Ostafrika:Kenia wählt, um jeden Preis

Lesezeit: 2 min

In weißen Kopftüchern protestieren Kenianerinnen in der Hauptstadt Nairobi für eine friedvolle Wahl. Die Opposition fordert die Bevölkerung indes auf, die Wahl zu boykottieren. (Foto: Luis Tato/AFP)

Die Abstimmung wird von einer Staatskrise überschattet. Die Opposition ruft die Bevölkerung indes zum Boykott auf.

Von BERND DÖRRIES, Kapstadt

In Kenia soll an diesem Donnerstag der Versuch unternommen werden, einen neuen Präsidenten zu wählen - trotz vieler Zweifel an einem geordneten Ablauf. Das Verfassungsgericht sah sich am Mittwoch nicht in der Lage, über einen Antrag auf Verschiebung der Wahl zu beraten. Der Vorsitzende Richter David Maraga entschuldigte sich dafür, dass nur zwei der sieben Richter bei der mündlichen Verhandlung anwesend waren, das Gericht sei somit nicht beschlussfähig.

Ein Richter sei krank und außer Landes, einer habe keinen Flug in die Hauptstadt bekommen, zwei weitere waren "nicht in der Lage, zu Gericht zu kommen" und eine Stellvertreterin könne nicht erscheinen, weil ihr Leibwächter bei einer Schießerei am Dienstagabend verletzt worden sei, sagte Maraga.

Gegen die nicht anwesenden Richter soll es Todesdrohungen gegeben haben. Sie hatten noch vor wenigen Wochen in einem historischen Urteil entschieden, dass die Wahlen vom 8. August wegen schwerer Mängel bei der Stimmauszählung ungültig seien, und eine Wiederholung angeordnet.

Die internationale Gemeinschaft beharrte bis zuletzt darauf, dass die Wahlen stattfinden sollten

Der erneute Urnengang scheint aber nun noch einmal deutlich weniger dem zu entsprechen, was die kenianische Verfassung unter ordentlichen Wahlen versteht. Selbst der Vorsitzende der Wahlkommission Wafula Chebukati äußerte in den vergangenen Tagen Bedenken, ob die Wahl "fair und frei" durchgeführt werden könne. Ezra Chiloba, der Geschäftsführer der Wahlkommission, wurde wegen Zweifeln an seiner Integrität für die Dauer der Abstimmung in den Urlaub geschickt. Roselyn Akombe, seine hochrangige Kollegin in der Kommission, ist in die USA geflüchtet. "Mitglieder der Kommission werden von politischen Akteuren und Protestierenden eingeschüchtert und fürchten um ihr Leben", sagte sie aus dem Exil. Vor der Wahl im August war bereits der Technikchef der Wahlbehörde ermordet aufgefunden worden, sein Körper wies Folterspuren auf.

Die internationale Gemeinschaft beharrte trotz der Umstände bis zuletzt darauf, dass die Wahlen stattfinden sollten. Die USA, die EU und andere Geberländer hatten in den vergangenen Jahren viele hundert Millionen Euro ausgegeben, um die Wahlen in Kenia vor Fälschungen zu sichern. Wahlcomputer sollten die Bürger einwandfrei erkennen und die Ergebnisse direkt an die Wahlkommission nach Nairobi übermitteln. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtes gelang das nicht immer, weshalb es einen erneuten Urnengang anordnete - ohne konkret zu sagen, welche Konsequenzen die Politik zu ziehen habe. Deshalb konnte die Wahlkommission, die einen gescheiterten Urnengang zu verantworten hatte, fast unverändert im Amt bleiben.

Oppositionsführer Raila Odinga hatte bereits vor zwei Wochen seine Teilnahme zurückgezogen. Er sehe keine Chance, dass es unter den gegeben Umständen eine freie und faire Wahl geben könne. Odinga hatte im ersten Wahlgang im August 45 Prozent der Stimmen erreicht, Amtsinhaber Uhuru Kenyatta 54 Prozent.

Odinga rief seine Anhänger dazu auf, am Donnerstag gegen die Wahl zu demonstrieren, aber keinesfalls abzustimmen. Die Wahlkommission hatte seinen Namen trotz des Rückzugs auf den Wahlzettel gesetzt. Menschenrechtsgruppen befürchten, dass es in den kommenden Tagen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Opposition und Regierung kommen könnte, in den vergangenen Wochen waren bereits etwa 70 Menschen ums Leben gekommen, viele durch Kugeln der Polizei.

Sollte die Wahl am Donnerstag zum Abschluss gebracht werden, gilt Amtsinhaber Kenyatta als sicherer Sieger. Außer ihm stehen noch sechs weitere Kandidaten auf dem Stimmzettel, die im ersten Durchgang aber keine Rolle spielten. Ob ein Wahlsieg Kenyattas aber international überhaupt Anerkennung findet, ist offen. Die Opposition hat für die kommenden Wochen bereits weitere Proteste angekündigt.

© SZ vom 26.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: