Pakistan:Rosenblüten und ein paar Stacheln

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Viele Pakistaner erwarten sehnsüchtig die Rückkehr der ehemaligen Premierministerin Benazir Bhutto - aber es gibt auch Skepsis.

Tobias Matern

Für ihre Anhänger ist sie tatsächlich die "Unvergleichliche", so wie ihr Vorname übersetzt heißt. Benazir Bhutto verbrachte die vergangenen acht Jahre im Exil, lebte mit ihren drei Kindern in London und Dubai. Nun drängt sie wieder an die Macht, will erneut Pakistans Premierministerin werden, das Land vor dem Zerfall retten, die Wirtschaft ankurbeln, den Terrorismus bekämpfen.

Jubel: Anhänger von Benazir Bhutto feiern ihre Rückkehr nach Pakistan. (Foto: Foto: AFP)

"Unter meiner Führung wurde schon in der Vergangenheit viel für die Menschen verbessert", sagt sie. Tausende Unterstützer wollen sie an diesem Donnerstag in Karatschi empfangen. Für die Menschen sei dies ein "wahrlich historischer Anlass", erklärt Sherry Rehman, Sprecherin von Bhuttos Pakistan People's Party (PPP). Nicht alle im Land teilen diesen Enthusiasmus. Benazir Bhutto polarisiert.

Denn für ihre Heimkehr ist sie offenbar einen Bund mit alten Feinden eingegangen. Ausgerechnet die Tochter des früheren Premiers und Präsidenten Zulfikar Ali Bhutto, den General Zia ul-Haq 1979 hinrichten ließ, paktiert nun mit einem Militärmachthaber. Kurz vor ihrer Rückreise ließ der in Bedrängnis geratene Staatschef Pervez Musharraf alle Korruptionsvorwürfe gegen Bhutto fallen. Sicherlich nicht aus Mildtätigkeit, sondern um an der Macht zu bleiben.

Nur mit der Anführerin der PPP, so offenbar sein Kalkül, kann er sein Regime retten und selber Präsident bleiben. Bhutto könnte neben ihm Premierministerin werden. Zwar bestreitet sie einen Deal, aber für Beobachter ist er eine ausgemachte Sache. "Wir bräuchten einen demokratischen Neuanfang, ein gestärktes Parlament, frei agierende Institutionen, und nicht eine Fassade, wie Bhutto und Musharraf sie aufbauen", sagt der pensionierte pakistanische General Talat Masood. "Dieses Abkommen nützt nur den beiden, nicht den Menschen im Land.'' Es beweise ihre Machtgier.

Missbrauch und Inkompetenz

Die "Tochter der Macht", wie Bhuttos Autobiographie heißt, kommt aus einer einflussreichen, vermögenden Familie in der Provinz Sindh. Ihr Vater gründete die PPP. Als Regierungschef nahm er die Tochter mit auf Reisen, auf denen Benazir sich bei ihm das politische Handwerk abschaute. Sie wollte Diplomatin werden, studierte in Harvard und Oxford. Das Regime ermordete nicht nur ihren Vater, sondern schikanierte auch sie, warf sie ins Gefängnis, stellte sie unter Hausarrest.

1984 ging sie erstmals ins Exil. Aber längst war sie zur politischen Nachfolgerin ihres Vaters aufgestiegen und galt als Symbol für den Widerstand gegen die Diktatur von Zia ul-Haq. Als er 1988 bei einer bis heute ungeklärten Flugzeugexplosion starb, kehrte Bhutto schon einmal in ihre Heimat zurück. Damals war es ein Triumphzug, die Menschen empfingen sie mit Rosenblüten. Die anschließenden Wahlen gewann sie überlegen.

Mit 35 Jahren war sie die jüngste Frau aller Zeiten an der Spitze eines islamischen Staates. Bhutto erlangte weltweite Anerkennung und schien die Richtige zu sein, um Pakistans wechselvolle Geschichte zum Guten zu wenden.

Mister Zehn Prozent

Aber statt die Demokratie zu stärken und den Armen zu helfen, zerbrach ihre Regierung nach zwei Jahren an Inkompetenz und am Vorwurf des Amtsmissbrauchs. Auch ihr nächster Anlauf als Regierungschefin von 1993 bis 1996 gilt als erfolglos. "Sie war genauso korrupt wie ihr Nachfolger Nawaz Sharif, und wie es die Armee auch ist'', sagt Najam Sethi, Chefredakteur der pakistanischen Daily Times.

Bhuttos Mann Asif Zardari, den sie in die Regierung berief, gilt im Land noch immer als "Mister Zehn Prozent", weil er bei Staatsgeschäften abkassiert haben soll. Sie selbst sagt, die Verfahren gegen sie seien politisch motiviert gewesen. "Über die Vorwürfe aus der Vergangenheit müssen allein die Menschen in Pakistan befinden", sagte Bhutto der Süddeutschen Zeitung.

Als Musharraf 1999 ihren Nachfolger Nawaz Sharif aus dem Amt putschte, verließ sie das Land. Bhutto fürchtete, nach einem Korruptionsurteil verhaftet zu werden. Ein Schweizer Gericht verurteilte sie später wegen Geldwäsche zu einer Bewährungsstrafe. Mehrere Jahre lotete sie ihre Chancen für eine Rückkehr aus, sprach in Washington vor.

Aber George W. Bush nahm es nach dem 11. September nicht so genau mit Musharrafs Doppelrolle als Armeechef und Präsident, päppelte sein Regime mit Militärhilfen auf. Schließlich ist Pakistan ein Frontstaat im "Krieg gegen den Terror". Die Grenzregion gilt als Rückzugsort für Terroristen. Auch Osama bin Laden soll sich dort verstecken. Stammesführer haben hier das Sagen, das Regime in Islamabad ist ohne Einfluss.

Musharraf wollte Heimkehr verschieben

Durch seine Kooperation mit den Amerikanern ist Musharraf selber zum Ziel militanter Islamisten geworden, mehreren Anschlägen entging er nur knapp. Seit er im Sommer die von Islamisten besetzte Rote Moschee in Islamabad stürmen ließ, haben Selbstmordattentate drastisch zugenommen. Das Land taumelt am Abgrund, die Radikalen wollen den Gottesstaat errichten.

Auch die Zivilgesellschaft brachte Musharraf gegen sich auf, indem er den Obersten Richter entließ. Seine Kollegen setzten ihn allerdings wieder ein. Seitdem urteilen die Juristen nur noch selten im Sinne Musharrafs und mehr im Geiste der Verfassung, die einen Armeechef und Präsidenten in Personalunion nicht vorsieht. Musharraf ließ sich dennoch kürzlich von ihm gewogenen Wahlmännern erneut zum Präsidenten wählen.

Das prüft indes das Oberste Gericht seit Mittwoch, weil der Machthaber zu dem Zeitpunkt noch Armeechef war. Das Amt will Musharraf erst demnächst aufgeben. Bhutto bat er, ihre Heimkehr zu verschieben, bis eine Entscheidung gefallen sei. Doch sie will am Donnerstag auf jeden Fall in die Heimat fliegen.

Der Handel mit Musharraf

Vor allem die USA hoffen, dass sie helfen wird, Musharrafs Regierung zu stabilisieren. Obwohl die amerikanische Regierung mehr Engagement von ihrem Verbündeten im Terrorkampf einfordert, fürchtet sie auch, dass Pakistan ohne Musharraf ins Chaos abrutscht.

Der Gedanke, dass militante Islamisten an das Atomwaffenarsenal gelangen könnten, ist für Washington unerträglich. "Der Deal zwischen Musharraf und Bhutto ist aus demokratischer Perspektive kein ideales Abkommen, aber es gibt niemanden außer ihr, der in Pakistan so viele Menschen hinter sich vereinen kann", sagt Daniel Markey vom Council on Foreign Relations in Washington.

Pakistanische Beobachter machen solche Aussagen wütend. "Die USA agieren so ungeschickt, dass es fast wehtut", sagt die Politik-Expertin Ayesha Siddiqa. "Die Leute haben das Gefühl, die Amerikaner hätten bei der Vereinbarung ihre Finger im Spiel gehabt." So erhielten die Islamisten weiteren Zulauf. Chefredakteur Sethi sagt, "es herrscht in Pakistan ein vollständiges, verdammtes Chaos". Die Vereinbarung zwischen Musharraf und Bhutto könne das Land nur voranbringen, "wenn beide aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben und freie Wahlen ermöglichen''.

Das verspricht Bhutto. Fair müsse die Abstimmung sein, der Wille des Volkes entscheide. "Ich bete zu Gott, mir Stärke und die Weisheit zu geben, meinem Land Demokratie zu bringen und Extremismus zu beenden´", sagte sie am Mittwoch. Beim dritten Anlauf soll alles besser werden.

© SZ vom 18.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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