Pakistan:Militärgeheimdienst unterstützt Taliban

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Pakistans Militärgeheimdienst ISI arbeitet mit den Taliban zusammen - die Regierung ist machtlos. Die Agenten-Organisation wurde einst von der CIA hochgerüstet.

Oliver Meiler

Die pakistanische Regierung hat erstmals öffentlich zugegeben, dass es im mächtigsten Geheimdienst des Landes, der berüchtigten Inter Services Intelligence (ISI), wahrscheinlich Elemente gibt, die mit den Taliban sympathisieren würden.

Ein Lastwagen mit einem Porträt Osama bin Ladens und der Aufschrift "Löwe des Islam" fährt in der Nähe von Islamabad von der Autobahn ab. (Foto: Foto: AP)

Attentat in Kabul

Das vermuten Indien und in Afghanistan schon lange. Neuerdings verweist aber auch Washington auf die undurchsichtige Rolle des militärischen Geheimdienstes in Islamabad. Verdichtet hat sich der Verdacht seit dem Attentat auf die indische Botschaft in Kabul, das am 7. Juli Dutzende Passanten und einige Botschaftsangestellte in den Tod gerissen hatte. Die CIA ist der Ansicht, Offiziere der ISI hätten den Attentätern geholfen.

Die Zweifel an der ISI sind nicht neu. Neu und bemerkenswert aber ist, dass die Amerikaner ihren Ärger über die pakistanischen Kollegen öffentlich kundtun.

"Identifizieren und ausmustern"

Die pakistanische Regierung fühlte sich also gedrängt, ihre Strategie der reflexartigen Dementis, mit der sie in der Regel jedem Vorwurf aus Indien oder Afghanistan begegnet, aufzugeben: "Es ist gut möglich", sagte Informationsministerin Sherry Rehman, "dass es in der ISI noch immer Individuen gibt, die ideologisch mit den Taliban sympathisieren und aus eigener Initiative handeln".

Sie relativierte: "Doch ihr Handeln deckt sich nicht mit der Politik und den Interessen der Regierung. Wir müssen sie identifizieren und ausmustern."

Geschenk an die Amerikaner

So einfach dürfte das nicht werden. Die Regierung weiß das. Vor seiner Reise nach Washington vorige Woche versuchte Pakistans neuer Premier, Yousaf Raza Gilani, in einer Blitzaktion, die ISI dem Innenministerium zu unterstellen, per Dekret.

Gedacht war die Umstrukturierung als Geschenk an die Amerikaner, die sich wünschen, Gilanis Regierung würde die Militanten in der Grenzregion zu Afghanistan und deren Sponsoren im Geheimdienst besser in den Griff bekommen. Doch das Dekret hatte nur eine Nacht lang Bestand. Das Militär wies Gilani in die Schranken und zwang die Regierung, den Beschluss zurückzuziehen.

Die ISI stürzt Regierungen nach Belieben

Die ISI wurde 1948 gegründet als Geheimdienst für äußere Angelegenheiten - hauptsächlich also für den Umgang mit Indien. Sie gilt als Staat im Staate. Sie ist ein obskurer Akteur, geführt von hohen Militärs. Es scheint, als stehe die Agentur seit langem schon über den Regierungen, den militärischen wie den zivilen.

Sie befördert sie, sie stürzt sie nach Belieben. Das jedenfalls ist die Meinung im Volk. Jedes pakistanische Gerücht, jede Affäre beginnt mit einer möglichen Verwicklung der ISI, ob gefälschte Wahlen, politische Morde, Anschläge.

Der Geheimdienst für Äußeres übernahm das Innere

Untergebracht ist die Spionagezentrale in einem der schmucklosen Zementbauten im Zentrum Islamabads, umgeben von Stacheldraht. Am Tor hängt kein Schild. Doch jeder Pakistaner weiss, dass hinter jenen Mauern das politische Schicksal des Landes entschieden wird.

Zu ihrer Machtstellung verhalf der ISI ausgerechnet einer der wenigen zivilen Regierenden in der Geschichte Pakistans: Zulfikar Ali Bhutto, Premier von 1973 bis 1977, Vater der ermordeten Benazir Bhutto. Er erhöhte das Budget der ISI, stellte Personal ein. Aus Paranoia, wie es immer hieß. So übernahm der Geheimdienst für Äußeres bald auch das Innere.

Doch der Förderer wurde bald zum Opfer seines Geschöpfs: Zulfikar Ali Bhutto wurde 1977 nach einem Plot der ISI gestürzt und zwei Jahre später gehängt. Sein vermeintlicher Vertrauensmann, Armeechef Zia ul-Haq, kam an die Macht und machte aus der ISI einen internationalen Spieler von Rang.

Das war 1979. Die Rote Armee war in Afghanistan einmarschiert, die Front des Kalten Krieges verschob sich weiter nach Südwesten. In ihrem Drang, die Sowjets zu stoppen, bauten die Amerikaner auf die Pakistaner.

Biss für die Gotteskrieger

Die CIA finanzierte die ISI mit Milliarden Dollar und mit Waffen, damit sie die Mudschahedin, die aus aller Welt in die Region pilgerten, rüste für den Krieg gegen die Russen.

Saudi-Arabien schickte Geld und Prediger für die Koranschulen. Dort sollte den Gotteskämpfern der ideologische Biss für die Verteidigung Afghanistans mitgegeben werden. Zia nahm das Geld und die Waffen, verbat sich aber jede Einmischung in die Arbeit der ISI. Die Amerikaner akzeptierten den Deal, so wichtig war die Rolle der Pakistaner.

Der Westen täuschte sich dramatisch

Als die Rote Armee 1989 abzog, schien auch die Zusammenarbeit zwischen der CIA und der ISI erschöpft zu sein. Doch schon fünf Jahre später schauten die Amerikaner mit einigem Wohlwollen zu, wie die Pakistaner erneut in Afghanistan aktiv wurden und die Taliban um deren Anführer Mullah Omar unterstützten.

Der Westen versprach sich von den Koranschülern mehr politische Stabilität für das zerrissene Land. Er sollte sich dramatisch täuschen. An Stabilität war auch der ISI nie gelegen. Weder in Afghanistan noch im umkämpften Kaschmir, den beiden großen Schauplätzen ihres Wirkens.

© SZ vom 04.08.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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