Palästinenser:Drohung ohne Widerhall

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Seit elf Jahren ohne Mandat: Mahmud Abbas. (Foto: AFP)

Weil Israel Häuser in Ostjerusalem abreißen lässt, kündigt Palästinenserpräsident Abbas die Zusammenarbeit auf - wieder einmal. Die Bestürzung ist auf israelischer Seite gering.

Von Moritz Baumstieger, München

Mahmud Abbas schien schon zu ahnen, dass seine Drohung nicht allzu viel Wirkung zeigen würde. Am Donnerstagabend hatte der Palästinenserpräsident bekannt gegeben, jegliche Zusammenarbeit seiner Autonomiebehörde mit Israel aufzukündigen. Kurz und bündig, in einer nur 14 arabische Wörter umfassenden Nachricht auf Twitter. Die Reaktionen blieben verhalten. Abbas innerpalästinensische Rivalen von der radikalislamischen Hamas begrüßten ausnahmsweise eine Entscheidung des Präsidenten, was nicht oft vorkommt. Israels Außenministerium hingegen reagierte nicht einmal.

In der Nacht zum Freitag legte Abbas deshalb noch einmal nach, diesmal zur Sicherheit auch auf Englisch: "For confirmation", schrieb Abbas, "zur Bestätigung: Wir erklären die Aufkündigung sämtlicher Übereinkünfte mit Israel, die Sicherheitskoordination eingeschlossen".

Vor einigen Jahren hätten bei solchen Worten noch die Alarmglocken in Jerusalem geschellt. Mehr als die umstrittene Sperrmauer zwischen den palästinensischen Gebieten und dem israelischen Kernland hatte die geräuschlose, aber hocheffiziente Zusammenarbeit zwischen den israelischen Sicherheitsbehörden und denen der Palästinenserbehörde dafür gesorgt, dass die Zahl der Anschläge kontinuierlich zurückging. Selbst die Zahl der Messerangriffe durch Einzeltäter ist gesunken. Vor allem aber ist die Kooperation für Israel das wichtigste Mittel für die Palästinenser im Westjordanland, um die Bedrohung durch Anhänger der Hamas unter Kontrolle zu halten.

Selbst in arabischen Hauptstädten wird er behandelt wie ein mittelloser Verwandter

Dass Abbas' Ankündigung nicht zu Krisenstäben in Jerusalem führte, liegt daran, dass der 83-Jährige regelmäßig mit dieser Drohung Politik zu machen versucht - seinen Aufkündigungen aber kaum Taten folgen ließ. Der Grund, warum Abbas immer wieder zu der sich abnutzenden Drohung greift, ist, dass er kaum andere Druckmittel hat: Sein Rückhalt in der Bevölkerung ist gering, sein Mandat lief eigentlich vor elf Jahren aus, doch Abbas - seit 2005 im Amt - regiert weiter, weil eine gemeinsame Wahl im Westjordanland und im von der Hamas regierten Gazastreifen unmöglich ist.

Die rechtsgerichtete israelische Regierungen von Premierminister Benjamin Netanjahu ignoriert den Mann im Präsidentenpalast in Ramallah zunehmend. US-Präsident Donald Trump und seine Unterhändler demütigten ihn durch Nichtbeachtung, wichtige Palästinenserpolitiker bekommen nicht einmal mehr Visa für Reisen in die USA. Und selbst in einigen arabischen Hauptstädten nimmt man Abbas eher wie einen lästigen mittellosen Verwandten wahr.

Anlass für Abbas' jüngste Drohung ist zum einen ein Streit ums Geld: Die Palästinenser fordern seit Langem von Israel die Überweisung von 118 Millionen Euro Steuergeldern und Zöllen, die der Autonomiebehörde laut einem Abkommen zustehen. Mit Israels Weigerung, dieses Geld freizugeben und damit Verträge zu erfüllen, begründet Abbas nun seine Aufkündigung der Zusammenarbeit. Israel entgegnet, dass der Betrag genau jenem entspreche, den die Autonomiebehörde an "inhaftierte Terroristen, ihre Familien und an ehemalige Häftlinge" in israelischen Gefängnissen sowie an die Hinterbliebenen von Selbstmordattentätern zahle.

Zum anderen löste Anfang dieser Woche der Abriss mehrerer Wohnhäuser in Ostjerusalem durch israelische Sicherheitskräfte großen Ärger in Ramallah aus. Israel hatte 13 großteils noch nicht fertiggestellte Bauten im Ort Sur Bahir zerstört, die nach Ansicht von Gilad Erdan, dem israelischen Minister für strategische Angelegenheiten, eine "ernsthafte Sicherheitsbedrohung" darstellten. Die Häuser waren illegal errichtet, aber eine Baugenehmigung können Palästinenser kaum erhalten. Sie befanden sich in direkter Nachbarschaft zu der Sperranlage, mit der Israel die Palästinensergebiete abriegeln will.

Am Sonntag hatte Israels Oberstes Gericht einen Aufschub des Abrisses abgelehnt, am Montag rückten Bagger und Sprengkommandos an. Internationaler Protest war die Folge. Die EU erklärte, Israels Siedlungspolitik mit Zwangsumsiedlungen, Vertreibungen, Abrissen und Beschlagnahmungen von Häusern sei "nach internationalem Recht illegal". Der Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Saeb Erekat, verurteilte die Abrisspläne als Verstoß gegen die Genfer Konvention sowie als Kriegsverbrechen. Mahmud Abbas protestierte auf Twitter - seine Drohung sprach er wenig später aus.

© SZ vom 27.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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