Palästinenser:Schwerer Weg zur Einheit

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Regiert im Westjordanland: Mahmud Abbas. (Foto: Issam Rimawi/Reuters)

Der palästinensische Präsident Abbas kündigt überfällige Wahlen an. Doch viele sind skeptisch, ob sie stattfinden.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Ramallah/Gaza

Die Tür zum Parlamentsgebäude steht offen, es pfeift ein eisiger Wind durch die leeren Gänge. Das dreistöckige Gebäude in der Khalil al-Wazir-Straße in Ramallah ist verwaist. Zu Beginn dieses Jahres hat der von Präsident Mahmud Abbas kontrollierte Verfassungsgerichtshof bereits das Parlament, den palästinensischen Legislativrat, aufgelöst. Seit der Spaltung der beiden großen Parteien Fatah und Hamas 2007 ist das Parlament ohnehin gelähmt. Gemeinsame Sitzungen gibt es seit Jahren nicht mehr.

Demnächst soll wieder Leben ins Parlament kommen - glaubt man den Ankündigungen des Präsidenten. Wegen Drucks aus dem Ausland sollen die rund fünf Millionen Palästinenser im Westjordanland, dem Gazastreifen und Ostjerusalem bald zu den Urnen gerufen werden. Wahlen sind überfällig, die vierjährigen Legislaturperioden sind längst ausgelaufen: Die Präsidentschaftswahl fand 2005 statt, die Parlamentswahl 2006; Gewinner war die radikalislamische Hamas. Sie errang 74 der 132 Sitze, die von Abbas geführte Fatah-Partei 45. Nach einem blutigen Kampf übernahm die Hamas 2007 im Gazastreifen die Macht.

Die Chancen, dass die Palästinenser tatsächlich bald zu den Urnen gerufen werden, schätzt Jehad Harb auf "etwa 20 Prozent". Der Politikexperte vom Palestinian Center for Policy and Survey Research hat sein Büro gegenüber dem Parlament. "Ich wünschte, es würde Wahlen geben, aber ich bin skeptisch, ob es dazu kommt. Die palästinensische Führung hält es nicht unbedingt für nötig, dass die Bürger ihr Wahlrecht ausüben können." Er begründet dies mit der Uneinigkeit der Fraktionen, vor allem von Fatah und Hamas. "Der Wille der Führung, die Unstimmigkeiten zu lösen, fehlt. Es gibt auch keinen Willen der Führung, Erreichtes aufzugeben."

Sowohl Abbas als auch die Hamas hätten sich eingerichtet: Abbas dominiere die palästinensische Autonomieregierung und regiere weitgehend alleine im Westjordanland, die Hamas wiederum beansprucht die Regierungsmacht im Gazastreifen für sich alleine. "Sie müssen sich nicht einmal absprechen und können weitgehend ohne Einfluss anderer staatlicher Institutionen agieren. Sie haben kein großes Interesse, das zu ändern. Beide Seiten sind nicht wirklich willens, Wahlen abzuhalten." Dabei könnten nach Einschätzung des Politikexperten Wahlen der Auftakt zum Ende der Spaltung sein, nachdem mehrere Versuche zur Versöhnung gescheitert waren.

Dem stimmt Hamas-Vertreter Basem Naim, Vorsitzender des Rates für internationale Beziehungen im Gazastreifen, zu. "Nachdem die palästinensischen Versöhnungsgespräche einen Stillstand erreicht haben, könnten Wahlen die beste Chance sein, um aus dieser schlimmen Situation herauszukommen. Wahlen könnten der kürzeste Weg sein, um eine Einheit zu erreichen." Er versichert, dass die Hamas für Wahlen bereit stehe. "Wir glauben an Demokratie, Koexistenz und einen friedlichen Machttransfer. Alle politischen Akteure haben ihre Legitimität verloren und es ist an der Zeit, diese durch freie und transparente Wahlen wiederzuerlangen."

Laut Umfragen muss die Hamas mit Verlusten im Gazastreifen rechnen. Bewohner in dem von Israel und Ägypten abgeriegelten Küstenstreifen machen die seit zwölf Jahren regierende Gruppe mitverantwortlich für die schwierige Lage. "Die Balance wird sich auf jeden Fall verändern. Wenn man an der Macht ist, dann verliert man, denn man kann nicht alle Wünsche erfüllen", meint der politische Analyst Mustafa Sawat bei einem Gespräch in Gaza-Stadt. "Aber die Hamas wird das, was sie hier verliert, im Westjordanland dazugewinnen."

Die Fatah, die den 84-jährigen Abbas zum Spitzenkandidaten gekürt hat, dürfte sich überdies selbst Konkurrenz machen. Mohammed Dahlan kündigte an, mit einer eigenen Liste antreten zu wollen. Nach Streit mit Abbas lebt der im Gazastreifen populäre Fatah-Politiker in den Arabischen Emiraten im Exil und hofft, über Wahlen eine Rückkehr in die Heimat zu schaffen.

© SZ vom 21.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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