Online-Kommentare:Razzien gegen Hetzer

Lesezeit: 2 min

Regierungspräsident Walter Lübcke wird im Netz verunglimpft. Selbst nach seiner Ermordung reißen die Schmähungen nicht ab. Nun haben Ermittler in zwölf Bundesländern Wohnungen von Verdächtigen durchsucht.

Von Jannis Brühl, München

In zwölf Bundesländern sind Ermittler gegen Verdächtige vorgegangen, die den ermordeten Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) im Internet verunglimpft und Gewalt gegen ihn gebilligt haben sollen. Dabei seien Wohnungen durchsucht und 40 männliche und weibliche Verdächtige vernommen worden, erklärte die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main. Bei dieser ist die Zentralstelle Internetkriminalität (ZIT) angesiedelt, die sich in Deutschland federführend um Cyberkriminalität kümmert.

Der Rechtsextremist Stephan E. soll den Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke am 2. Juni 2019 auf dessen Terrasse erschossen haben. Der Mordprozess beginnt am 16. Juni. Das Motiv des mutmaßlichen Täters soll der öffentliche Einsatz Lübckes für die Aufnahme von Flüchtlingen gewesen sein.

Wie das Oberlandesgericht Frankfurt am Donnerstag mitteilte, werden Lübckes Witwe sowie seine beiden Söhne im Prozess als Nebenkläger auftreten; außerdem ein irakischer Flüchtling, den Stephan E. 2016 niedergestochen haben soll.

Den wegen der Online-Beiträge Beschuldigten wird vorgeworfen, öffentlich zu Straftaten aufgefordert, Straftaten gebilligt oder das Andenken Verstorbener verunglimpft zu haben. Ihnen drohen auch Freiheitsstrafen: Das Gesetz sieht für solche Taten Geldstrafen oder Haftstrafen zwischen zwei und fünf Jahren vor.

Die mutmaßlich strafbaren Beiträge seien "in verschiedenen sozialen Netzwerken" veröffentlicht worden, erklärte die Staatsanwaltschaft. Laptops und Handys seien sichergestellt worden und würden nun ausgewertet, sagte eine Sprecherin der ZIT. Die meisten Beschuldigten kommen aus Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen.

Die ZIT hatte Kommentare im Netz zum Fall Lübcke ausgewertet. Manche der Verdachtsfälle, denen die Ermittler nachgingen, seien Kommentare, die vor Lübckes Tod zu Gewalt gegen ihn aufgerufen hätten. Andere möglicherweise strafbare Äußerungen wurden nach dem Mord veröffentlicht.

"Das deutliche Signal der Maßnahmen lautet: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum", sagte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD). "Menschenverachtende Äußerungen, fremdenfeindliche und antisemitische Hetze im Netz oder fremdenfeindliche Parolen sind strafbar - egal, ob in der analogen oder in der digitalen Welt." Reichweitenstarke soziale Netzwerke und Plattformen für Online-Spiele sollten verpflichtet werden, die wahre Identität von Nutzern abzufragen. Bei Straftaten sollten Sicherheitsbehörden auf diese Daten zugreifen können. Pistorius forderte die Landesinnenminister auf, darüber bei ihrer nächsten Konferenz zu beraten.

Auch sein hessischer Kollege Peter Beuth (CDU) begrüßte die Aktion: Der Rechtsstaat habe damit ein Stopp-Signal gegen "die geistigen Brandstifter, Aufwiegler und Hetzer gesetzt". Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Menschenverachtende Drohungen und Diffamierungen schaffen ein gefährliches Klima der Gewalt." Es müsse klar sein: "Wer Menschen bedroht, muss mit konsequenter Strafverfolgung rechnen."

© SZ vom 05.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: