Leserforum:Ruhiges Fahrwasser und Rechtsstaatlichkeit

Lesezeit: 5 min

Welche Wünsche, Erwartungen und Gedanken Leserinnen und Leser für Österreich im Jahr 2023 haben.

Im Österreich-Newsletter vom 30. Dezember 2022 stellten wir die Frage: "Was wünschen Sie sich für Österreich im neuen Jahr?" Eine Auswahl der vielen Antworten von Leserinnen und Lesern.

Notwendige Schritte

Ich erwarte mir, dass die notwendigen Schritte in Sachen Klimaschutz nicht länger hinausgezögert werden, und hoffe, dass ich einen Beitrag zu deren Umsetzung leisten kann. Dietrich Waldmann, Waidhofen/Thaya

Ruhiges Fahrwasser

Mit Wehmut denken ich und viele meiner Freunde an die Expertenregierung nach Kurz' Absturz zurück. Geballte Kompetenz, rhetorische Eleganz, ruhiges Fahrwasser - das ist mein Wunsch für unsere Zukunft. Wir hätten es verdient! Barbara Hollborn, Wien

Mit Optimismus in die Vergangenheit

Dieses Jahr werde ich - wenn ich es erlebe - meinen 80. Geburtstag feiern, begehen, wie auch immer. In diesem doch langen Leben in Österreich hat sich ein Satz des wunderbaren (jüdischen) Wiener Kabarettisten Karl Farkas bestätigt: "Die Deutschen blicken voller Pessimismus in die Zukunft, die Österreicher voller Optimismus in die Vergangenheit". Was lustig klingt, ist in Wirklichkeit eine Flucht vor der Wirklichkeit. Angesichts der Herausforderungen dieser Zeit - und diese gehen weit über das Jahr 2023 hinaus - erwarte ich, dass zu viele meiner Landsleute - aus der oben zitierten Haltung - jenen auf den Leim gehen, die ihnen versprechen, sie würden die früheren, guten alten Zustände wiederherstellen können. Und weil die Österreicher:innen in ihrer großen Mehrzahl heute weniger "etwas erreichen", als vielmehr das Erreichte verteidigen wollen - gegen Asylanten, Migranten oder Brüsseler EU-Sanktionen, die ihnen höhere Energiekosten bescheren - werden die konservativen bis weit rechts stehenden Kräfte (vermutlich) noch stärker werden. Aber die Problematik des unkontrollierten Zustroms, insbesonders junger islamischer Männer, darf auch nicht kleingeredet werden. Das erwarte ich mir auch von den sich für fortschrittlich haltenden Kräften. Erich Holfeld, Salzburg

Munterer Zynismus

Für die nahe und ferne Zukunft der österreichischen Republik sehe ich eine von der Mehrheit getragene Politik des Weiter-so. Mit beeindruckendem Schmäh dekorierten munteren Zynismus. Das passt, das gefällt dem Bürger. Die können das, leider können die das auch nicht anders. Horst Heynemann, München

Das Morgen gestalten

Meine Familie und ich blicken auf das Land als Ruhrgebietskinder und Wahl-Rheinländer, die erst seit gut einem Jahr in Österreich - in Graz - wohnhaft sind. 2022 war das erste ganze Jahr, in dem wir zarte Wurzeln schlagen konnten. Gefühle des Willkommen-und-irgendwie-doch-fremd-Seins vermischen sich im Rückblick mit den Verunsicherungen einer Welt im Corona-Würgegriff und einem Europa im Kriegszustand. Aber auch Glücksgefühle angesichts weidender Schafe (der eigenen!), hilfsbereiter Nachbarn und völlig selbstverständlich miteinander spielender Kinder haben unser Jahr in unvergesslicher Weise geprägt. Wenn ich an die nahe Zukunft denke, wünsche ich mir für "unser" Österreich deshalb dreierlei - im Kleinen, Mittleren und Großen: Erstens, dass wir auch ohne expliziten Schutz eines Mietrechtsgesetzes in unseren Rechten geachtet sind und in unserem Häuschen heimisch werden dürfen. Zweitens, dass in Graz gelingt, was die Welt nötig hat: die Wirtschaft auf Umwelt- und Ressourcenschutz zu verpflichten und die Bedürfnisse von Armen und Reichen produktiv miteinander zu versöhnen. Drittens, dass Streitkultur, Widerspruchsgeist und Reformbegeisterung das Land erfassen und durchschütteln: Regierende sollen wie BürgerInnen aus ihren Träumen vom seligen Gestern erwachen und ein Morgen gestalten, dass wir, ohne übertriebenen, aber doch mit Stolz, unseren Kindern und Enkeln überlassen können. Ganz ohne Illusion: Wie schön wäre das! Ulf Grebe, Graz

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Machbares Regierungsprogramm

Solange diese auf perfide Weise zustande gekommenen Mehrheitsverhältnisse im Parlament bestehen, erwarte ich mir (leider) nichts mehr Positives. D.h. alle seit langer Zeit geforderten Reformen, wie z.B. das Informationsfreiheitsgesetz, welches das Amtsgeheimnis abschaffen soll, werden weiterhin verzögert. Die derzeitige Regierung entspricht seit der Demission von Sebastian Kurz nicht mehr dem Willen und Wünschen der Mehrheit der in Österreich lebenden Menschen. Deshalb würde ich mir Neuwahlen und eine rasche Regierungsbildung mit einer soliden Basis sowie einem machbaren Regierungsprogramm wünschen, um endlich den Stillstand in der Verwaltung des Landes zu stoppen. Die derzeitigen Koalitionspartner lähmen sich gegenseitig und werden nur mehr dadurch geeint, dass sie an ihren Pfründen hängen, wie ein Todkranker im Sauerstoffzelt. Prof. Dr. Nikolaus Lehner, Wien

Garantie der Rechtsstaatlichkeit

Ich wünsche mir eine starke Regierung, also eine SPÖ/ÖVP-Koalition, die in erster Linie die Rechtstaatlichkeit garantiert und dass die FPÖ auf ein erträgliches Maß reduziert wird. Roland Xander, Feldkirch

Bekenntnis zu europäischen Werten

Für Österreich wünsche mir mehr Rückgrat statt Wegducken, Hinsehen statt Wegschauen. Probleme "net amoi ignoriern" hilft nicht weiter. Klares Bekenntnis zu den europäischen Werten statt föderale Kirchturmpolitik, statt Rosinenpicken mit neutralem Feigenblatt. Frischer Regierungswind durch SPÖ/Grüne/Neos damit die ÖVP sich in der Opposition regenerieren kann. Als Auslandsösterreicher möchte ich wieder rundum stolz sein können auf meine Heimat. Was ich erwarte? "Hoffentlich wird es nicht so schlimm, wie es schon ist" - ich fürchte, Karl Valentin wird auch 2023 recht behalten. Dr. Hans-Peter Übleis, München

Für ein Miteinander, das Frieden schafft

Ich wünsche mir in Österreich für 2023 zuerst keine (schon gar nicht zur Schau gestellte) Korruption mehr. Ich wünsche mir eine Entpolitisierung der Ämter. Ich wünsche mir Ethik-Unterricht für jeden. Ich wünsche mir keine 500 Euro Ausgleichsbonus, die ich an Ärmere spende, um Gerechtigkeit herzustellen. Ich wünsche mir eine Rücknahme der politischen Entscheidung, die Länder könnten über medizinische Ausbildungsplätze verfügen (anstatt der Ärztekammer). Ich wünsche mir keine politischen Gratiszeitungen mehr, die die Leute unglücklich machen. Ich wünsche mir eine Reichtumsgrenze. Ich wünsche mir keine 2/3 der Bevölkerung, die in Österreich einen ungerechten Staat sehen. Ich wünsche mir keine selbstverständlichen deutschlandfeindlichen Aussagen der Mitschüler meines Sohnes. Ich wünsche mir, dass es keine Einteilung in gute und böse Menschen gibt, die in die EU wollen. Ich wünsche mir ein Miteinander, das Frieden schafft. Ich wünsche mir höchsten Schutz für Mädchen und Frauen. Ich frage mich, wann ist es eigentlich genug?! Dr. Katharina Beinhofer, Thalheim bei Wels

Notwendigkeit des Klimaschutzes

Ich erwarte mir für Österreich 2023, dass unsere Regierung auch das Thema Entschleunigung/Reduzierung des Verkehrs und des Konsumverhaltens als Notwendigkeit des Klimaschutzes kommuniziert. Das weitgehende Abtauen der Gebirgslandschaft, bzw. das Erhalten künstlicher Schneebänder darin, dies bei Wiedererwachen von Massentourismus im "Vor-Corona" Modus, ist lediglich Katastrophen Management. Ich wünsche mir, dass die - für viele Menschen erkennbare - Notwendigkeit der Verhaltensänderung auch auf politischer Ebene aktiv kommuniziert wird. Eine kritische Thematisierung der bisherigen Strategien zum Thema/Sachverhalt "Grenzen des Wachstums" wäre aus meiner Sicht wünschenswert für Österreich. Österreichische Denktraditionen gibt es. (siehe: vielfach ausgezeichneter Philosoph und Ökonom Leopold Kohr mit seinen Kernthesen: Small/Slow is beautiful). Hans Peter Radauer, Salzburg

Ende für blamable Vetternwirtschaft

Mit großer Besorgnis blicke ich auf die Entwicklungen in Österreich. Ich hoffe sehr, dass 2023 in Österreich endlich dem Fremdenhass und der unerträglichen, blamablen Vetternwirtschaft, "der Papa wird's schon richten" ein Ende gemacht wird. Ich glaube weiterhin an das Gute in vielen Österreichern. Möge es wieder Oberhand gegen den Macht- und Profithunger der politisch aktiven Gruppe gewinnen. Dr. Heidrun Kerecz, Berlin

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