Österreichs Vizekanzler Molterer:Der stille Zuchtmeister

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Der neue Vizekanzler, Finanzminister und ÖVP-Chef hat ein sanftes Image, kann aber eisenhart sein.

Michael Frank

Einmal, so erzählte Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, sei Wilhelm Molterer den Tränen nahe gewesen. Als nämlich im Jahre 2002 in Wien die - nie wirklich ernst gemeinten - Koalitionsverhandlungen der christsozialen Volkspartei (ÖVP) mit den Grünen scheiterten.

Da wob man noch an der Legende, der damalige Landwirtschafts- und Umweltminister Molterer sei ein sanftmütiger Mensch. In den Führungsgremien der ÖVP wusste man es längst besser: Molterer, der Leise, konnte eisenhart sein und bei zu viel Widerspruchsgeist richtig böse werden.

Für Österreichs Öffentlichkeit entstand ein Bild wie von Dr. Jekyll und Mr. Hyde: Kaum war Molterer 2003 Fraktionschef im Wiener Nationalrat geworden, traten hinter seiner stillen Verbindlichkeit Züge des Zuchtmeisters hervor, der cholerisches Aufbrausen oft nur mit zusammengebissenen Zähnen bändigte. Hatten sie ihn nicht früher wegen seiner pastoralen Art, beschwichtigend auf Streithähne einzureden, ,,Pater Willi'' genannt?

Als Stiller in der Kulisse, als Regisseur hinter den Schauspielern, ist er über Studentenvertretungen, Bauernbund und Ministeramt jetzt ganz vorne an die Rampe gerückt: Molterer wird in der großen Koalition Vizekanzler hinter dem sozialdemokratischen Regierungschef Alfred Gusenbauer.

Als Finanzminister wird er eine Schlüsselfigur der neuen Wiener Regierung sein. Von Stund an ist er zudem geschäftsführender ÖVP-Chef und dürfte im April zum Nachfolger Schüssels im Parteivorsitz gewählt werden.

Eiserne Art

Im Mai 1955 im oberösterreichischen Steyr geboren, adoptierte ihn später ein Onkel als Hoferben. Der Abschied von Vater und Mutter begründete der Legende nach ein bis heute wirksames Trauma. Molterers eiserne Art, nichts an Privatheit erkennen zu lassen - er hat Familie mit zwei erwachsenen Söhnen - könnte da ihre Wurzeln haben.

Schüssel ist erst am Dienstag endgültig mit seiner Vorliebe für den Finanzminister Karl-Heinz Grasser als künftige Lichtgestalt der ÖVP gescheitert. Konsequent hat er den Augenblick für den Generationswechsel erkannt: Er tauscht mit Molterer die Rolle, geht als Fraktionschef ins Parlament, Molterer wird Boss auf der ganzen ÖVP-Linie.

Schon vorher erschien er als der dynamische Brennpunkt der Partei, der neben dem durch den Wahlverlust konsternierten Schüssel in den Verhandlungen mit der SPÖ auf Härte pochte.

So hat die ÖVP dem künftigen Partner weithin die Schneid abgekauft. Wo der Taktiker Schüssel auf Kompromisse hielt, setzte Molterer auf alles oder nichts. Als ein Jago, der zu oft nur noch Härte predigte, brockte Molterer der Partei aber auch die ersten großen Niederlagen seit Jahren ein, etwa den Führungsverlust in den Gremien des Österreichischen Rundfunks - als Vorspiel für die verlorene Wahl. Er wisse nicht immer, wann er überzieht, sagen Parteifreunde.

Die SPÖ sieht der Zusammenarbeit ihres Chefs Gusenbauer mit Molterer beklommen entgegen. Dieser stand bisher für ein nach rechts ausfransendes ,,bürgerliches Lager''. Die bange Frage: Wird Molterer dem neuen Bündnis loyal sein wollen - und können?

© SZ vom 10.01.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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