Obama-Besuch:Kulisse Deutschland

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Um die transatlantischen Beziehungen geht es Barack Obama bei seinem Deutschlandbesuch nicht - eher um den symbolträchtigen Auftritt. Die Macht der Bilder versteht er dabei gut.

Andrian Kreye

Nein, es ging nicht um uns. Wer glaubt, Barack Obama interessiere sich in diesen Wochen und Monaten für die transatlantischen Beziehungen, gar für die Meinungen und Anliegen der deutschen Regierung und Bürger, der sollte sich daran erinnern, dass sich Deutschland aus amerikanischer Sicht in den Jahren seit dem Mauerfall in die weltpolitische Irrelevanz manövriert hat.

Die Macht der Bilder: Barack Obamas Auftritt war von langer Hand inszeniert. (Foto: Foto: Reuters)

Das ist der Status quo, von dem Barack Obama zunächst einmal ausgehen wird, sollte er die Wahlen denn gewinnen. Was sein Besuch in Berlin vielmehr demonstriert, ist das enorm hohe Niveau, auf dem der Kandidat und seine Mannschaft Bilder und Symbole inszenieren. Und es sind Bilder und Symbole, die den Wahlkampf entscheiden werden.

Amerikanische Wahlkampfmanager lernen so etwas von erfahrenen Regisseuren. Da wird nichts dem Zufall überlassen. Jeder Kamerawinkel, jeder Bildausschnitt ist durchdacht. Dann wird die Zahl der Fernsehteams und Fotografen reduziert und zusammengepfercht, damit alle Kameras den Kandidaten oder Politiker garantiert aus demselben Winkel in den Blick bekommen. Steht der Politiker an einem Pult, vor einem Bauwerk, neben einer Person, so muss die Tribüne für die Kameras in einem exakten Winkel aufgestellt werden, die sich aus den jeweiligen Bildelementen ergibt. Niemand wird aus einer anderen Perspektive drehen oder fotografieren dürfen. Nur so kann garantiert werden, dass die Inszenierung auch in der gewünschten Weise umgesetzt wird.

Auch in Afghanistan, Irak, Jordanien und Israel war Obama ein Meister der Bilder. Der Gang zum Podium in Jerusalem, bei dem Barack Obama seinen Arm väterlich um Präsident Schimon Peres legte (am Donnerstag Titelbild der SZ), hätte aus einem anderen Blickwinkel nie die Botschaft vermitteln können, dass Obama Amerikas Rolle als Schutzmacht Israels nicht nur ernst nimmt, sondern wirklich fühlt.

Anders als in der Talkshow

Der Auftritt vor der Siegessäule war auf drei Bildebenen angelegt. Da ist zunächst einmal, ganz klar, der Kandidat. US-Politiker sind ausgebildet, ihre Gestik und Mimik den jeweiligen Situationen anzupassen. Die Gestik der Hände unterscheidet sich in einer Talkshow beispielsweise von der bei einem Auftritt vor Tausenden. Bei Talkshows ist es wichtig, dass die Kameras klare Handbewegungen zwischen Schulterpartie und Torsomitte erfassen können. Das wirkt im Fernsehen lebendig, vor großem Publikum leicht verkrampft, weswegen man die Kameras in diesem Falle etwas weiter weg positionieren und die Gestik etwas ausweiten muss.

Die Bildebene der Kulisse war nach dem Verbot eines Auftritts vor dem Brandenburger Tor allerdings nicht mehr zweit-, sondern drittrangig. Der Teleschuss zum Tor kann von der Siegessäule aus nur noch als Überleitungsmotiv verwendet werden. Das wiederum wertete von vorneherein den Gegenschuss ins Publikum auf, was alle freuen wird, die den Weg zur Siegessäule fanden.

Die absolute Kontrolle über die Bilder geht auf John F. Kennedy zurück. Der hatte die Wahl gewonnen, weil er in der legendären Fernsehdebatte von 1960 ganz einfach besser aussah als der bartstoppelige Nixon. So wurde der Posten des präsidialen Leibfotografen eingerichtet. Army-Leutnant Cecil Stoughton war der erste dieser Leibfotografen. Seither engagierten mit Ausnahme von Jimmy Carter sämtliche amerikanischen Präsidenten solche ständigen Bildbegleiter. Meist waren es Bildjournalisten, mit denen sie früh gute Beziehungen aufgebaut hatten. George W. Bush heuerte gleich ein fünfköpfiges Team an und versuchte zeitweise, reguläre Pressefotografen von seinen Terminen auszuschließen.

Reise fürs Fotoalbum

Allerdings wird die Kontrolle über die Bilder in Zeiten von Webseiten wie YouTube und Flickr immer schwieriger. Für Obama ist eine Reise mit verschärften Sicherheitsbedingungen die ideale Möglichkeit, die Macht über die Bilder wieder zurückzuerobern. Nun könnte man Susan Sontag zitieren oder Baudrillard, die sich kluge Gedanken über die Fotografie, die Simulation und die Macht der Bilder gemacht haben.

Letztlich erinnert Obamas Reise aber doch nur an die sehr harmlose Filmkomödie "Green Card - Scheinehe mit Hindernissen" von Peter Weir. Da müssen Andie McDowell als Amerikanerin und Gérard Depardieu als illegaler Einwanderer aus Frankreich für den Besuch bei den Einwanderungsbehörden eine langjährige Beziehung vortäuschen. Deswegen fotografieren sie an einem Nachmittag vor verschiedenen Kulissentapeten typische Szenen einer großen Liebe: Urlaub, Alltag, Kuscheleien.

So bastelt sich auch Obama gerade ein Fotoalbum, das nach neun Tagen so aussehen wird, als habe er jahrelang außenpolitische Erfahrung gesammelt, gekrönt von einer Rede, die Bild- und Zitatschleifen produzieren soll. Kein Wunder, dass er "nur zuhören" will. Das Kommando hat die Bildregie.

© SZ vom 25.07.2008/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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