Numerus clausus:Neue Wege zum Medizinstudium

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Bisher gilt: Ohne Einser-Abitur ist ein Studienplatz kaum zu bekommen. Doch für das Verfassungsgerichtist die Note nicht das einzige Kriterium - die Richter fordern eine Reform des Auswahlverfahrens.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Die Vergabe von Studienplätzen im Fach Medizin muss komplett neu geregelt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat das derzeit geltende System in vielen Teilen für verfassungswidrig erklärt und entsprechende Änderungen der Vorschriften bis Ende 2019 angeordnet. Das derzeitige Verfahren, das rund 11 000 Studienplätze unter mehr als 60 000 Bewerbern verteilt, verletzt dem Gericht zufolge den Anspruch der Bewerber auf "gleiche Teilhabe am staatlichen Studienangebot".

Auslöser des Urteils war die Klage zweier Studienbewerber, die trotz jahrelanger Wartezeit zunächst keinen Platz bekommen hatten; einer von ihnen studiert inzwischen. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen legte die Fälle in Karlsruhe vor. Die begehrten Plätze werden derzeit in drei Tranchen vergeben: 20 Prozent gehen über die "Abiturbestennote" weg, wofür derzeit ein Schnitt sehr nahe bei 1,0 erforderlich ist. Weitere 20 Prozent werden nach Wartezeit vergeben, die inzwischen bei etwa 15 Semestern liegt. Der Löwenanteil - 60 Prozent - wird über hochschuleigene Auswahlverfahren verteilt, bei denen aber vielfach ebenfalls die Abinote eine wichtige Rolle spielt.

Der Erste Senat unter Vorsitz von Ferdinand Kirchhof ist zwar nicht grundsätzlich dagegen, der Note einen hohen Stellenwert einzuräumen. Nicht nur bei den 20 Prozent für die "Bestennote", sondern auch bei den hochschuleigenen Verfahren darf sie ihren Platz behalten, vorausgesetzt, die Unterschiede bei den Abiturnoten werden ausgeglichen, die zwischen den Ländern herrschen. Allerdings dürfe das gesamte Auswahlverfahren der Hochschulen nicht allein bei der Note enden, sondern müsse weitere Eignungskriterien enthalten, die einen guten Arzt ausmachen - etwa kommunikative Fähigkeiten. Die Struktur solcher Eignungstests müsse verbindlich geregelt werden.

Korrekturen werden auch im Zusammenhang mit den sogenannten Ortspräferenzen notwendig. Derzeit spielt die Angabe der bevorzugten Universität in der Bewerbung aus Sicht des Gerichts eine mitunter kontraproduktive Rolle: Auch wenn eigentlich der Notenschnitt maßgeblich sein soll, kann ein guter Bewerber das Nachsehen haben, weil er eine Universität mit zu vielen noch besseren Bewerbern gewählt hat. Auch die Wartezeit wird laut Gericht kürzer werden müssen, das Urteil stellt eine Höchstfrist von vier Jahren in den Raum. Zugleich aber macht der Erste Senat klar: Am Ende einer verkürzten Wartezeit steht nicht automatisch ein Studienplatz: "Das Teilhaberecht reicht nicht so weit, dass es einen individuellen Anspruch begründen könnte, Ausbildungskapazitäten in einem Umfang zu schaffen, welcher der jeweiligen Nachfrage gerecht wird."

Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund fordert deshalb, mindestens zehn Prozent neue Medizinstudienplätze zu schaffen. Der Bedarf an neuen Ärzten wachse nicht nur wegen des demografischen Wandels, sondern auch, weil in den nächsten fünfzehn Jahren die Ärzte aus der Babyboomergeneration in Rente gingen, sagte der Vorsitzende Rudolf Henke. Ärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery nannte eine Reform überfällig.

© SZ vom 20.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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