Pakistan:Die Zeit nach Musharraf hat begonnen

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Pakistan steckt seit Monaten in der Krise. Nach dem Rücktritt des Präsidenten müssen nun die Regierungsparteien den Weg durch die schwere Zeit weisen.

Oliver Meiler

Der Jubel in Pakistans Straßen hat nur kurz gedauert. Und er fiel selbst in Karatschi und Lahore, den größten Städten im Land, weit weniger laut aus, als es zu erwarten gewesen war am Ende von neun Jahren militärischer Herrschaft.

Staatschef Pervez Musharraf ist zurückgetreten. Aus der Krise geholfen hat er Pakistan damit nicht. (Foto: Foto: rtr)

Auch die nationale Presse kommentierte den Rücktritt von Staatschef Pervez Musharraf am Dienstag erstaunlich zahm für ihre Verhältnisse, als wäre sie erschöpft nach monatelangem Anschreiben gegen den ungeliebten Herrscher. "Goodbye", titelte die Zeitung The Nation und rechnete noch einmal alle Verfehlungen des scheidenden Präsidenten auf.

Pakistans größte Zeitung in englischer Sprache, The News, wechselte schnell den Fokus und nahm die regierenden und triumphierenden Regierungspartner in die Pflicht: "Nun, da Musharraf weg ist, haben sie keine Entschuldigung mehr für ihr Versagen."

Die Verantwortung liegt bei den Regierungsparteien

Am Dienstag traf sich Asif Ali Zardari, Chef der Volkspartei PPP und Witwer der Ex-Premierministerin Benazir Bhutto, mit seinem Koalitionspartner Nawaz Sharif, dem Anführer der Muslimliga, zur ersten langen Unterredung nach Musharrafs Rücktritt. Die Regierungsparteien stehen vor der Aufgabe, dem Land den Weg aus der seit Monaten andauernden Krise zu weisen.

Erörtert wurde dabei auch die umstrittene Frage, ob dem früheren Armeechef Immunität gewährt werden soll oder ob Musharraf für seine Verstöße gegen die Verfassung, zuletzt bei der Präsidentenwahl, zur Rechenschaft gezogen werden soll.

Zardari sagte, er sei gegen eine "Vendetta", man solle "das Gewesene Gewesenes sein lassen". Sharif dagegen will Musharraf, der ihn 1999 aus dem Amt putschte, den Prozess machen.

Mögliches Exil in Saudi-Arabien

Von den Verhandlungen zwischen den beiden Koalitionspartnern und Rivalen Zardari und Sharif dürfte abhängen, ob Musharraf seinen Ruhestand in der Heimat verbringen darf oder ob er ins Exil gedrängt wird; in diesem Fall wäre ein Umzug nach Saudi-Arabien wahrscheinlich.

Dort, so schreibt die pakistanische Presse, könnte die Sicherheit des Pensionärs am ehesten gewährleistet werden.

Von den Bündnispartnern wird weiter erwartet, dass sie jene 60 Richter wieder in deren Amt zurückführen, die Musharraf im vergangenen Jahr widerrechtlich entlassen hatte. Allerdings konnten sich Zardari und Sharif am Dienstag noch nicht darauf verständigen, ob alle Richter wieder ins Amt eingesetzt werden und wann dies geschehen sollte.

Das Thema wurde vertagt. Zardari wäre es lieb, wenn der frühere oberste Richter Pakistans, Iftikhar Chaudhry, nicht ins Amt zurückkehren würde. Er befürchtet, der Richter könnte ein Amnestiegesetz für verfassungswidrig erklären, das ihm im Herbst trotz Korruptionsklagen eine straffreie Rückkehr in die Heimat ermöglicht hatte. Offen ist das Rennen um Musharrafs Nachfolge. Dem Parlament bleiben 30 Tage für die Wahl.

© SZ vom 20.08.2008/jtr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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