Palästinenser:Die List der Hamas

Lesezeit: 2 min

Es gibt keinen Grund, die Hamas für eine neue Position zu loben, nur weil sie nicht mehr zur Vernichtung Israels aufruft. Janusköpfigkeit gehört zu ihrer Taktik - um Freunde zu beruhigen und Feinde zu verwirren.

Von Peter Münch

Friedensschleicherei hat der Hamas noch niemand vorgeworfen, zumindest nicht ungestraft. Die Kernkompetenz der Organisation liegt im Raketenabschuss und Bombenzünden, nebenher regiert sie mit harter Hand den palästinensischen Gazastreifen in den Ruin. So hat sie es zu Recht zum Paria in der internationalen Politik und auf die Terrorlisten in Europa und in den USA gebracht. Doch nun will die Hamas auch eine andere Seite zeigen - weiß Gott keine weiche, aber wenigstens eine diplomatische. Es liegt darin gleichermaßen eine Chance wie eine Gefahr.

Die Gefahr besteht schlicht darin, der Hamas auf den Leim zu gehen. Ein nun vorgelegtes fünfseitiges Thesenpapier, das weniger radikal ausfällt als die sehr radikale Charta von 1988, ist noch längst keine Läuterung. Es gibt keinen Grund zum Lob, nur weil die Hamas darauf verzichtet, zur Vernichtung Israels aufzurufen. Denn erstens bleibt der Kern der neuen Botschaft - das pragmatische Bekenntnis zu einem Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967, wie ihn auch die internationale Gemeinschaft anstrebt - sehr vage. Deutlich dagegen wird weiterhin der Anspruch auf das ganze Land zwischen Mittelmeer und Jordan propagiert. Zweitens ist man immer gut beraten, bei der Hamas nicht auf die Worte, sondern auf die Taten zu schauen.

Sie braucht dringend Hilfe von außen, das erfordert eine Öffnung

Das neue Papier enthält nichts, was nicht schon vorher der eine Hamas-Führer mal gesagt und der andere heftig dementiert hat. Janusköpfigkeit gehört schließlich seit jeher zur Taktik der Organisation. So kann sie zugleich den Feind verwirren und Freunde beruhigen. Monolithisch ist die Hamas überdies nie gewesen; immer schon gab es einen moderateren und einen fundamentalistischen Flügel. Gekämpft wurde indes stets gemeinsam.

Für Khaled Meschal, der nun in Doha das neue Programm staatsmännisch vorstellte, war dies obendrein eine Art letzter Amtshandlung. Er wird plangemäß noch in diesem Monat als Exil-Führer der Hamas abgelöst. Im Gazastreifen selber hat gerade der militante Arm der Organisation die Führung übernommen. Ein Anzeichen neuer Friedfertigkeit ist das alles also nicht, und auch im Positionspapier zeigt sich die Hamas weit davon entfernt, den bewaffneten Kampf aufzugeben. Denn bis dato ist dies ihr Daseinszweck.

Die Chance allerdings liegt darin, dass die Hamas nun - zum ersten Mal seit ihrer Gründung - wenigstens einen parallelen Weg zu diesem Kampf auslotet. Motiviert wird sie dazu durch das eigene Elend: Sie hat nicht nur die zwei Millionen Bewohner des Gazastreifens von der Außenwelt isoliert, sondern auch sich selbst. Nun ist sie dringend auf Unterstützung von außen angewiesen, und das erfordert eine Öffnung. Deshalb macht die Hamas nun die ersten Schritte auf einem Weg, den die von Jassir Arafat geführte PLO bereits in den Achtzigerjahren eingeschlagen hatte. Das ändert noch nichts dran, dass sie für Israel weiter ein gefährlicher Feind bleibt. Doch es gilt die alte Regel, dass man den Frieden auch nicht mit seinen Freunden, sondern mit den Feinden schließen muss.

© SZ vom 03.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: