Papst:Dunkle Botschaft

Die Kirche muss ihren eigenen Machtmissbrauch beleuchten.

Von Matthias Drobinski

Rom hat gesprochen, die Sache ist beendet, heißt es. Der Brief, den der Papst den deutschen Katholiken geschrieben hat, dreht das Sprichwort um: Rom hat gesprochen, jetzt kann darüber gestritten werden, was Franziskus wohl gemeint haben mag.

Ja, er hat recht: Die Begeisterung fürs Evangelium ist für Christen wichtiger als jede Strukturdebatte. Aber heißt das, dass Katholiken nicht infrage stellen sollen, dass Frauen kein Weiheamt haben und Priester nicht heiraten dürfen, dass gelebte Homosexualität "ungeordnet" ist und künstliche Verhütung verwerflich? Kann eine Kirche den Mächtigen ins Gewissen reden, wenn sie nicht die eigene Macht und den eigenen Machtmissbrauch reflektiert? Lässt sich die Verkündigung des Evangeliums von der Frage trennen, ob nicht auch die Strukturen und Regeln der Kirche die Botschaft Jesu Christi verdunkeln?

Zu alledem schweigt der Brief. Der Skandal der sexuellen Gewalt geht aber an die Wurzel der Kirche. Ihr Selbstbild als reine und heilige Institution hat dazu beigetragen, dass sie die Sache Jesu schändlich verriet. Die geistliche und die strukturelle Krise sind nicht zu trennen, diese Erkenntnis fehlt im Papstbrief in bitterer Weise. Die Bischöfe in Deutschland werden trotzdem darüber reden müssen. Oder sie können den Dialog mit den Gläubigen lassen.

© SZ vom 01.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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