Österreich nach der Wahl:Krise, Krach und Koalitionen

Die Alpenrepublik hat gewählt - und ist nach rechts gerutscht. Warum? Und wie geht es weiter? Sechs Fragen und sechs Antworten zu Österreichs neuer politischen Lage.

Wolfgang Jaschensky

1. Wer wird Österreich künftig regieren?

Österreich nach der Wahl: Der künftige Kanzler? SPÖ-Spitzenkandidat Werner Faymann.

Der künftige Kanzler? SPÖ-Spitzenkandidat Werner Faymann.

(Foto: Foto: dpa)

Rechnerisch sind viele Koalitionen denkbar. Die für eine Mehrheit notwendige Zahl von 92 Sitzen würde zum Beispiel eine Koalition aus SPÖ, BZÖ und Grünen erreichen. Wahrscheinlich sind allerdings nur zwei Konstellationen: Eine große Koalition aus SPÖ (58 Sitze) und ÖVP (50, zusammen 108), und eine Koalition aus ÖVP, FPÖ (35) und BZÖ (21, zusammen 106). Der SPÖ-Spitzenkandidat Werner Faymann hat eine Koalition mit den rechtsradikalen Parteien vor der Wahl ausgeschlossen. ÖVP-Chef Wilhelm Molterer will zwar nicht mit der FPÖ koalieren, doch muss er vermutlich ohnehin seinen Platz räumen, weil mit ihm auch eine große Koalition kaum denkbar ist. Die nächste Regierung Österreichs ist also wahrscheinlich entweder ein große Koalition unter dem Kanzler Faymann oder eine ÖVP/FPÖ/BZÖ-Koalition unter einem neuen ÖVP-Chef. Oliver Geden, der bei der Stiftung Wissenschaft und Politik unter anderem über Rechtspopulismus forscht, glaubt an den Kanzler Faymann.

Krise, Krach und Koalitionen

2. Wer ist der große Wahlverlierer?

Österreich nach der Wahl: Wilhelm Molterer hat der ÖVP nicht den erhofften Erfolg gebracht.

Wilhelm Molterer hat der ÖVP nicht den erhofften Erfolg gebracht.

(Foto: Foto: AP)

Der große Verlierer, da sind sich alle Beobachter einig, ist die ÖVP. Der einzige weitere Kandidat für diesen Titel ist die SPÖ. Die kann dem historischen Tiefstwert zum Trotz immerhin für sich verbuchen, stärkste Kraft im Parlament zu sein. "Die ÖVP hat die Neuwahlen herbeigeführt und seit dem Moment hat sich die SPÖ sehr viel besser präsentiert", sagt Oliver Geden. Nachdem die SPÖ in der Frage der Europapolitik zur EU-kritischen Kronen-Zeitung geschwenkt sei, habe die ÖVP kein Thema positiv besetzen können. Der österreichische Politikwissenschaftler Anton Pelinka verweist aber auf die paradoxe Situation, dass die ÖVP als eindeutiger Verlierer letztlich über die Regierung entscheiden kann, weil die beiden realistischen Koalitionsoptionen jeweils nur die ÖVP beinhalten.

Krise, Krach und Koalitionen

Österreich nach der Wahl: ÖVP und SPÖ bewegen nicht mehr das ganze Land: Die Volkparteien stecken in der Krise.

ÖVP und SPÖ bewegen nicht mehr das ganze Land: Die Volkparteien stecken in der Krise.

(Foto: Foto: AFP)

3. Wie schlimm ist die Krise der Volksparteien?

SPÖ und ÖVP haben bis zu Beginn der neunziger Jahre zusammen nie weniger als 80 Prozent, oft auch mehr als 90 Prozent der Stimmen auf sich vereint. Für die ÖVP ging es erstmals bei der Parlamentswahl 1990 unter die 40-Prozent-Marke, die SPÖ folgte vier Jahre später. Bei den Wahlen am Sonntag stürzten die beiden großen Parteien nun auf historische Tiefstwerte und erhielten zusammen gerade noch die Unterstützung von etwa 55 Prozent der Wähler. Die beiden rechtsradikalen Parteien kamen sogar auf mehr Stimmen als die ÖVP. Sollte die nächste Regierung wieder von einer große Koalition getragen werden, prophezeit der SWP-Forscher Geden den Volksparteien weitere Stimmverluste: "Wenn es eine große Koalition gibt, dann werden ÖVP und SPÖ weiter deutlich verlieren."

Krise, Krach und Koalitionen

Österreich nach der Wahl: Strache strahlt: Der FPÖ-Chef hat seine Partei zur drittstärksten Kraft in Österreich gemacht.

Strache strahlt: Der FPÖ-Chef hat seine Partei zur drittstärksten Kraft in Österreich gemacht.

(Foto: Foto: dpa)

4. Warum stimmen in Österreich fast 30 Prozent der Wähler für rechtsradikale Parteien?

Der Hauptgrund für den Rechtsruck, das zeigen Umfragen, ist der Frust der Menschen über die große Koalition. Allerdings ist erstaunlich, dass der Frust nicht beispielsweise auch den Grünen zugutekommt. Populismus-Forscher Geden verweist zudem auf Statistiken, nach denen Österreicher in Alltagsfragen leicht fremdenfeindlicher reagieren, als Bürger in vergleichbaren Staaten. "Das hilft den Rechten, die mit populistischen Argumenten die Ängste der Bürger aufgreifen." Besonders die FPÖ gehe dabei allerdings durchaus differenziert um. Unter den eingebürgerten Serben ist die FPÖ beispielsweise zweitstärkste Kraft, weil sie sich in der Kosovofrage auf die Seite der Serben gestellt hat. Ein weiterer Punkt ist die EU-skeptische Haltung vieler Österreicher, die von den beiden rechtsradikalen Parteien vehement unterstützt wird.

Krise, Krach und Koalitionen

Österreich nach der Wahl: Erfolgreicher Populist: Jörg Haider hat ein erstaunliches Comeback hingelegt.

Erfolgreicher Populist: Jörg Haider hat ein erstaunliches Comeback hingelegt.

(Foto: Foto: dpa)

5. Wie war Haiders Comeback möglich?

Den Erfolg des Bündnisses Zukunft Österreich (BZÖ) schreiben Experten fast einstimmig der Person Jörg Haider zu. Haider, der lange Zeit abgeschrieben war, hat mit seiner Entscheidung, Spitzenkandidat zu werden, der Partei ein Gesicht gegeben. Viele Wähler ließen sich nach Einschätzung Gedens durch die überzeugenden Auftritte Haiders bei den Fernsehduellen umstimmen. Darüber hinaus profitiert Haider bundesweit von seinem starken Ergebnis in seiner Heimat Kärnten. Als Landeshauptmann konnte er dort mehr als 39 Prozent der Stimmen einfahren.

Österreich nach der Wahl: Grinsende Gegner: Gibt es für Strache (links) und Haider eine gemeinsame Zukunft?

Grinsende Gegner: Gibt es für Strache (links) und Haider eine gemeinsame Zukunft?

(Foto: Foto: AP)

Krise, Krach und Koalitionen

6. Was wird aus dem rechten Lager?

Nach dem Erfolg bei der Nationalratswahlen wird in Österreich wild über eine Vereinigung der FPÖ und Haiders BZÖ spekuliert. Denkbar ist eine "CDU/CSU-Lösung", wonach das BZÖ nur in Kärnten, und die FPÖ im Rest der Republik antritt. Dagegen sprechen allerdings vor allem das Zerwürfnis zwischen FPÖ-Chef Hans-Christian Strache und Haider. "In dieser Konstellation ist das sehr unwahrscheinlich", sagt Geden.

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