchsfrist wurde auf drei Tage verkürzt.

Mit dem Beschluss, der mit überwältigender Mehrheit gefasst wurde, hat das Parlament in Budapest einer Gesetzesvorlage der Regierung von Viktor Orbán zugestimmt, die das Kabinett vergangene Woche beschlossen hatte. Damit wird der Umgang mit Asylbewerbern noch weiter verschärft. Schon jetzt dürfen Armee und Polizei Flüchtlinge, die den meterhohen Doppelzaun an der Grenze zu Serbien überwinden konnten und innerhalb einer Achtkilometerzone aufgegriffen werden, umstandslos nach Serbien deportieren. Grenzübertritte gelten als Straftat und können Schnellverfahren nach sich ziehen. Asylanträge können nur vereinzelt an der Grenze gestellt werden.

Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen halten sich die Wachmannschaften schon jetzt selten an die Achtkilometerregel und schieben auch Flüchtlinge ab, die weiter entfernt von der Grenze, also im Inland, aufgegriffen wurden. Zuletzt mehrten sich auch Berichte von Misshandlungen und Übergriffen.

Das neue Gesetz betrifft vor allem jene etwa 600 Migranten, die nach Angaben der Budapester Regierung derzeit in ungarischen Flüchtlingslagern leben. Ihre Anzahl war zuletzt, allen Abschottungsmaßnahmen zum Trotz, wieder leicht gestiegen, weil mehr Flüchtlinge den Grenzzaun überwanden oder über die grüne Grenze aus Rumänien oder aus der Ukraine kamen.

Vor wenigen Tagen wurde daher auch mit dem Bau eines zweiten, versetzten Zaunes an der ungarischen Südgrenze begonnen, um "Grenzverletzer" besser abfangen zu können. Er soll unter Strom gesetzt werden. Damit wolle man sich, so der Sicherheitsberater der ungarischen Regierung, gegen die Migranten wappnen, die direkt hinter der Grenze auf ihre Chance warteten, ebenso gegen die Hunderttausend Migranten, die noch entlang der Balkanroute festsäßen.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk kritisierte die pauschale Internierung von Asylsuchenden. Diese verstoße gegen internationales Recht. Praktisch bedeute das, so eine Sprecherin des UNHCR, dass jeder Asylsuchende, auch Kinder, lange Zeit hindurch in Schiffscontainern, umgeben von hohen Stacheldrahtzäunen, festgesetzt würden. Premier Viktor Orbán lässt sich von solcher Kritik nicht beeindrucken. Bei der Vereidigung neuer Grenzschützer in Budapest bezeichnete er Migration als "trojanisches Pferd des Terrorismus". Europa befinde sich im Belagerungszustand.

© SZ vom 08.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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