Opposition in Iran:Wo ist der Held der Woche?

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Der Westen mit seinem fernsehgeschulten Publikum wünscht sich einen "iranischen Obama". Nur so konnte Mir Hussein Mussawi überhaupt zum Hoffnungsträger werden.

Rudolph Chimelli

Wer erinnert sich noch an die "Safran-Revolution" in Birma, die "Tulpen-Revolution" in Kirgistan oder an die "Denim-Revolution" in Weißrussland? Sie alle hatten die Sympathien der westlichen Öffentlichkeit, wurden rasch zur Morgenröte einer neuen Freiheit emporgejubelt, verpufften dann aber wirkungslos. Dem "Grünen Tsunami" von Teheran droht ein ähnliches Schicksal. Das liegt nicht daran, dass die Veränderungssehnsucht der protestierenden Iraner zu schwach oder gar unberechtigt wäre. Vielmehr haben wieder einmal Politiker und Medien aus ihren Sympathien Wünsche gemacht und aus den Wünschen virtuelle Wirklichkeit.

Eine Mussawi-Anhängerin demonstriert: Wer nicht in Freiheit lebt, begreift schneller, dass es nichts nützt, sich verprügeln zu lassen. (Foto: Foto:)

Ein Mann aus dem Apparat

Das fernsehgeschulte Publikum braucht seinen Helden der Woche. Auf diese Weise konnte ein Mann wie der unterlegene Präsidentschaftskandidat Mir Hussein Mussawi, den vor einem Monat selbst in seiner Heimat kaum mehr jemand kannte, über Nacht zum Idol von Millionen Iranern werden und zur großen Hoffnung der vielen auf der Welt, welche die Islamische Republik grässlich finden, ohne sich viel um Einzelheiten zu kümmern. Der Mann kam aus dem Apparat, war nie ein Liberaler, brauchte aber nur "Reform" zu sagen, und rasch entschlossene Interessenten für Legenden standen Schlange.

Wer im Westen vorsichtig darauf hinwies, daraus könne nichts werden, das Regime habe alle Macht und die Protestierenden gar nichts, machte sich in diesen Tagen nicht beliebt. Die Nachrichtenkonsumenten wollten einen "iranischen Obama". Dass die Unterdrücker auf die netten Leute, die mit zwei Fingern das V-Zeichen machten, brutal einschlugen, empörte die Iraner genau so wie das Ausland, aber sie waren davon weniger überrascht. Und hier liegt auch der Grund, weshalb die Massenproteste so bald abflauten. Wer nicht in Freiheit lebt, begreift schneller, dass es nichts nützt, sich verprügeln und einsperren zu lassen, wenn der Protest erfolglos sein wird.

Unreflektierte Bilder und Berichte

Die westlichen Medien waren in einem Dilemma, als ihnen das Regime jede Möglichkeit zu unabhängiger Berichterstattung genommen hatte. Dennoch bleibt die Frage, ob die Medien den protestierenden Iranern einen Dienst leisteten, indem sie, pauschal gesagt, die berechtigten Klagen über Wahlschwindel ganz unreflektiert mit Bildern und Berichten unterfütterten, die meist nicht nachprüfbar waren.

Das Regime lügt, aber nicht alles, was die in die Enge getriebene Opposition verlauten lässt, muss die reine Wahrheit sein. Die berührenden Fotos der armen, verblutenden Neda erlangten mit Recht Symbolkraft und gingen um die Welt. Aber sie durften den Blick auf die Machtverhältnisse nicht verstellen. Denn an ihnen hatte sich nichts geändert, als Neda begraben war. Falsche Hoffnungen zu wecken, ist keine Hilfe.

Es ist leicht, Mut zu zeigen, wenn man nicht dabei ist und nichts riskiert. "Nichts, was ab jetzt geschieht, wird in Teheran jemals wieder wie vorher sein", schrieb der Meinungsführer Bernard-Henri Levi im fernen Paris. Hoffentlich behält er recht. Doch vorerst lassen sich die Regierenden in Teheran durch YouTube und Twitter nicht davon abbringen, ihre Machtposition notfalls durch Grabesruhe zu sichern.

Die Jugend demonstriert gegen das Regime, oder: Zwei Drittel aller Iraner sind jünger als 30 Jahre. Das sind oft wiederholte Wahrheiten, die aber nichts beweisen. Denn jung sind überwiegend auch die Schläger der Bassidsch-Brigaden mit ihren Knüppeln.

© SZ vom 27.6.2009/bön - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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