NSU-Terroristen:Rauben, um zu töten

Lesezeit: 2 min

15 Raubüberfälle sollen die NSU-Terroristen neben den rassistischen Morden verübt haben. Dabei trugen sie geladene Waffen und eine Handgranaten-Attrappe bei sich und feuerten Schüsse aus einer Schreckschusspistole ab. Aus Sicht der Ankläger ist die Täterschaft des NSU gut belegt, doch es bleiben Fragen.

Von Tanjev Schultz

Die NSU-Terroristen waren nicht zimperlich, wenn sie Beute machen wollten. Uwe Böhnhardt schlug dem Filialleiter einer Sparkasse in Eisenach mit einem Revolver auf den Kopf, Uwe Mundlos hielt die Kunden mit einer geladenen Pistole in Schach. Der Filialleiter blutete, seine Angestellten öffneten den Tresor, und die beiden Räuber flohen mit 71.915 Euro. Das war am Morgen des 4. November 2011, Mundlos und Böhnhardt hatten wieder einmal zugeschlagen. Doch dies sollte ihr letzter Banküberfall sein. Die Polizei kam ihnen auf die Spur. Böhnhardt und Mundlos erschossen sich in ihrem Wohnmobil, bevor Beamte sie festnehmen konnten.

Der NSU soll laut Anklage insgesamt 15 Raubüberfälle in den Jahren 1998 bis 2011 begangen haben. Die untergetauchten Neonazis brauchten Geld zum Leben. Nach ihrer Flucht sammelten braune Kameraden für das Trio Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe, aber das Geld reichte nicht. Wenige Tage vor Heiligabend im Jahr 1998 sollen Mundlos und Böhnhardt zum ersten Mal zugeschlagen haben, in einem Edeka-Markt in Chemnitz. Mit etwa 30.000 Mark rannten sie auf die Straße und schossen auf einen Jugendlichen, der sie verfolgte. Dessen möglichen Tod, sagen die Ankläger, nahmen die Räuber billigend in Kauf.

Angesichts der Morde und Bombenanschläge des NSU geraten die Überfälle schnell aus dem Blick. Doch diese prägten das Leben der Bande nicht minder, und die Räuber gingen brutal vor. Sie sprühten Angestellten Reizgas in die Augen, trugen geladene Waffen und eine Handgranaten-Attrappe bei sich, feuerten Schüsse aus einer Schreckschusspistole ab und schlugen um sich. Nach dem Edeka-Markt folgten vier Überfälle auf Postfilialen in Chemnitz und Zwickau. Später verlegte sich der NSU auf Sparkassen, erst in Chemnitz und Zwickau, dann in Stralsund und Arnstadt.

Zschäpe soll bei Überfällen nicht dabei gewesen sein

Das Trio, das aus Jena kam, lebte anfangs in Chemnitz, danach in Zwickau und ging schon wegen der Nähe zu den Tatorten ein hohes Risiko ein. Dennoch kam die Polizei den Räubern jahrelang nicht auf die Spur. Meist verdeckten Mundlos und Böhnhardt nach Erkenntnissen der Ermittler ihr Gesicht mit Dreieckstüchern und Sonnenbrillen. Die Tücher wurden in der Wohnung des Trios in Zwickau gefunden.

Beate Zschäpe war bei den Überfällen offenbar nicht dabei. Die Ankläger sind aber überzeugt, dass sie als Komplizin eingeweiht war, die Taten deckte und als eine Art Finanzverwalterin des Trios die Beute ausgab. Mindestens beim Überfall in Eisenach soll sie zudem gemeinsam mit Böhnhardt das Wohnmobil angemietet haben, mit dem die Räuber fliehen wollten. Auch dem Angeklagten André E. wird vorgeworfen, Tatfahrzeuge angemietet zu haben.

Karten und Notizen deuten darauf hin, dass der NSU seine Überfälle und Fluchtwege minutiös plante und die Tatorte zuvor ausspähte. Aus Sicht der Ankläger ist die Täterschaft des NSU gut belegt, dennoch bleiben Fragen. Am 5. Oktober 2006 soll Uwe Böhnhardt eine Sparkasse in Zwickau überfallen haben. Mit einem Tischventilator schlug er einer Frau auf den Kopf, eine Vase warf er gegen ein Fenster. Böhnhardt soll diesmal allein gehandelt haben. Damit, so die Theorie der Bundesanwaltschaft, habe der NSU die Ermittler verwirren und die Täterschaft in der Raubserie verschleiern wollen.

© SZ vom 15.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: